Der GrS entscheidet aufgrund beider Beschlüsse allein über die vorgelegte Rechtsfrage wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 41 Abs 4 SGG), denn mit der Antwort auf diese Frage ist die Vorlagefrage wegen Divergenz (§ 41 Abs 2 SGG) ebenfalls beantwortet. Zwar hat der vorlegende Senat die Frage wegen grundsätzlicher Bedeutung mit dem Beschluß vom 22. September 1993 nur “hilfsweise” vorgelegt. Dies ist jedoch nicht iS eines (Eventual-)Hilfsantrages zu verstehen, über den erst und nur entschieden werden kann, wenn zuvor über den Hauptantrag entschieden worden ist. Die Fragestellung bei einer Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung ist im Verhältnis zu einer Divergenzvorlage zum selben Sachverhalt regelmäßig und auch im vorliegenden Fall umfassender. Wegen der Aufgabenstellung des GrS, die auch in der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung besteht (§ 41 Abs 4 SGG), ist es geboten, daß in einem solchen Fall der GrS die umfassendere Frage beantwortet. An der bisherigen Rechtsprechung, wonach bei Vorlagen wegen Divergenz und grundsätzlicher Bedeutung zur selben Rechtsfrage die Vorlage wegen Divergenz vorrangig zu beantworten war (BSGE 51, 23 = SozR 1500 § 42 Nr 7 und BSGE 58, 183 = SozR aaO Nr 10), hält der GrS nicht fest. Grund dieser Rangfolge war die unterschiedliche Zusammensetzung des GrS bei der Entscheidung über Vorlagen wegen Divergenz einerseits und wegen grundsätzlicher Bedeutung andererseits. Dieser Grund ist entfallen, seit der GrS ungeachtet des Grundes seiner Anrufung bei allen Entscheidungen einheitlich besetzt ist (§ 41 Abs 5 SGG idF durch Art 4 Nr 2 des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes vom 17 Dezember 1990 – BGBl I S 2847 –).
Die Vorlagefrage ist vom GrS wie folgt eingeschränkt worden:
Verstößt ein während eines Gerichtsverfahrens erlassener Verwaltungsakt, der nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens wird, dann gegen das Verbot, die Anhörung oder Ermessensausübung nach Erhebung der Klage nachzuholen, wenn er einen Verwaltungsakt ersetzt, der mangels Anhörung oder Ermessensausübung rechtswidrig ist?
Mit der Antwort auf diese Frage kann der vorlegende Senat über den ihm vorliegenden Sackverhalt entscheiden. Die Frage ist in diesem Umfang entscheidungserheblich und hat auch grundsätzliche Bedeutung. Der GrS hat deshalb im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden, ob er an seiner Rechtsansicht festhält, daß er selbst überprüfen kann und muß, ob die vorgelegte Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat (vgl hierzu BSGE 41, 41, 43 = SozR 2200 § 1259 Nr 13 und BSGE 62, 255, 258 = SozR 5050 § 15 Nr 35) und ob dies die Prüfung der Entscheidungserheblichkeit einbezieht.
Nach Ansicht des GrS und des vorlegenden Senats war Kindergeld mit dem Bescheid vom 8. Februar 1985 nur unter einer inzwischen eingetretenen Bedingung bewilligt worden. Dann konnte die Beklagte die beabsichtigte Einstellung der Kindergeldzahlung ab April 1985 nur erreichen, wenn sie die bisherigen Bescheide über die Kindergeldbewilligung mit einem auf § 45 SGB X gestützten Bescheid nach Anhörung und unter Ausübung ihres Ermessens zurücknahm. Diesen Anforderungen genügte erstmals der allein noch streitbefangene Bescheid vom 11. Dezember 1986, der während des Gerichtsverfahrens ergangen ist.
Die Vorlagefrage stellt sich damit in der vom GrS gefaßten Form. Sie läßt offen, ob der Bescheid vom 22. Mai 1985 als Ablehnung eines Antrags auf Weitergewährung von Kindergeld oder als Rücknahme einer unter einer Bedingung erteilten Kindergeldbewilligung anzusehen ist. Auch der vorlegende Senat läßt dies in seinem Ergänzungsbeschluß offen. Der vorlegende Senat will unterschiedlich entscheiden, je nachdem, ob die Beklagte die bisher unterbliebene Ermessensentscheidung nach Anhörung des Klägers erstmals während des Gerichtsverfahrens vornehmen durfte oder nicht. War die Beklagte hierzu nicht berechtigt, so ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen. War die Beklagte hierzu berechtigt, so ist die Entscheidung des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zur Prüfung der Frage zurückzuverweisen, in welchem Umfang die Beklagte die Kindergeldbewilligung aufheben darf.
Die grundsätzliche Bedeutung der Vorlagefrage ergibt sich schon daraus, daß der 7. und 8. Senat einerseits und der 10. Senat andererseits unterbliebenen Verfahrenshandlungen für die Möglichkeit der Neubescheidung während des Gerichtsverfahrens unterschiedliche Bedeutung beimessen wollen.
Die Vorlagefrage wird vom GrS verneint. Ein während des Gerichtsverfahrens erlassener Verwaltungsakt, vor dessen Erlaß erstmals die notwendige Anhörung erfolgt ist oder der erstmals die notwendige Ermessensausübung enthält, ist nicht schon deswegen rechtswidrig, weil dieser Verwaltungsakt einen Verwaltungsakt ersetzt, der im wesentlichen denselben Regelungsgegenstand hatte. Dies gilt auch, wenn der während des Gerichtsverfahrens erlassene Verwaltungsakt nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits wird.
Die Vorlagefrage ist vom BSG für zwei Fallgruppen bejaht worden. Der 7. Senat bejaht sie für den Fall, daß die Beklagte notwendiges Ermessen im Ausgangsbescheid nicht ausgeübt hat (BSGE 64, 36, 38 = SozR 1300 § 41 Nr 2, Urteile vom 25. Oktober 1988 – 7 RAr 120/87 –, 23. November 1988 – 7 RAr 126/87 – und 14. Februar 1989 – 7 RAr 62/87 – und BSGE 66, 204, 207 = SozR 3-1300 § 45 Nr 1). Der 8. Senat hält die Ersetzung eines ohne notwendige Anhörung ergangenen Bescheides während des sozialgerichtlichen Verfahrens durch einen neuen Bescheid auch bei Aufhebung des Ausgangsbescheides für unzulässig (BSGE 49, 229, 230 = SozR 1200 § 34 Nr 10 und aaO Nr 15). Dies gilt nach Ansicht des 8. Senats auch, wenn der ersetzende Bescheid nur für die Zeit nach seinem Erlaß Rechtswirkungen beinhaltet (vgl SozR 1200 § 34 Nr 15, wo nach dem Sachverhalt mit dem ersetzenden Bescheid von Mai 1980 die Rente nur für die Zeit ab 1. Juni 1980 herabgesetzt worden war).
Der 7. Senat hat seine Rechtsansicht in seinem Beschluß vom 25. Oktober 1990 damit begründet, daß § 41 Abs 2 SGB X verletzt wäre, wenn die Verwaltung mit Hilfe eines ersetzenden Zweitbescheides, der Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens wird, rechtmäßig bewirken könnte, daß das Gebot dieser Vorschrift unbeachtet bleibt. Der 7. Senat sieht damit einen Widerspruch zwischen § 41 SGB X einerseits, soweit dieser Verfahrenshandlungen nur bis zum Abschluß des Vorverfahrens oder bis zur Klageerhebung zuläßt, und § 96 SGG andererseits, soweit nach dieser Vorschrift Verwaltungsakte in das Gerichtsverfahren einbezogen werden. Er löst den von ihm angenommenen Widerspruch auf, indem er der Verwaltung die Kompetenz abspricht, während des Gerichtsverfahrens einen neuen Verwaltungsakt unter Vermeidung des Verfahrensfehlers zu erlassen. Dieser Widerspruch besteht nach Überzeugung des GrS nicht, denn die Vorschriften haben unterschiedliche Regelungsgegenstände. § 41 SGB X regelt zusammen mit § 42 SGB X ausschließlich die Folgen von Verfahrensfehlern, die bei Erlaß eines Verwaltungsaktes geschehen sind. § 41 SGB X erklärt Verfahrensfehler unter bestimmten Voraussetzungen für unbeachtlich. Ist ein Verfahrensfehler unbeachtlich, weil zB die Anhörung oder die Ermessensausübung innerhalb des von § 41 Abs 2 SGB X bestimmten Zeitraums nachgeholt worden ist, so gilt der Verwaltungsakt als seit dem Zeitpunkt seines Erlasses mangelfrei (vgl BSG SozR 1200 § 34 Nr 13). § 42 SGB X schränkt den Aufhebungsanspruch selbst dann ein, wenn ein beachtlicher Verfahrensfehler vorliegt. Die §§ 41 und 42 SGB X befreien also die Behörden unter bestimmten Voraussetzungen von der Pflicht, trotz geschehener Verfahrensfehler ein neues fehlerfreies Verwaltungsverfahren durchzuführen und einen neuen Verwaltungsakt zu erlassen. Sie haben ausschließlich Bedeutung in bezug auf Rechtmäßigkeit und Bestandskraft des erlassenen Verwaltungsaktes. In den §§ 41 und 42 SGB X wird jedoch keine Regelung dazu getroffen, ob die Verwaltungsbehörde einen ergangenen Verwaltungakt aufheben und durch einen neuen ersetzen darf. Diese Kompetenz, in bezug auf einen bereits durch einen Verwaltungsakt geregelten Sachverhalt überhaupt einen neuen Verwaltungsakt zu erlassen, hat die Behörde grundsätzlich. Ihre Befugnis hierzu im Einzelfall ergibt sich aus dem jeweiligen Fachrecht. Darauf weist der 7. Senat in seinem Beschluß vom 25. Oktober 1990 zutreffend hin. §§ 41 und 42 SGB X schränken die Kompetenz der Verwaltungsbehörde zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes und zum Erlaß eines neuen nicht ein. Leidet ein Verwaltungsakt an einem Anhörungsfehler oder ist notwendiges Ermessen nicht ausgeübt worden, so kann nach Aufhebung dieses Verwaltungsaktes ein neuer Verwaltungsakt nach Anhörung oder mit Ermessensausübung zum Regelungsgegenstand des früheren Verwaltungsaktes ergehen. Die Rechtmäßigkeit des neuen Verwaltungsaktes richtet sich nach den §§ 44 ff SGB X bzw den Vorschriften in den besonderen Teilen des SGB und ist ausschließlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen. So ist die Frage, ob dieser Verwaltungsakt Rückwirkung hat und in welchem Umfang er zulässigerweise eine rückwirkende Regelung trifft, bezogen auf diesen Zeitpunkt zu prüfen.
Die Kompetenz der Verwaltung, einen Verwaltungsakt aufzuheben und einen neuen Verwaltungsakt in bezug auf den Regelungsgegenstand des aufgehobenen Verwaltungsaktes zu erlassen, besteht auch, wenn der aufgehobene Verwaltungsakt Gegenstand eines Gerichtsverfahrens geworden ist. § 96 SGG setzt diese Kompetenz voraus. Weder in den Vorschriften des SGB X noch in denen des SGG ist eine Einschränkung dieser Kompetenz vorgesehen. Entsprechendes gilt für die Rechtslage nach den anderen Verfahrensgesetzen (Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes ≪VwVfG≫ und Abgabenordnung ≪AO≫) und den verwaltungsrechtlichen Prozeßordnungen (Verwaltungsgerichtsordnung ≪VwGO≫ und Finanzgerichtsordnung ≪FGO≫). Zu § 68 FGO, der wie § 96 SGG die Einbeziehung des ersetzenden Verwaltungsaktes in den Rechtsstreit – allerdings nur auf Antrag des Klägers – vorsieht, hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, daß diese Vorschrift auch anzuwenden ist, wenn ein ohne Ermessenserwägungen ergangener Bescheid durch einen Bescheid mit Ermessenserwägungen ersetzt wird (BFH, Urteil vom 26. November 1986 – 1 R 256/83 – = BFH/NV 1988 S 82).
Auch der 7. Senat ist der Ansicht, daß die Behörde während des Gerichtsverfahrens grundsätzlich die Kompetenz behält, einen neuen Verwaltungsakt zu erlassen. Er meint jedoch, daß dies nicht gelten dürfe, wenn ein beachtlicher Verfahrensfehler vorliegt und der ersetzende Verwaltungsakt nach § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits wird, weil die Verwaltung sonst mit dem neuen Verwaltungsakt schon während des Gerichtsverfahrens dasselbe Ergebnis erreichen könnte, wie es mit dem verfahrensfehlerhaften Verwaltungsakt erreicht werden sollte.
Der GrS sieht keine hinreichende Begründung für diese Einschränkung der Kompetenz zum Erlaß eines ersetzenden Verwaltungsaktes. Sie würde der Zielsetzung des § 96 SGG widersprechen. Die Vorschrift bezweckt, möglichst alle Streitigkeiten in bezug auf den anhängigen Prozeßstoff zusammenzufassen und in einem Rechtsstreit zu entscheiden. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, und diese Zielsetzung ist von der Rechtsprechung zu § 96 SGG auch beachtet worden. § 96 SGG ist in Anlehnung an § 1608 der Reichsversicherungsordnung (RVO) geschaffen worden, der seinerseits durch das SGG aufgehoben worden ist (vgl § 224 Abs 3 SGG idF vom 3. September 1953 – BGBl I S 1239 –). § 1608 RVO ordnete in den Verfahren der Unfallrentenfeststellung die Einbeziehung von neuen Bescheiden in das Rechtsmittelverfahren an. Die Vorschrift erfaßte nach ihrem Wortlaut allerdings allein neue Entscheidungen, die die Neufestsetzung der Rente wegen Änderung der Verhältnisse zum Gegenstand hatten. Diese Beschränkung ist in § 96 SGG nicht enthalten und sollte nach der Gesetzesbegründung auch nicht übernommen werden. Vielmehr ist mit § 96 SGG bezweckt worden, alle Bescheide in den Rechtsstreit einzubeziehen, “die den anhängigen Prozeßstoff beeinflussen können” (vgl die Begründung zu § 43 des Entwurfs eines Gesetzes über das Verfahren in der Sozialgerichtsbarkeit – BT-Drucks 1/4357 –, auf dem § 96 SGG beruht). § 96 SGG bezieht sich damit sowohl nach dem Wortlaut als auch nach der Entstehungsgeschichte nicht etwa nur auf Verwaltungsakte, die wegen Änderung der Verhältnisse den ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt abändern oder ersetzen. Von der Vorschrift erfaßt werden vielmehr alle ersetzenden Verwaltungsakte, unabhängig davon, ob und aus welchem Grunde der ersetzte Verwaltungsakt rechtswidrig ist und ob er von Anfang an rechtswidrig war oder erst nachträglich rechtswidrig geworden ist. Im Sinne der Vorschrift ersetzt wird dabei auch ein Verwaltungsakt, wenn er aufgehoben wird und zum Regelungsgegenstand des bisherigen Verwaltungsaktes ein neuer Verwaltungsakt ergeht.
Dementsprechend ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, daß zB der Anfechtungsbescheid nach § 42 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG vom 2. Mai 1955 – BGBl I S 202 –) durch einen Bescheid nach § 41 VerwVG iS von § 96 SGG ersetzt werden kann und umgekehrt (vgl Urteile vom 9. November 1965 – 10/11 RV 492/63 – und 19. Oktober 1967 – 8 RV 947/66 –). Zutreffend haben deshalb sowohl der vorlegende 10. Senat in dem hier zugrundeliegenden Fall als auch der 7. und der 8. Senat in den oa Urteilen entschieden, daß die während des Rechtsstreits ergangenen Verwaltungsakte jeweils den ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt iS von § 96 SGG ersetzt haben. Aus den oa Entscheidungen vom 9. November 1965 und 19. Oktober 1967 wird auch deutlich, daß für das VerwVG die Rechtsprechung des BSG auch bei beachtlichen Verfahrensfehlern nicht der vom 7. und 8. Senat zum SGB X vertretenen Ansicht entsprochen hat. Verfahrensfehler bei Anwendung des VerwVG führten – jedenfalls im Bereich der §§ 41 und 42 VerwVG – zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und begründeten einen Aufhebungsanspruch auch in Fällen, in denen nach den §§ 41 und 42 SGB X kein Aufhebungsanspruch bestehen würde (vgl für die fehlende Zustimmung des Landesversorgungsamtes nach § 41 Abs 2 VerwVG BSG SozR Nr 17 zu § 41 VerwVG). In den oa Urteilen war es für das BSG aber selbstverständlich, daß die verfahrensfehlerhaft ergangenen und deshalb nach dem damaligen Recht erfolgreich anfechtbaren Bescheide während des Gerichtsverfahrens durch verfahrensfehlerfreie Bescheide ersetzt werden konnten und nunmehr diese Bescheide dann auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen waren. Die Entscheidungen haben damit dem Umstand Rechnung getragen, daß § 96 SGG die Einbeziehung aller ersetzenden Verwaltungsakte anordnet und weder nach seinem Wortlaut noch nach seiner Zielsetzung eine Differenzierung danach trifft, aus welchen Gründen der ersetzte bzw abgeänderte Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen bzw geworden ist. Das Ziel, möglichst den gesamten Streitstoff in einem Prozeß zu entscheiden, wird verfehlt, wenn in bezug auf bestimmte Fehler eines ergangenen Verwaltungsaktes eine neue Bescheidung während des Gerichtsverfahrens entweder grundsätzlich unzulässig wäre oder aber der ersetzende Bescheid nicht Gegenstand des anhängigen Rechtsstreites würde.
Der GrS verkennt nicht, daß § 96 SGG in einem Spannungsverhältnis zu den Vorschriften über das Vorverfahren steht. Einerseits wird in § 78 SGG das Vorverfahren nunmehr fast ausnahmslos angeordnet. Andererseits ist für den nach § 96 SGG in den Rechtsstreit einbezogenen Verwaltungsakt kein Vorverfahren durchzuführen. Dieser Unterschied hat besondere Bedeutung für Ermessensentscheidungen, da hier auch die Widerspruchsbehörde eine dem Kläger günstige Entscheidung treffen kann. Bei Ermessensentscheidungen war das Vorverfahren schon seit Inkrafttreten des SGG obligatorisch. Ausnahmen von der Vorverfahrenspflicht bestanden sowohl bis zur Einführung der fakultativen Vorverfahren nach § 78 Abs 2 SGG ab 1. Januar 1975 (Gesetz zur Änderung des SGG vom 30. Juli 1974 – BGBl I S 1625 –) als auch bis zu dessen Aufhebung durch den Einigungsvertrag (Anl I Kap VIII Sachgebiet D Abschn II Nr 15 Buchst a – BGBl II 1990 S 1032 –) nicht für Ermessensleistungen bzw Bescheide, bei denen Ermessen auszuüben war. Das Gesetz will demnach seit jeher die Überprüfung von Ermessensentscheidungen durch die Verwaltung sichern. Gleichwohl ist von der Rechtsprechung bisher nicht erwogen worden, Ermessensentscheidungen nicht nach § 96 SGG in den Rechtsstreit einzubeziehen. Es muß dem Gesetzgeber überlassen bleiben, zwischen dem mit § 96 SGG erstrebten Ziel der schnellen und vollständigen Erledigung des gesamten Streitstoffes und der Sicherungsfunktion eines Vorverfahrens eine andere Trennung vorzunehmen, wenn er dies für notwendig hält Es kann nicht Aufgabe der Rechtsprechung sein, eine solche Regelung zu treffen, die zwangsläufig wieder zu Komplikationen im Verfahrensablauf führen muß – Entscheidung über die Einleitung des Vorverfahrens, Regelungen über den Gang des gerichtlichen Verfahrens für die Dauer des Vorverfahrens –.
Mit dieser Abgrenzung der Regelungsbereiche der §§ 41 und 42 SGB X einerseits und des § 96 SGG andererseits wird der Verwaltung nicht die Befugnis eingeräumt, die §§ 41 und 42 SGB X zu umgehen. Diese Befugnis hätte die Verwaltung, wenn ihr die Möglichkeit eingeräumt würde, mit dem ersetzenden Verwaltungsakt uneingeschränkt die Rechtsfolgen zu erreichen, die sie mit der Nachholung der Verfahrenshandlung nach § 41 SGB X noch während des Widerspruchsverfahrens erreichen könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall, wie oben schon dargelegt worden ist. Die Rechtsfolgen des ersetzenden Verwaltungsaktes treten erst in dem Zeitpunkt seiner Wirksamkeit ein. Sie können zB bei einer nur für die Zukunft zulässigen Rentenentziehung nicht auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit des ersetzten Verwaltungsaktes zurückbezogen werden. Lediglich in den Fällen, in denen schon der fehlerhafte und ersetzte Verwaltungsakt auch Wirkung für die Vergangenheit hatte, kann der ersetzende Verwaltungsakt dieselbe Wirkung haben. Hier kann allerdings im Rahmen der Ermessensausübung bedeutsam sein, daß zB die Rücknahme eines Bescheides nunmehr für einen weiter zurückliegenden Zeitraum erfolgt.
Schließlich kann auch nicht eingewandt werden, der Bürger habe ein berechtigtes und schützenswertes Vertrauen darauf, daß eine im Zeitpunkt der Klageerhebung begründete Klage nicht durch den Erlaß eines in den materiellen Folgen inhaltsgleichen Verwaltungsaktes nachträglich unbegründet werde. Mit der in § 96 SGG getroffenen Entscheidung, ersetzende oder abändernde Verwaltungsakte ausnahmslos in den Rechtsstreit einzubeziehen, hat der Gesetzgeber klargestellt, daß nicht dieses Vertrauen geschützt, sondern dem Interesse an der vollständigen Entscheidung des Streitfalles der Vorrang eingeräumt wird.