Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 12. März 2024 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind beiden Klägern nicht zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG hat in seinem Urteil vom 12.3.2024 die Berufung der Kläger gegen ein Urteil des SG zurückgewiesen und die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 27.3.2024 zugestellte Urteil hat dieser für die Kläger am 26.4.2024 Revision eingelegt. Am 23.5.2024 hat der Prozessbevollmächtigte die Revision begründet. Einen ausdrücklichen Antrag hat er nicht gestellt. Mit Schreiben vom 29.7.2024 hat der Prozessbevollmächtigte die Revision für den Kläger zurückgenommen.
Die Klägerin ist der Ansicht, zwar sei noch kein direkter Antrag gestellt und auch die verletzte Rechtsnorm nicht direkt benannt worden. Allerdings sei dem Erfordernis des "bestimmten Antrages" noch genügt, wenn die Revisionsbegründung in ihrer Gesamtheit hinreichend deutlich erkennen lasse, welches Ziel mit der Revision verfolgt und in welchem Umfang sie eingelegt werde.
Das beklagte Jobcenter beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Klägerin ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen(§ 169 Satz 2 und 3 SGG ) . Die für die Klägerin innerhalb der Revisionsbegründungsfrist übermittelte Begründung entspricht nicht den Vorgaben der §§ 164 Abs 2 Satz 1 Alt 1, Satz 3 SGG.
Gemäß § 164 Abs 2 Satz 1 Alt 1, Satz 3 SGG ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.
Vorliegend fehlt es an einem ausreichend bestimmten Antrag. Ein ausreichender Antrag muss innerhalb der Revisionsbegründungsfrist vorliegen(Hauck in Hennig, SGG, § 164 RdNr 91 mwN, Stand März 2019; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 164 RdNr 10a; vgl schonBSG vom 24.10.1975 - 5 RJ 84/75 - SozR 1500 § 164 Nr 2) . Dass - wie hier in der Revisionsschrift - gegen ein genau bezeichnetes Urteil Revision eingelegt worden ist, entspricht für sich allein noch nicht den Erfordernissen des§ 164 Abs 2 SGG(vglBSG vom 24.5.1955 - 9 RV 308/54 - SozR Nr 14 zu § 164 SGG; vgl auch Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, RdNr 463) .
Der "bestimmte Antrag" verdeutlicht, in welchem Umfang die Revision die vorinstanzliche Entscheidung angreift. Hierfür reicht es aus, dass das Rechtsschutzziel, das prozessuale Ziel aufgrund einer Auslegung klar ist(stRspr; vgl zBBSG vom 3.3.1991 - 1 RK 8/93 - juris RdNr 13 mwN) . Die Revisions(begründungs)schrift muss hierzu nicht unbedingt einen förmlichen Antrag enthalten. Vielmehr genügt es, wenn sich aus der Revisionsbegründung eindeutig ergibt, inwieweit sich der Revisionskläger durch das angefochtene Urteil beschwert fühlt und inwieweit er eine Änderung erstrebt(BSG vom 26.9.2017 - B 1 KR 3/17 R - juris RdNr 27 ) . Hat das Instanzgericht über mehrere Klagebegehren entschieden, ist ein sinngemäßer Antrag nur dann bestimmt, wenn zumindest die Revisionsbegründung erkennen lässt, inwieweit das Urteil angefochten werden soll(vglBFH vom 24.1.1990 - I R 177/85 - juris RdNr 17 mwN) . In diesem Zusammenhang muss deutlich werden, ob und ggf in welchem Umfang der Revisionsführer vom BSG neben der Aufhebung des angefochtenen Urteils die Aufhebung weiterer Hoheitsakte(Bescheid, Widerspruchsbescheid, Urteil des SG) begehrt(vglBSG vom 30.6.2009 - B 2 U 6/08 R - RdNr 13 ; zum Verfahrensziel als Bestandteil des Antrags auch Berchtold in ders, SGG, 6. Aufl 2021, § 164 RdNr 15; zum Sachantrag Hauck in Hennig, SGG, § 164 RdNr 92, Stand März 2019; vgl auch Heinz in BeckOGK SGG, § 164 RdNr 44, Stand 1.5.2024) . Zur Auslegung können auch die in den Vorinstanzen gestellten Anträge einbezogen werden(BSG vom 26.9.2017 - B 1 KR 3/17 R - juris RdNr 27 ) .
Nach diesen Maßstäben ist mit Ablauf des 27.5.2024 nicht erkennbar gewesen, in welchem Umfang die Entscheidung des LSG angegriffen wird. Die Kläger haben in den Vorinstanzen - anwaltlich vertreten - keine Anträge gestellt. Das SG hat einen sinngemäß uneingeschränkten Anfechtungsantrag formuliert, obschon ausgehend vom knappen Vorbringen der Kläger, ein Zusammenhang zwischen einem pflichtwidrigem Verhalten und der Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit der Kläger sei nicht ersichtlich, allein die Verfügung der Ersatzpflicht hätte Gegenstand des Streits um die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sein können. Die Klage des Klägers hat das SG als unzulässig verworfen, weil schon im Ansatz nicht erkennbar sei, inwieweit der Kläger durch die angefochtenen Bescheide in seinen Rechten verletzt sei. Gleichwohl haben - wiederum anwaltlich vertreten - beide Kläger Berufung eingelegt. Auch beim LSG haben die Kläger selbst keine Anträge formuliert. Sie haben sich nach einem umfangreichen Hinweisschreiben allein darauf zurückgezogen, dass die Darlegungs-bzw Nachweispflicht zur korrekten Höhe einer Erstattungsforderung beim beklagten Jobcenter liegen dürfe. Daraufhin hat das LSG durch zweimalige Hinweise zur Höhe der Ersatzansprüche auf Teilanerkenntnisse des Beklagten hingewirkt. Soweit die Revisionsschrift nun erstmals von Seiten der Kläger die Frage aufwirft, ob ein Aufrechnungsverwaltungsakt rechtmäßig sei, kann den Darstellungen in der Revisionsbegründung und dem Urteil des LSG zwar entnommen werden, dass eine Aufrechnungsverfügung ebenfalls Regelungsinhalt eines Bescheids vom 25.1.2019 gewesen ist. Es war zum Zeitpunkt des Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist aber zum einen vollkommen unklar, warum beide Kläger das Urteil des SG und des LSG angefochten haben. Zum anderen lässt sich anhand der Revisionsbegründung und des zur Auslegung eines möglichen Antrags heranzuziehenden klägerischen Vorbringens nicht ausmachen, ob sich das aufrechterhaltene Klagebegehren auf beide Verfügungssätze eines Bescheids vom 25.1.2019 bezieht, oder die Kläger nunmehr (allein) geltend machen, die Aufrechnungsverfügung sei rechtswidrig. Ihr bisheriges Vorbringen war ausschließlich auf die Verfügung von Ersatzansprüchen bezogen.
Dass die Klägerin im Verlauf des Verfahrens noch einen inhaltlich hinreichenden Antrag stellen könnte, genügt wegen der zeitlichen Vorgabe des § 164 Abs 2 Satz 1 SGG nicht. Im Übrigen hat sie auch zuletzt lediglich rechtliche Maßstäbe für einen "bestimmten Antrag" formuliert, ohne ihr rechtliches Begehren zu konkretisieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der§§ 183 ,193 SGG .
Vorsitzende Richterin am BSG S. Knickrehm ist wegen … an der Signatur gehindert |
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gez. Söhngen |
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Söhngen |
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Neumann |
Fundstellen
Dokument-Index HI16574327 |