Entscheidungsstichwort (Thema)

Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG

 

Orientierungssatz

Auch der Antrag nach § 109 SGG ist ein Beweisantrag iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, kann allerdings aus dem Grunde, daß der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf die Verletzung des § 109 SGG gestützt werden kann, nicht an dieser Bestimmung, sondern nur an § 103 SGG gemessen werden.

 

Normenkette

SGG §§ 109, 160 Abs 2 Nr 3, § 103

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 10.09.1987; Aktenzeichen L 12 An 4/87)

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin, die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und mehrere Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) gestützt ist, ist unzulässig. Sie genügt nicht den Formerfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG.

Die Klägerin, die weiterhin Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit im Anschluß an eine Zeitrentengewährung ab August 1984 begehrt, bezeichnet als grundsätzlich die Frage, ob bei Erkrankungen auf verschiedenen medizinischen Gebieten eine ganzheitliche Betrachtungsweise zu erfolgen habe. Dazu führt sie aus, der Neurologe Dr. Sch.    habe in seinem Gutachten vom 1. April 1987 bestätigt, daß sie bei einer gebotenen ganzheitlichen sozialmedizinischen Betrachtungsweise Erwerbstätigkeiten nicht mehr verrichten könne. Zu Unrecht sei das Landessozialgericht (LSG) dieser Begutachtung nicht gefolgt mit der Behauptung, auf psychiatrischem Fachgebiet sei nur eine Erkrankung leichten Grades festgestellt. Das LSG habe also eine ganzheitliche sozialmedizinische Betrachtungsweise nicht durchgeführt, indem es sich nur an Einzelbefunde der verschiedenen medizinischen Fachgebiete gehalten habe. Damit ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Inwiefern zweifelhaft und grundsätzlich klärungsbedürftig ist, daß eine ganzheitliche Betrachtungsweise stattzufinden hat, ist nicht näher ausgeführt. Daß das LSG nach Ansicht der Klägerin nicht entsprechend verfahren ist, reicht für die Darlegung einer den Einzelfall übergreifenden, grundsätzlichen Bedeutung nicht aus. Die Klägerin wirft im übrigen nur Fragen tatsächlicher Art auf, wie nämlich medizinische Einzelbefunde in ihrem Zusammenwirken auf die Erwerbsfähigkeit zu bewerten sind. Daß sie sich damit in Wahrheit gegen die Beweiswürdigung und Sachaufklärung des LSG wendet, ergibt sich auch aus ihrer weiteren Begründung, das LSG habe den Untersuchungsgrundsatz verletzt, indem es nur die Einzelbefunde gewertet habe, ohne weitere Ermittlungen im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise durchzuführen. Mit derartigen Angriffen kann allenfalls begründet werden, daß eine Tatsachenwürdigung auf einer Verletzung von Erfahrungssätzen oder von Denkgesetzen beruht (BSG SozR 1500 § 160 Nr 26). Ein Erfahrungssatz, der verletzt sein könnte, ist aber weder ausdrücklich noch aus dem Zusammenhang erkennbar bezeichnet worden.

Auch hinsichtlich der gerügten Verfahrensmängel genügt die Beschwerde nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG.

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Hinsichtlich der gerügten Verletzung des § 103 SGG hat die Klägerin zwar mit Hinweis auf den Antrag ihres Prozeßbevollmächtigten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG durch Frau Prof. Dr. St.     einen Beweisantrag in diesem Sinne bezeichnet. Auch der Antrag nach § 109 SGG ist ein Beweisantrag iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, kann allerdings aus dem Grunde, daß der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf die Verletzung des § 109 SGG gestützt werden kann, nicht an dieser Bestimmung, sondern nur an § 103 SGG gemessen werden (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 3. Aufl, § 160 RdZiff 18). Deshalb muß in der Beschwerdebegründung auch dargelegt werden, daß und warum dem LSG aus seiner Sicht bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und es sich deshalb zu einer bestimmten Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen. Dazu hat die Klägerin keine näheren Angaben gemacht. Insbesondere fehlt es an Darlegungen zu der Frage, ob und warum das LSG nach dem Prozeßverlauf hätte annehmen müssen, daß der bereits im Januar 1987 gestellte Beweisantrag noch in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten worden ist. Zu diesem Beweisantrag hatte der Berichterstatter des LSG der Klägerin mit Schreiben vom 10. Februar 1987 mitgeteilt, daß eine erneute Begutachtung auf kardiologischem Gebiet entbehrlich sei, weil schon aufgrund eines in der Vorinstanz gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens eine Erkrankung der Herzkranzgefäße angenommen werden könne. Nachdem die Klägerin auf ihrem Beweisantrag bestanden hatte, hat das LSG von Amts wegen ein neues Gutachten bei Dr. Sch.    eingeholt, ohne daß die Klägerin nach dessen Erstattung (wegen des für sie positiven Ergebnisses dieses Gutachtens verständlich) auf ihren früheren Beweisantrag ausdrücklich zurückgekommen wäre. Bei dieser Sachlage fehlt es hinsichtlich der - auf § 103 SGG gestützten - Verfahrensrüge jedenfalls auch an Darlegungen dazu, daß und mit welchem Inhalt der Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung als aufrechterhalten hätte angesehen werden müssen.

Mit der weiteren Rüge der Klägerin, im Urteil des LSG seien die von dem Gutachter Dr. Sch.    festgestellten Blutdruckwerte unrichtig wiedergegeben, ist ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht hinreichend bezeichnet. Dazu gehören auch Ausführungen, aus denen sich schlüssig ergibt, daß und aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung auf diesem Fehler beruhen kann. Die Klägerin hat nicht dargelegt, inwieweit sich bei Beachtung der richtigen Blutdruckwerte eine für sie günstigere Entscheidung hätte ergeben können.

Auch im übrigen enthalten die unter Nrn IV bis VIII vorgebrachten Einwendungen gegen das Urteil des LSG keine Zulassungsgründe iS von § 160 Abs 2 Nrn 1 bis 3 SGG; es handelt sich vielmehr um eine Auseinandersetzung mit der materiell-rechtlichen Begründung der Entscheidung, um Angriffe gegen die Tatsachenfeststellungen und deren Bewertung sowie um die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht, die nicht auf einen bestimmten Beweisantrag bezogen ist. Darauf läßt sich jedoch die begehrte Zulassung der Revision nicht stützen.

Nach allem war die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin mangels formgerechter Darlegung eines Zulassungsgrundes als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652863

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