Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. April 2000 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin verlangt die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 1. Juli 1997.
Bis zum 30. Juni 1997 war die Klägerin, die eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Unfallrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezieht und auch schon während des Beschäftigungsverhältnisses bezog, als Sparkassenangestellte beschäftigt. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Alg ab, weil der Leistungsanspruch nach § 118 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ruhe und die Klägerin nicht die Anwartschaftszeit für die Gewährung von Alg erfülle; die Beschäftigung als Sparkassenangestellte sei gemäß § 169c Nr 2 AFG beitragsfrei gewesen (Bescheid vom 4. September 1997; Widerspruchsbescheid vom 11. September 1997). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. August 1999), weil die Klägerin die Anwartschaftszeit nach § 104 Abs 1 iVm Abs 3 AFG mangels vorausgehender 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren nicht erfüllt habe. Der Alg-Anspruch ruhe allerdings wegen des Bezugs der EU-Rente ohnedies gemäß § 118 Abs 1 Nr 3 AFG. Zudem sei die Verfügbarkeit der Klägerin gemäß § 103 AFG zu verneinen, weil sie als Rollstuhlfahrerin für die Zeit ab 1. Juli 1997 eine nach § 168 AFG die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr ausüben könne und die Voraussetzungen des § 105a Abs 1 AFG für die Zahlungen von Alg nicht vorlägen. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Beschluß vom 25. April 2000). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin habe in der dreijährigen Rahmenfrist des § 104 Abs 3 AFG nicht 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden, weil sie während der gesamten dreijährigen Rahmenfrist wegen des Bezugs von EU-Rente beitragsfrei gewesen sei (§ 169c Nr 2 AFG). Im übrigen werde zur Vermeidung von Wiederholungen wegen der Einzelheiten der Begründung auf das Urteil des SG Bezug genommen (§ 153 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Hierzu führt sie aus, sie habe im November 1973 einen schweren Dienstunfall erlitten (daraus resultierender Grad der Behinderung von 100, Merkzeichen G, aG, H und RF). Trotz der Schwerstbehinderung habe sie jedoch weiter als Sparkassenangestellte in Vollzeit gearbeitet; von ihrem Verdienst seien auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgezogen worden. Neben ihrem Verdienst habe sie eine Unfallrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung sowie eine EU-Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bezogen, und zwar beides über den 1. Juli 1997 hinaus. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, die Beschäftigung als Sparkassenangestellte sei gemäß § 169c Nr 2 AFG beitragsfrei gewesen, „verstoße gegen eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung” des § 169c Nr 2 AFG. Bereits zu § 169 AFG aF sei zutreffend der Standpunkt vertreten worden, daß die Beitragsfreiheit für die jetzt in § 169c AFG aufgeführten Personengruppen nur für die im Gesetz bezeichneten Rechtsverhältnisse bestehe; die Beitragsfreiheit erstrecke sich jedoch nicht auf ein daneben ausgeübtes Beschäftigungsverhältnis. Gemäß § 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) seien erworbene soziale Rechte möglichst weitgehend zu verwirklichen, was insbesondere für Schwerstbehinderte wie sie (die Klägerin) gelte, denen der soziale Rechtsstaat einen besonderen Schutz gewähren wolle (Art 20 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫). Gerade ihr als Schwerstbehinderter müsse man den sozialen Schutz der Arbeitslosenversicherung zuerkennen, den jeder Arbeitnehmer erhalte, der nicht erwerbsunfähig sei. Es komme hinzu, daß die Beklagte von 1980 bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses niemals Bedenken gehabt habe, Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu kassieren, obwohl ihr die EU durch wiederholte Überprüfung bekannt gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) träten in der Arbeitslosenversicherung Versicherungspflicht und Beitragspflicht grundsätzlich ein, wenn ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnisses begründet werde. Im Falle der Berufsunfähigkeit (BU) habe das BSG ausgeführt, daß dem Empfänger einer BU-Rente dann das Alg zustehe, wenn er nach Beginn der Rente eine die Beitragspflicht nach dem AFG begründende Beschäftigung 26 Wochen oder sechs Monate ausgeübt habe. Gleiches müsse auch für einen EU-Rentner gelten. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung und Anwendung des § 169c Nr 2 AFG sei nicht verfassungskonform und führe in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen im Lande Hessen und wahrscheinlich darüber hinaus zu falschen Ergebnissen.
Entscheidungsgründe
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muß daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, daß diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und daß das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten läßt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nrn 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muß ein Beschwerdeführer mithin eine konkrete Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen. Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin hinreichend deutlich eine Rechtsfrage aufgezeigt hat. Zwar führt sie aus, § 169c Nr 2 AFG müsse verfassungskonform ausgelegt werden; sie legt jedoch nicht dar, welches Ergebnis eine solche verfassungskonforme Auslegung haben sollte. Denn § 169c Nr 2 AFG enthält die unzweideutige Regelung, daß Arbeitnehmer während der Zeit, für die ihnen ein Anspruch auf Rente wegen EU aus einer der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt ist, (in einer Beschäftigung) beitragsfrei sind. Will man den Vortrag der Klägerin insoweit nicht lediglich als Kritik an der Richtigkeit der Entscheidung des LSG verstehen, so müßte man allenfalls davon ausgehen, daß die Klägerin die Frage aufwirft, ob die Regelung des § 169c Nr 2 AFG überhaupt verfassungsgemäß ist, also die Anordnung der Beitragsfreiheit und damit der Ausschluß aus der Arbeitslosenversicherung verfassungsgemäß ist, wobei indes zu beachten wäre, daß § 169c Nr 2 AFG mit der Ruhensregelung des § 118 Abs 1 Nr 3 AFG korrespondiert. Dem Vortrag der Klägerin läßt sich nicht sicher die Rechtsfrage entnehmen, ob die Zahlung von Beiträgen an die Bundesanstalt für Arbeit allein zur Begründung einer Anwartschaft genügt, wenn eine beitragsfreie Beschäftigung vorgelegen hat. Insoweit wäre die Rechtslage ohnedies durch die ständige Rechtsprechung des BSG geklärt, wonach ein Anspruch auf Alg nicht dadurch begründet wird, daß Beiträge gezahlt worden sind bzw die Einzugsstelle die Beitragspflicht durch Verwaltungsakt festgestellt hat, wenn es für den Anspruch auf Alg an der erforderlichen beitragspflichtigen Beschäftigung in der Rahmenfrist fehlt (vgl nur BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8).
Selbst wenn man beide Fragen als von der Klägerin aufgeworfen ansehen wollte, würde es an der erforderlichen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit fehlen. Hierfür hätte die Klägerin unter Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vortragen müssen, daß das BSG zu den bezeichneten Rechtsfragen noch keine einschlägigen Entscheidungen gefällt hat bzw die schon vorliegenden Urteile die aufgeworfenen Rechtsfragen noch nicht oder nicht umfassend beantwortet haben (BSG SozR 1500 § 160a Nr 65). Insoweit hätte sich die Klägerin, soweit es die Frage der Begründung einer Anwartschaftszeit allein durch eine Beitragszahlung betrifft, mit der oben bezeichneten Rechtsprechung des BSG auseinandersetzen müssen. Zudem wäre von der Klägerin zu beachten gewesen, daß es sich insoweit um eine Rechtsfrage handelt, die seit 1. Januar 1998 im Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) eine neue Regelung gefunden hat (vgl hierzu § 336 SGB III). Es hätte deshalb genauerer Darlegungen bedurft, daß noch eine erhebliche Zahl von Fällen der Entscheidung harren und darin die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage liegt (BSG SozR 1500 § 160a Nr 19). Soweit es um die Verfassungswidrigkeit des § 169c Nr 2 AFG geht, hätte diese näher erläutert werden müssen (vgl hierzu nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 11).
Die Beschwerdebegründung der Klägerin genügt aber vor allem nicht den Anforderungen an die Darlegungspflicht zur Klärungsfähigkeit. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31; BFHE 105, 335, 336). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müßte das Revisionsgericht also – in Ergänzung zur abstrakten Klärungsbedürftigkeit – konkret-individuell sachlich entscheiden können (BSG SozR 1500 § 160 Nr 39 und 53 und § 160a Nr 31; BVerwG Buchholz 310 § 75 VwGO Nr 11; BFHE 96, 41, 44). Dies erfordert es, daß der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Daraus resultiert bei einer mehrfachen Begründung der Entscheidung, die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegangen wird, die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit jeder Begründung dieser Entscheidung (BSG SozR 1500 § 160a Nr 38). Vorliegend hat das LSG unter Verweisung auf die Entscheidungsgründe des SG die Berufung der Klägerin aber nicht nur zurück- und damit die Klage abgewiesen, weil die Klägerin die Anwartschaftszeit des § 104 AFG iVm § 169c Nr 2 AFG nicht erfüllt habe, sondern auch, weil der Anspruch auf Alg ohnedies nach § 118 AFG geruht habe und die Klägerin zudem nach § 103 AFG nicht verfügbar gewesen sei. Ist somit das Urteil nebeneinander auf mehrere Begründungen gestützt, wobei dahinstehen kann, inwieweit die Begründung über die fehlende Verfügbarkeit der Klägerin richtig ist, so kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt und formgerecht gerügt wird (BSG 1500 § 160a Nr 38).
Entspricht mithin die Begründung der Beschwerde nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig verworfen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen