Verfahrensgang

SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 23.06.2021; Aktenzeichen S 14 R 385/20)

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 25.01.2022; Aktenzeichen L 11 R 2419/21)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Januar 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin begehrt eine höhere Rente unter Bewertung von Zeiten der Hochschulausbildung.

Die am 1953 geborene Klägerin studierte vom 1.4.1974 bis zum 31.3.1977 Medizin und absolvierte vom 9.6.1987 bis zum 7.4.1990 eine Ausbildung zur Kunsttherapeutin. Die Beklagte bewilligte ihr ab Mai 2019 Altersrente mit einem Monatsbetrag von anfänglich 838,75 Euro (Bescheid vom 21.3.2019). Dabei berücksichtigte sie die Zeiten der Hochschulausbildung vollständig als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung. Bezogen auf die Fachschulausbildung zur Kunsttherapeutin berücksichtigte sie die Zeiten vom 9.6.1987 bis zum 30.4.1989 als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung. Die weiteren Zeiten der Fachschulausbildung vom 1.5.1989 bis zum 7.4.1990 könnten nicht berücksichtigt werden, weil damit die Höchstdauer der berücksichtigungsfähigen Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung überschritten werde. Den ua dagegen von der Klägerin eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 3.2.2020).

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 23.6.2021). Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung hat die Klägerin sich auch dagegen gewandt, dass die Zeiten der Hochschulausbildung nur als Anrechnungszeiten berücksichtigt und nicht mit Entgeltpunkten bewertet worden seien. Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 25.1.2022 zurückgewiesen. Die Klägerin könne keine höhere Rente unter Berücksichtigung von bewerteten Zeiten der Hochschulausbildung beanspruchen. Bei den ab Januar 2009 beginnenden Renten würden bei der begrenzten Gesamtleistungsbewertung ua Hochschulausbildungszeiten nicht mehr bewertet (§ 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI). Diese Regelung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 29.4.2022 begründet hat. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet worden ist. Sie wird daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG verworfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde mit einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) begründet, muss in der Beschwerdebegründung dargetan werden, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Das Vorbringen der Klägerin wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Der Beschwerdebegründung lässt sich die Frage entnehmen:

"Ist § 74 Abs. 4 SGB VI in seiner ab 01.01.2005 geltenden Fassung verfassungswidrig durch Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG bzw. gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 28 GG)"?

Die Klägerin hält die Regelung in § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI für verfassungswidrig, weil der damit verbundene Eingriff in ihre Rentenanwartschaft unverhältnismäßig sei. Sie legt aber schon die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht anforderungsgerecht dar (vgl zu den diesbezüglichen Anforderungen BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 6.4.2021 - B 5 RE 16/20 B - juris RdNr 6 mwN).

Wie die Klägerin selbst vorbringt, hat sich das BSG insbesondere in mehreren Entscheidungen vom 19.4.2011 (B 13 R 27-29/10 R; B 13 R 55/10 R; B 13 R 8/11 R) mit der Nichtbewertung ua von Zeiten der Hochschulausbildung auseinandergesetzt. Es hat befunden, die Regelungen in § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 SGB VI würden weder gegen Art 14 Abs 1 GG noch gegen Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 3 Satz 2 GG oder das Sozialstaatsprinzip verstoßen (BSG Urteil vom 19.4.2011 - B 13 R 27/10 R - BSGE 108, 126 = SozR 4-2600 § 74 Nr 3, RdNr 26). Das Bundesverfassungsgericht hat die dagegen erhobenen Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 18.5.2016 - 1 BvR 2217/11 ua - juris). Die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage kommt mithin einzig unter dem Gesichtspunkt einer erneuten Klärungsbedürftigkeit in Betracht. Aber auch den insoweit bestehenden Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Eine höchstrichterlich bereits geklärte Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer Vorschrift des Bundesrechts kann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG erneut klärungsbedürftig werden, wenn den bisherigen Entscheidungen in nicht geringem Umfang in Rechtsprechung oder Schrifttum widersprochen wird und keineswegs von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (BSG Beschluss vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19; BSG Beschluss vom 17.9.2013 - B 1 KR 63/13 B - juris RdNr 6 mwN). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, ist in der Beschwerdebegründung näher darzulegen. Hierzu muss substantiiert aufgezeigt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der bisherigen Rechtsprechung widersprochen wird bzw inwiefern die Beantwortung der Rechtsfrage weiterhin umstritten ist oder welche neuen erheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die zu einer Neubetrachtung der bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und eine anderweitige Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (zB BSG Beschluss vom 28.2.2017 - B 5 RS 42/16 B - juris RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 6.4.2021 - B 5 RE 16/20 B - juris RdNr 12 mwN). Hieran richtet die Klägerin ihr Vorbringen nicht aus.

Sie bringt im Wesentlichen vor, durch die Nichtbewertung der Hochschulausbildung werde eine große Zahl von akademischen Ausbildungen, die im föderalen Bildungssystem vielgestaltig seien, bei der Rentenberechnung nicht länger berücksichtigt. Darin liege eine Rentenkürzung, die nach dem Dafürhalten der Klägerin kein geeignetes Mittel zur finanziellen Konsolidierung des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung sei. Die Klägerin hält dieses System für gescheitert, was sich ua an der Höhe des Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung ablesen lasse. Die Klägerin benennt damit weder (instanzgerichtliche) Entscheidungen noch (wissenschaftliches) Schrifttum, in denen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 74 iVm § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI widersprochen wird. Die Klägerin stellt letztlich ihre eigene Auffassung der Rechtsprechung des BSG entgegen. Das reicht an dieser Stelle nicht aus. Es begründet keinen weiteren höchstrichterlichen Klärungsbedarf, dass die Klägerin mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht einverstanden ist, wie sie im Einzelnen darlegt.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Düring                                                          Hahn                                                           Hannes

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15285396

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