Tenor
I. Das Verfahren wird gemäß Art 100 Abs 1 des Grundgesetzes ausgesetzt, soweit sich die Revision des Klägers gegen den undatierten Bescheid über die Kürzung seiner Altersversorgung zum 1. August 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1991 und des Bescheides vom 1. September 1993 richtet sowie gegen den Umwertungsbescheid vom 27. November 1991 insoweit, als er den Gesamtzahlbetrag über den 31. Dezember 1991 hinaus auf 2700,00 DM fortschreibt.
Dem Bundesverfassungsgericht wird folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist § 10 Abs 1 Satz 2 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz, verkündet als Art 3 des Renten-Überleitungsgesetzes vom 18. Dezember 1991 ≪BGBl I 1606≫, in Kraft getreten am 1. August 1991, geändert durch Art 1 des Gesetzes zur Änderung des Renten-Überleitungsgesetzes vom 18. Dezember 1991 ≪BGBl I 2207≫ und Art 3 des Gesetzes zur Ergänzung der Rentenüberleitung vom 24. Juni 1993 ≪BGBl I 1038≫) insoweit mit Art 14 Abs 1 Sätze 1 und 2 sowie Art 20 Abs 1 des Grundgesetzes vereinbar, als die Summe der Zahlbeträge aus gleichartigen Renten der Rentenversicherung und Leistungen der Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr 4 auf 2.700,00 DM begrenzt worden ist?
Tatbestand
I
Streitig ist die Höhe der Altersversorgung des Klägers. Insbesondere ist umstritten, in welcher Höhe ihm Leistungen aus einem Zusatzversorgungssystem der ehemaligen DDR zu gewähren sind.
Der im Juli 1921 geborene Kläger war als ordentlicher Professor an der H. … -Universität in B. (Ost) tätig. Seit Mai 1963 war er aufgrund der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz (AVI) an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR vom 12. Juli 1951, geändert durch die Verordnung vom 13. Mai 1959 (GBl I 521), in die AVI einbezogen. Von der Deutschen Versicherungsanstalt wurde ihm durch Versicherungsschein vom 12. Juli 1963 eine monatliche Rente in Höhe von 60 vH des im letzten Jahr vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogenen durchschnittlichen monatlichen Bruttogehaltes zugesichert.
Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) gewährte dem Kläger ab 1. Juli 1986 eine Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung (SV) in Höhe von monatlich 294,00 M (Bescheid vom 3. April 1986), die zum 1. Juli 1990 auf DM umgestellt wurde und vor der Neufestsetzung im Dezember 1990 364,00 DM betrug. Zusätzlich erhielt der Kläger von der Staatlichen Versicherung der DDR ab 1. Juli 1986 gemäß Bescheid vom 4. März 1986 eine Altersrente aus der AVI in Höhe von monatlich 2085,00 M (60% des Durchschnittsbruttomonatsgehaltes), die gemäß Bescheid vom 8. Juli 1986 auf 2.780,00 M angehoben wurde (80% des Durchschnittsbruttomonatsgehaltes), so daß sich nach der Umstellung der Altersversorgung des Klägers auf DM zum 1. Juli 1990 ein Gesamtzahlbetrag von 3.144,00 DM ergab.
Der Gemeinsame Träger der Sozialversicherung setzte die SV-Rente mit undatiertem, nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenem Bescheid nach der 1. Rentenanpassungsverordnung vom 14. Dezember 1990 (BGBl I 2867 – 1. RAV) auf 504,00 DM neu fest, glich sie im Rahmen der Nachholung der zum 1. Juli 1990 für die SV-Renten vorgesehenen Rentenangleichung auf 635,00 DM an und paßte sie zum 1. Januar 1991 auf 731,00 DM an. Die Erhöhungsbeträge wurden auf die Zusatzaltersrente aus der AVI angerechnet. Der Gesamtzahlbetrag von 3.144,00 DM blieb dadurch unverändert.
Mit ebenfalls undatiertem und nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenem Bescheid nach der 2. Rentenanpassungsverordnung vom 19. Juni 1991 (BGBl I 1300 – 2. RAV) paßte der Träger der Rentenversicherung – Überleitungsanstalt Sozialversicherung – die SV – Rente ab 1. Juli 1991 auf 841,00 DM an; durch die Anrechnung des Erhöhungsbetrages auf die Zusatzaltersrente blieb der Gesamtzahlbetrag mit 3.144,00 DM wiederum unverändert.
Mit einem weiteren undatierten Bescheid begrenzte der Träger der Rentenversicherung – Überleitungsanstalt Sozialversicherung – den Gesamtzahlbetrag ab 1. August 1991 gemäß § 10 Abs 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606; AAÜG aF) auf monatlich 2.010,00 DM (Zusatzversorgung 841,00 DM, SV-Rente 1169,00 DM). Hiergegen erhob der Kläger nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1991) Klage bei dem Sozialgericht Berlin (SG).
Mit Bescheid vom 27. November 1991 wertete die Beklagte die SV-Rente und die Zusatzaltersrente des Klägers im pauschalen Verfahren nach § 307b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) mit Wirkung vom 1. Januar 1992 in eine einheitliche Altersrente in Höhe von 2.010,00 DM „bestandsgeschützter Betrag”) um. Hiergegen erhob der Kläger ebenfalls Klage beim SG. Dieses Verfahren wurde mit der bereits anhängigen Sache zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Während des erstinstanzlichen Verfahrens ergingen verschiedene Anpassungsmitteilungen (zum 1. Juni 1992, 1. Dezember 1992 und 1. Juli 1993); schließlich erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 1. September 1993 den Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Gesamtzahlbetrages aus der Sozialpflichtversicherungsrente und der Zusatzaltersrente von 2.700,00 DM rückwirkend ab 1. August 1991 an; dem Kläger wurde eine Nachzahlung von insgesamt 20.010,00 DM zugebilligt.
Das SG hat die auf Verurteilung der Beklagten zur Weitergewährung der nach dem Stande von Juli 1990 dynamisierten, hilfsweise ungekürzten Zusatzversorgung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Januar 1994). Es hat seine Entscheidung im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Der Kläger habe bis einschließlich 31. Dezember 1993 keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren (monatlichen) Rentenleistung als insgesamt 2.700,00 DM. Mit dem 31. Dezember 1991 seien die materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen des DDR-Rechts untergegangen und diejenigen des SGB VI an ihre Stelle getreten, so daß insoweit ein Anspruch des Klägers auf Weitergewährung einer Zusatzversorgung in dynamisierter oder auch nur ungekürzter Form nicht gegeben sei. Auch die SV-Rente sei in dem Anspruch des Klägers auf eine Rentenleistung nach dem SGB VI aufgegangen. Eine verfassungsrechtliche Diskussion erscheine nicht geboten, weil es sich bei der Überführung des Zusatzversorgungssystems in die gesetzliche Rentenversicherung um die Umsetzung eines bereits im Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR (Staatsvertrag) im Jahre 1990 festgeschriebenen Auftrag an den DDR-Gesetzgeber handele, der dann lediglich vom gesamtdeutschen Gesetzgeber ausgeführt worden sei und sich einer nachträglichen Revidierung entziehe.
An die Stelle der durch das AAÜG zunächst auf 2.010,00 DM festgeschriebenen Zahlbetragsbegrenzung sei durch das Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung vom 24. Juni 1993 (BGBl I 1038; Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz ≪Rü-ErgG≫) eine Begrenzung auf 2.700,00 DM getreten, die so lange wirksam sein solle, bis die nach § 307b SGB VI ab 1. Januar 1994 vorzunehmende endgültige Neuberechnung der Rente infolge der Rentenanpassungen einen höheren dynamischen Zahlbetrag ergebe. Die insoweit abgeschmolzenen oder abzuschmelzenden Zusatzversorgungsleistungen unterlägen nicht der Dynamisierung. Die Höchstbetragsbegrenzung solle nach § 10 Abs 1 Satz 3 AAÜG idF des Rü-ErgG auch dann gelten, wenn der Neuberechnung der Rente das erzielte Arbeitsentgelt nach § 6 Abs 1 AAÜG unbegrenzt zugrunde zu legen sei, so daß die Zahlbetragsbegrenzung entgegen der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Januar 1993 (BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1) auch in Fällen ohne „Systemnähe” zum Zuge komme.
§ 10 Abs 1 AAÜG idF des Rü-ErgG verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art 14 des Grundgesetzes (GG), auch wenn er den Vorgaben des EinigVtr, insbesondere der „Zahlbetragsgarantie” (EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9), nicht gerecht werde. Zwischen dem nach Wirksamwerden des Beitritts als einfaches Bundesrecht weitergeltenden EinigVtr und den ihn ausfüllenden Gesetzen – ua § 10 Abs 1 AAÜG – bestehe kein besonderes Rangverhältnis. Da dementsprechend späteres Recht (AAÜG) das frühere (EinigVtr) verdränge, könne die Rechtmäßigkeit nur an grundgesetzlich garantierten Grundsätzen überprüft werden. Es könne dahingestellt bleiben, ob Art 14 Abs 1 GG hier überhaupt Prüfungsmaßstab sein könne, weil dessen Schutz nur Ansprüche unterlägen, die gegen die und in der Bundesrepublik Deutschland neu begründet worden seien. Jedenfalls sei Art 14 GG zumindest in seinem Kernbereich durch die Regelung in § 10 Abs 1 AAÜG idF des Rü-ErgG nicht tangiert. Denn dem Gesetzgeber stehe gerade im Sozialrecht ein weiter Ermessensspielraum zu und es sei lediglich eine vorläufige Zahlbetragsbegrenzung im Streit. Auch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes führten nicht zu einer Entscheidung zugunsten des Klägers, weil angesichts des dem Gesetzgeber zugestandenen weiten Spielraums die Allgemeininteressen höher zu bewerten seien als der Vertrauensschutz des einzelnen, insbesondere wenn es sich um vorläufige Regelungen handele. § 10 Abs 1 AAÜG verstoße schließlich auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Aus den Überlegungen des Gesetzgebers hinsichtlich der Angemessenheit von 2.700,00 DM während des Übergangszeitraums bis zur endgültigen individuellen Neuberechnung sei eine willkürliche Differenzierung nicht zu ersehen. Durch die zumindest indirekt durch eine Zahlbetragsgarantie bewirkte Aufrechterhaltung der Zusatzversorgungssysteme würde vielmehr gerade eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung fortgeführt.
Nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils hat die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers durch Bescheid vom 28. März 1994 ab 1. Juli 1990 neu festgestellt; der Zahlbetrag beläuft sich wie bisher (wegen des Bestandsschutzes) ab 1. Juli 1990 auf 3.144,00 DM (2.002,96 DM), ab 1. August 1991 auf 2.700,00 DM und ab 1. Mai 1994 auf 2.704,93 DM.
Der Kläger hat die vom SG zugelassene (Sprung-) Revision mit Zustimmung der Beklagten eingelegt. Er trägt vor: Im geeinten Deutschland könne es keine mit dem EinigVtr, dem GG oder der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu vereinbarenden Gründe und Vorschriften geben, nach denen seine nach rechtsstaatlichen Grundsätzen erworbenen Ansprüche auf zusätzliche Altersversorgung gekürzt sowie mit seinen gleichzeitig erworbenen Ansprüchen auf SV-Rente vermengt, abgeschmolzen und schließlich liquidiert werden dürften und ihm so als Alterslohn für eine beachtenswerte Lebensleistung nach der Liquidierung der Zusatzversorgung ein unangemessen niedriges Arbeitseinkommen in etwa der Höhe gewährt werden dürfe, die sich für einen Pflichtversicherten im Rahmen der Beitragsbemessungsgrenze ohne Zusatzrentenansprüche ergebe. Es könne nach der Rechtsordnung nicht zulässig sein, den ihm aus der zusätzlichen Altersversorgung zustehenden Einkommensanteil im Unterschied zu den anderen Einkommensarten im Beitrittsgebiet den steigenden Lebenshaltungskosten nicht nur nicht anzugleichen, sondern auch noch abzuschmelzen. Sowohl der Anspruch auf gesetzliche Rente als auch derjenige auf zusätzliche Altersversorgung hätten in der DDR unter dem Schutz der Verfassung gestanden und stünden nunmehr unter dem Schutz des GG. Beide Ansprüche seien nach dem 30. Juni 1990 nicht angemessen behandelt und auch nicht adäquat in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland überführt worden. Die mit der Liquidierung seines Anspruchs auf zusätzliche Altersversorgung vollzogenen enteignenden Eingriffe der Beklagten und des Gesetzgebers verletzten den EinigVtr, Art 14 GG sowie Art 1 des 1. Zusatzprotokolls der EMRK.
Für die Kürzung auf 2.700,00 DM, die mit der früheren Kürzung auf 2.010,00 DM wesensgleich sei, gebe es keine vernünftige Begründung. Die vom SG vertretene Ansicht, die Anspruchsgrundlagen des DDR-Rechts seien mit dem 31. Dezember 1991 untergegangen, stelle eine Mißachtung des im EinigVtr verankerten Willens der Vertragsparteien und einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Für eine allgemeine Kürzung der in der DDR erworbenen Anwartschaften und für die in § 10 AAÜG sowie in der 1. und 2. RAV bewirkten Kürzungen der Zusatzversorgungsansprüche sei im EinigVtr kein Raum. Es werde übersehen, daß es im Einigungsprozeß in Deutschland um die Angleichung der Einkommen in Ost und West gehe, nicht nur um einzelne Einkommensbestandteile und nicht um die aus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bekannte „Dynamisierung”.
Er sei unmittelbar betroffen, weil seine zusätzliche Altersversorgung unzumutbar und ihn schwerwiegend diskriminierend vermindert worden sei. Sie werde seit dem 1. Juli 1990 entgegen der Zahlbetragsgarantie im EinigVtr und dem ihm nach dem GG zu gewährenden Vertrauensschutz systematisch abgeschmolzen; dies solle bis zur endgültigen Liquidierung der gesamten Zusatzversorgung fortgeführt werden. Im EinigVtr sei selbstverständlich eine Realwertgarantie vorgesehen gewesen, nicht lediglich die Garantie eines ziffernmäßig bestimmten statischen Betrages; eine regelmäßige Anpassung auch der aus der zusätzlichen Altersversorgung resultierenden Zahlbeträge sei unverzichtbar. Obgleich der EinigVtr das Ziel einer Angleichung der Einkommen und des Lebensniveaus in Ost und West verfolge, komme er – der Kläger – nach allen Rentenangleichungen und Dynamisierungen der gesetzlichen Rente jedoch auf lediglich 56% des Alterseinkommens eines vergleichbaren westdeutschen C4-Professors, könne also niemals ein seinen Berufskollegen in den alten Bundesländern vergleichbares Alterseinkommen erreichen. Er sei sogar schlechter gestellt als Bestandsrentner aus der DDR mit – in vollem Umfang angepaßten – Ansprüchen aus der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR). Dabei sei zu berücksichtigen, daß es sich bei seinem Zusatzversorgungsanspruch um einen eigenständigen Anspruch handele, der ihm durch eigenständige begünstigende Verwaltungsakte dauerhaft zuerkannt gewesen sei. Da die von ihm erarbeiteten Ansprüche nahezu das einzige ihm nach der Herstellung der Einheit Deutschlands verbliebene Eigentum darstellten, beeinflusse deren Abschmelzung seine Lebensführung nachhaltig negativ. Zu berücksichtigen sei weiter, daß er durch den gegen ihn geführten „Rentenkrieg” im letzten Abschnitt seines Lebens psychisch und physisch schwer betroffen sei.
An der bisherigen Einordnung seiner Zusatzversorgungsansprüche durch das BSG und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung seien ernsthafte Zweifel angebracht: In der DDR seien diese Ansprüche als Zivilrechtsverhältnisse entstanden und als solche auch in die Bundesrepublik Deutschland überführt worden. Nach den somit anzuwendenden Regelungen des DDR-Zivilgesetzbuchs sei sein Vertragspartner – nunmehr die Beklagte – nicht berechtigt gewesen, seine Ansprüche einseitig zu reduzieren oder entgegen dem Gebot des EinigVtr den veränderten Lebenshaltungskosten nicht anzupassen.
Für die Regelungen der 1. und 2. RAV finde sich im EinigVtr keine Ermächtigung. Eine Kürzung seiner Ansprüche hätte nach dem Rentenangleichungsgesetz (RAnglG-DDR) und dem EinigVtr nur bei einem – in seinem Fall nicht vorliegenden – Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit oder bei Mißbrauch der Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer erfolgen dürfen. Auch aus der „Systemregelung” – so man sie für verfassungsgemäß halte – ergebe sich nichts anderes. Einer Vernichtung seiner Zusatzversorgung stehe auch das – im Wege der Analogie anwendbare – „Aufzehrungsverbot” für festgesetzte Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch Anrechnung erhöhter anderer Versorgungsleistungen entgegen. Allerdings widerspräche eine bei einer Neuberechnung der Altersrente nach dem SGB VI und der Beibehaltung der ungekürzten und zu dynamisierenden Zusatzversorgung entstehende Überversorgung der Zielstellung von RAnglG-DDR, Staatsvertrag und EinigVtr; die Vorschriften des RAnglG-DDR und der AVI enthielten jedoch bereits die notwendigen Einschränkungen.
All dies werde in den Urteilen des BSG vom 27. Januar 1993 (BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1) und vom 30. März 1994 – 4 RA 62/93 – nicht hinreichend berücksichtigt. Insbesondere werde der Sachverhalt nicht genau genug behandelt und nicht geprüft, ob Grund- und Menschenrechtsverletzungen (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3, Art 3 und 14 GG; Art 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK, Art 6 und 14 EMRK) gegeben sein könnten. Zur Durchsetzung von Gesetz und Recht sei ein Warten auf weitere Schritte zur Selbstkorrektur der Gesetzgebung nicht mehr vertretbar. Das Eingreifen der dritten Gewalt mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln – ua der Rechtsfortbildung – sei unumgänglich, um noch zu seinen Lebzeiten die notwendigen Veränderungen herbeizuführen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17.01.1994 (Az 14 Z-An 138/91) aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der beiden Bescheide betreffend die 1. und 2. Rentenanpassung, des Bescheides der Überleitungsanstalt der Sozialversicherung ohne Datum betreffend die Zahlbetragsbegrenzung nach § 10 Abs 1 AAÜG in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1993, des Umwertungsbescheides vom 27. November 1991 sowie des Bescheides vom 1. September 1993, § 10 AAÜG in der Fassung des Rü-ErgG betreffend, zu verurteilen,
- ihm Altersrente nach dem Stand von Juni 1990 über den 1. Juli 1990 hinaus bis zum 31. Dezember 1991 zu gewähren und zu dynamisieren sowie zusätzlich dazu die ursprüngliche Zusatzversorgung ungekürzt zu zahlen und – unter Beachtung der Höchstbegrenzung der zusätzlichen Altersversorgung – zu dynamisieren,
- nach der Umwertung ab 1. Januar 1992 die jeweilige Rente zu gewähren und zu dynamisieren und zusätzlich dazu den Differenzbetrag zwischen Altersrente und – maximal – 90% des jeweils angepaßten Nettogehalts als angemessene Zusatzversorgung unter Beachtung der erbrachten Leistungen zu gewähren und zu dynamisieren,
hilfsweise die zusätzliche Altersversorgung ungekürzt weiter zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Hinsichtlich der Frage der Rechtmäßigkeit der Überführung der Zusatzversorgungsansprüche des Klägers in die gesetzliche Rentenversicherung beziehe sie sich auf die zutreffenden Erwägungen des SG und die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (Urteil vom 30. März 1994 – 4 RA 62/93), hinsichtlich der Anwendung der 1. und 2. RAV auf die Urteile dieses Senats vom 27. Januar 1993 (4 RA 50/92 ua) und vom 23. März 1993 (4 RA 18/92 und 27/92). Auch hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höchstbetragsbegrenzung verweise sie auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil. Da der bisher gezahlte Gesamtbetrag aus Rente und Zusatzversorgung von 2.700,00 DM, der sich aus der vorläufigen Begrenzung der Zahlbeträge gemäß § 10 Abs 1 AAÜG ergebe, höher sei als der mit Bescheid vom 28. März 1994 festgesetzte monatliche Rentenbetrag, stehe dieser dem Kläger auch weiterhin zu.
Dem Gesetzgeber sei hinsichtlich der in die Rentenhöhe einfließenden Tätigkeitsbewertungen (EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b) ein breiter Gestaltungsspielraum eingeräumt worden. Zwar sei einzuräumen, daß die dem Kläger in der DDR zugedachten Versorgungsansprüche nicht auf politischer Begünstigung beruhten. Der Gesetzgeber sei jedoch gehalten gewesen, die in der DDR entstandenen Rechtspositionen nicht unbesehen zu übernehmen, sondern eine grundlegende strukturelle Anpassung an die bundesdeutsche gesetzliche Rentenversicherung, für die eine Beitragsbemessungsgrenze typisch sei, vorzunehmen. Dabei habe er auf eine pauschalierende und typisierende Regelung zurückgreifen dürfen. Wenn aber die grundlegende Systementscheidung für verfassungskonform erachtet werde (BSG Urteil vom 30. März 1994 – 4 RA 62/93), so würde diese Grundentscheidung des EinigVtr ohne die Zahlbetragsbegrenzung über Jahre oder Jahrzehnte konterkariert.
Der erkennende Senat hat auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet, soweit die Sache nicht durch diesen Beschluß gemäß Art 100 Abs 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt worden ist (§ 202 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫ iVm § 251 der Zivilprozeßordnung).
Ferner hat der erkennende Senat auf Antrag des Klägers den Vollzug des undatierten Bescheides über die Kürzung der Altersversorgung des Klägers zum 1. August 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1991, des Bescheides vom 27. November 1991 und des Bescheides vom 1. September 1993 mit Wirkung vom 1. Juni 1994 einstweilen bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt, soweit der Zahlbetrag auf 2.700,00 DM begrenzt worden ist (Beschluß vom 6. Dezember 1996).
Entscheidungsgründe
II
Der erkennende Senat hat das Verfahren hinsichtlich des für die Zeit ab 1. August 1991 geltend gemachten Anspruchs auf Gewährung einer höheren Rente gemäß Art 100 Abs 1 Satz 1 GG ausgesetzt, um eine Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen, ob § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG verfassungswidrig ist.
Verfahrensgegenstand ist insoweit der undatierte Kürzungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1991 und des Bescheides vom 1. September 1993. Nicht Verfahrensgegenstand geworden ist der Bescheid vom 28. März 1994, der erst nach Verkündung des angefochtenen Urteils bekanntgegeben worden ist; er gilt als mit der Klage bei dem SG angefochten (§ 171 Abs 2 SGG). Durch die mit dem Bescheid vom 28. März 1994 geregelte Neuberechnung wird der Kläger weder klaglos gestellt noch wird seinem Klagebegehren durch die Entscheidung des BSG zu den angefochtenen Bescheiden in vollem Umfang genügt.
Der undatierte Bescheid (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1991), mit dem die Überleitungsanstalt Sozialversicherung den Gesamtauszahlbetrag zum 1. August 1991 gemäß § 10 Abs 1 AAÜG aF auf 2.010,00 DM festgesetzt hat, ist durch den Bescheid vom 1. September 1993 insoweit zurückgenommen und abgeändert worden, als der Gesamtauszahlbetrag auf 2.700,00 DM angehoben worden ist. Dabei ist die Beklagte verfahrensfehlerfrei vorgegangen. Insbesondere war sie gemäß § 10 Abs 5 Satz 3 AAÜG nicht verpflichtet, den Kläger zuvor anzuhören; diese die allgemeinen Regelungen des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) verdrängende Spezialvorschrift ist verfassungsgemäß (vgl BSGE 72, 50, 57 f= SozR 3-8570 § 10 Nr 1; BSGE 74, 184, 190 = SozR 3-8570 § 11 Nr 1).
Verfassungswidrig und damit ungültig ist nach Auffassung des erkennenden Senats die Vorschrift des § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG; eine verfassungskonforme Auslegung dieser Norm ist nicht möglich. Von der Beantwortung der Frage, ob diese Vorschrift verfassungsgemäß oder verfassungswidrig ist, hängt die Entscheidung des Rechtsstreits für den am 1. August 1991 beginnenden Zeitraum ab: Ist die Regelung verfassungsgemäß, so hat der Kläger entgegen seinem Klagebegehren keinen Anspruch auf einen höheren Zahlbetrag als den in dem undatierten Bescheid über die Herabsetzung des Gesamtauszahlbetrags in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1991 und des Bescheides vom 1. September 1993 festgesetzten Betrag von 2.700,00 DM. Die Revision des Klägers ist dann insoweit zurückzuweisen. Ist die Vorschrift dagegen verfassungswidrig, hat der Kläger Anspruch zumindest auf die Weitergewährung des ihm vor der Herabsetzung zuerkannten Gesamtauszahlungsbetrags von 3.144,00 DM über den 31. Juli 1991 hinaus. Die vorinstanzlichen Entscheidungen und die angefochtenen Bescheide wären dann entsprechend abzuändern.
§ 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG idF von Art 3 Nr 6 Buchst a bb RÜ-ErgG ist hier entscheidungsrelevant. Als ehemaliger Angehöriger des Zusatzversorgungssystems der Anlage 1 Nr 4 zum AAÜG gehörte der Kläger zu dem von dieser Vorschrift erfaßten Personenkreis, weil die monatliche Summe der Zahlbeträge aus dem Anspruch auf Sozialpflichtversicherungsrente (364,00 DM) und auf Altersrente aus der Zusatzversorgung (2.780,00 DM) zum 1. August 1991 den Grenzbetrag von 2.700,00 DM überstieg. Durch die Kürzungsbescheide wurde der Gesamtanspruch auf Altersversorgung von 3.144,00 DM auf letztlich 2.700,00 DM herabgesetzt.
Bei § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG handelt es sich um geltendes Bundesrecht. Die Vorschrift ist gemäß Art 18 Abs 3 RÜ-ErgG mit Wirkung vom 1. August 1991 in Kraft getreten und wird nicht durch andere Rechtsnormen verdrängt. Dies gilt insbesondere für EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 4 („Zahlbetragsgarantie”); auch hierbei handelt es sich um einfachgesetzliches Bundesrecht, das gegenüber den Normen etwa des AAÜG keinen höheren Rang besitzt. § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG ist das jüngere Gesetz und geht daher der genannten Bestimmung des EinigVtr vor.
Die Auswirkungen der fraglichen Norm betreffen den Rentenanspruch für den am 1. August 1991 beginnenden Zeitraum. Der auf 2.700,00 DM herabgesetzte monatliche Gesamtanspruch bleibt nämlich auch während des Bezuges einer SGB VI-Rente ab 1. Januar 1992 solange für die Höhe dieser Leistung maßgeblich, bis der monatliche Anspruch auf die (dynamisierte) SGB VI-Rente ohne Rentenzuschlag diesen Zahlbetrag übersteigt (vgl § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI), was jedenfalls bis zur Verkündung des erstinstanzlichen Urteils noch nicht eingetreten ist. Eine Nachzahlung für den bis dahin verstrichenen Zeitraum ist weder vorgesehen noch zugelassen (vgl BSGE 72, 50, 59 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1).
Mit der dem BVerfG vom erkennenden Senat zur Entscheidung vorgelegten Frage hat sich der 4. Senat des BSG bereits in mehreren bei ihm anhängigen Revisionsverfahren mit vergleichbarer Sach- und Rechtslage auseinandergesetzt. Er ist zu der Überzeugung gelangt, § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG in der auch im vorliegenden Verfahren betroffenen Fassung sei verfassungswidrig. Demgemäß hat er die Verfahren ausgesetzt und eine entsprechende Frage dem BVerfG gemäß Art 100 GG zur Entscheidung vorgelegt (vgl Teilurteile und Beschlüsse vom 14. Juni 1995 – 4 RA 28/94 – und – 4 RA 4/94). Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat aufgrund eigener Überprüfung an.
Die zur Prüfung gestellte Norm, die weder durch EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 4 noch durch andere bundesrechtliche Normen verdrängt wird, greift in eine eigentumsgeschützte Rechtsposition des Klägers, nämlich in seinen Anspruch nach EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 4 auf einen Zahlbetrag in bestimmter Höhe ein, ohne daß Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen solchen Eingriff rechtfertigen.
Dem Kläger ist durch EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 4 eine eigentumsgeschützte Rechtsposition eingeräumt worden, deren Entziehung an der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG zu messen ist. Nach EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 4 darf bei der nach Satz 3 Nr 1 dieser Regelung vorzunehmenden Anpassung der Versorgungsbezüge von Personen, die am 3. Oktober 1990 leistungsberechtigt waren, der Zahlbetrag nicht unterschritten werden, der im Juli 1990 aus der Sozialpflichtversicherung und dem Zusatzversorgungssystem zu erbringen war. Durch die in dieser Norm gewählte Formulierung „darf nicht unterschritten werden” ist gewährleistet, daß den Bestandsrentnern derjenige als Nominalwert ausgestaltete Zahlbetrag (vgl hierzu BSGE 72, 50, 65 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1 S 18) erhalten bleibt, der ihnen am 1. Juli 1990 nach DDR-Recht rechtmäßig zustand („Zahlbetragsgarantie”). Dies ist hier der im Verhältnis 1:1 von M der DDR auf DM aufgewertete Zahlbetrag aus Sozialpflichtversicherungsrente und Rente aus dem Zusatzversorgungssystem, also der Betrag von 3.144,00 DM.
Bei der Zahlbetragsgarantie in EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 4 handelt es sich entgegen Stimmen in der Fachliteratur (vgl Papier, Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des AAÜG, S 30a, und Heintzen, VSSR 1995, 1, 16 ff) um die auch hinsichtlich des konkreten Betrages hinreichend bestimmte, keinen Regelungsspielraum enthaltende Rechtsgrundlage für einen konkreten sozialrechtlichen Anspruch, nicht lediglich um einen Regelungsauftrag an den Gesetz- bzw Verordnungsgeber und auch nicht um eine bloße dem Anpassungsvorbehalt unterliegende programmatische Absichtserklärung für den Gesetzgeber, den Bestandsschutz zu beachten. Die Zahlbetragsgarantie steht nicht unter dem Anpassungsvorbehalt des EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 3 Nr 1, sondern soll den Bestandsrentnern als bestandsgeschützter Betrag erhalten bleiben. Dem widerspricht Art 30 Abs 5 EinigVtr nicht, weil dort lediglich ein nicht genau definierter grundsätzlicher Bestandsschutz für Renten aus der Sozialpflichtversicherung ausgesprochen wird, während für die Überführung der Renten aus Versorgungssystemen in EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 4 eine Spezialregelung getroffen worden ist. Durch diese Regelung werden entgegen der Ansicht von Heintzen (aaO) nicht ungerechtfertigte und überhöhte Leistungen fortgeschrieben. Danach ist nämlich auf den Betrag abzustellen, der am 1. Juli 1990 „zu zahlen war” (nicht: „gezahlt wurde”). Im Hinblick auf die bereits in der DDR getroffenen Regelungen ist man offenbar davon ausgegangen, daß zu diesem Zeitpunkt überhöhte Leistungen nicht mehr vorhanden und in die Rentenversicherung zu überführen waren.
Dieser dem Kläger am 1. Juli 1990 aus der Sozialpflichtversicherung und dem Zusatzversorgungssystem zustehende Anspruch unterliegt der Eigentumsgarantie und damit dem Schutz des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG. Er ist nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem berechtigten Bestandsrentner privatnützig zur ausschließlichen eigenverantwortlichen Gestaltung, mithin zur privaten Nutzung und eigenen Verfügung zugeordnet und dient der Sicherung seiner Existenz (vgl BVerfGE 69, 272, 300). Mit dieser Vergünstigung ist in erster Linie berücksichtigt worden, daß die Bestandsrentner nicht mehr in der Lage waren, ihre Versicherungsbiographie selbst noch durch Entrichtung von freiwilligen oder Pflichtbeiträgen günstig zu beeinflussen bzw durch eigene Erwerbstätigkeit eine zweite Säule für eine Altersversorgung zu erwerben (vgl BSGE 72, 50, 67 f = SozR 3-8570 § 10 Nr 1 S 20). Die Zahlbetragsgarantie hat damit sogar ausschließlich existenzsichernde Bedeutung.
Diesem Rechtsanspruch liegen nicht unerhebliche Eigenleistungen zugrunde, denn die Höhe des Anspruchs wird wesentlich durch die persönliche Arbeitsleistung der Berechtigten mitbestimmt (vgl BVerfGE 53, 257, 291 f = SozR 7610 § 1587 Nr 1 S 3 f; BVerfGE 69, 272, 300 f). Dabei ist es unerheblich, inwiefern die Finanzierung der betreffenden Leistungen aus Steuern erfolgte, denn der Gesetzgeber hat durch sein Überführungsprogramm nach der Wiedervereinigung diese Rentenansprüche als in die gesetzliche Rentenversicherung überführbar gewertet und damit die in der DDR erbrachten Arbeitsleistungen als Schutzgrund für die Eigentümerposition anerkannt. Der Beschluß des BVerfG vom 23. Juni 1970 (BVerfGE 29, 22, 33 f = SozR Nr 83 zu Art 3 GG) steht nicht entgegen. Tragender Gesichtspunkt dieser Entscheidung ist, daß die durch den Gesetzgeber zuerkannte Rechtsposition (nach dem Fremdrentengesetz ≪FRG≫) dem Schutz des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG unterliegt; die weiteren Ausführungen in diesem Beschluß betreffen nicht die hier anstehende Problematik.
Der Gesetzgeber hat durch § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG in diese eigentumsgeschützte Rechtsposition eingegriffen, indem er den Zahlbetrag auf 2.700,00 DM begrenzt und damit (über die entsprechende Verwaltungsentscheidung) dem Kläger die Verfügungsbefugnis über den vollen Betrag langfristig entzogen hat. Unabhängig davon, daß die SGB VI-Rente des Klägers immer noch nicht den ursprünglichen Zahlbetrag von monatlich 3.144,00 DM erreicht hat, wäre sogar ein zeitlich befristeter Entzug dieser monatlichen, existenzsichernden Leistung mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums durch Art 14 Abs 1 Satz 1 GG unvereinbar und nicht als bloße Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums anzusehen.
Der durch die Bestandsgarantie des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG gewährleistete Vertrauensschutz hat durch EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 4 in der Zahlbetragsgarantie eine besondere Ausprägung erhalten. Damit sollten den Bestandsrentnern Mittel zur Verfügung gestellt werden, die an ihre bisherige Arbeitsleistung anknüpfen und ihnen nach Beendigung ihres Berufs- und Arbeitslebens eine Lebensplanung für die Zukunft ermöglichen sollen. Diesem Vertrauensschutz kommt im Hinblick auf das Lebensalter der berechtigten Bestandsrentner erhebliches Gewicht zu. Werden diese Mittel entzogen oder auch nur über einen längeren Zeitraum hinweg vorenthalten, so wird dieses Vertrauen verletzt, wenn nicht zwingende Gründe für diesen Eingriff vorliegen.
Rechtfertigungsgründe für den gesetzlichen Eingriff sind indes nicht vorhanden. Zwar kann der Gesetzgeber grundsätzlich auch in rentenversicherungsrechtliche Rechtspositionen eingreifen, weil ihm bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken solcher Positionen ein weiter Gestaltungsfreiraum zuzugestehen ist (vgl BVerfGE 53, 257, 293 = SozR 7610 § 1587 Nr 1 S 4). Voraussetzung ist jedoch stets, daß Gründe des öffentlichen Interesses den Eingriff unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtfertigen, dieser also dem Gemeinwohl dient (vgl BVerfGE 53, 257, 293 = SozR 7610 § 1587 Nr 1; BSGE 72, 50, 60 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1). Ein derartiger Zweck ist hier jedoch nicht erkennbar.
Nach den Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 12/4810 S 21) soll durch die Kürzung des Zahlbetrages auf 2.700,00 DM eine Modifizierung der „vorläufigen Begrenzung von Zahlbeträgen für ehemals Zusatzversorgte” erfolgen. Dazu ist zu bemerken, daß dem Berechtigten der Anspruch auf den gesamten, ihm nach EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 4 zustehenden Zahlbetrag zumindest für einen erheblichen Zeitraum endgültig entzogen wird. Daher ist hier bereits der Begriff „vorläufig” irreführend. Darüber hinaus sind die Materialien insoweit auch in sich widersprüchlich. Einerseits wird dort zur Begründung auf die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG zur Begrenzung eines Zahlungsanspruchs aus gleichartigen Renten der Rentenversicherung und der Zusatzversorgung auf 2.010,00 DM gemäß § 10 Abs 1 AAÜG aF (vgl BSGE 72, 50 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 1) verwiesen. Eine dreistufige Typik nach Versorgungsansprüchen, wie sie der 4. Senat des BSG damals angenommen hat, ist vom Gesetzgeber aber gerade bei der Neufassung des § 10 Abs 1 AAÜG nicht vorgesehen worden. Die über 2.700,00 DM liegenden Zahlbeträge sind vielmehr unterschiedslos gekürzt worden. Auch in der weiteren Gesetzesbegründung (vgl BT-Drucks 12/4810 S 21) findet sich kein den Eingriff rechtfertigender Zweck. Dem Hinweis, die Zahlbetragsbegrenzung knüpfe an die Versorgungsbezüge eines Angehörigen der Intelligenz an, der über ein Bruttogehalt zwischen 3.000,00 und 3.500,00 M, eine Versorgungszusage zwischen 60 und 80 vH und eine Rente aus der Sozialpflichtversicherung von 340,00 M verfügt habe, ist insoweit nichts zu entnehmen. Das gilt auch für die Angabe, die Zahlbetragsbegrenzung sei als Vorgriff auf die nach Überführung der Ansprüche in die gesetzliche Rentenversicherung erreichbare maximale Leistungshöhe gedacht; mit ihr seien auch Gesichtspunkte des Besitz- und Vertrauensschutzes berücksichtigt worden. Die Vertrauensschutzregelung des EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 4 ist nämlich nicht geschaffen worden, um sicherzustellen, daß die erreichbare SGB VI-Rente möglichst nicht oder nicht erheblich überschritten wird, sondern sie ist vielmehr gerade in Kenntnis der Tatsache eingeführt worden, daß Bestandsrentner der ehemaligen DDR mit einer zum 1. Juli 1990 umgewerteten Gesamtaltersversorgung von mehr als 2.700,00 DM diese Leistungshöhe nach Überführung ihrer Ansprüche in die gesetzliche Rentenversicherung in absehbarer Zeit nicht oder sogar nie erreichen würden können. Die „Zahlbetragsgarantie” ist somit als eine bei der Neuordnung eines Rechtsgebietes angemessene, zumutbare Übergangsregelung iS eines Bestandsschutzes ausgestaltet worden. Es würde die Ausgewogenheit des auch nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich mit dem GG zu vereinbarenden Überführungsprogramms (vgl Senatsurteil vom 8. Februar 1996 ≪SozR 3-8560 § 25 Nr 2A≫; s im übrigen 4. Senat BSGE 72, 50, 53 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1) erheblich beeinträchtigen, wollte man eine Abänderung dieser Übergangsregelung zum Nachteil der betroffenen Bestandsrentner als zulässig ansehen.
Es sind auch keine anderen rechtfertigenden Gründe für einen solchen Eingriff erkennbar. Finanzielle Erwägungen, wie sie grundsätzlich bei der Kürzung von Sozialleistungen mitzubedenken sind, hatten nach den Gesetzesmaterialien hier keine Bedeutung. Zudem unterlagen nach einer vom 4. Senat in seinem Beschluß vom 14. Juni 1995 – 4 RA 28/94 – zitierten Aufstellung der Beklagten (Schreiben an das BVerfG vom 30. November 1994 – 1 BvL 2/94) von insgesamt 85.195 Versichertenrenten mit Leistungen aus Zusatzversorgungssystemen der Anlage 1 Nr 1 oder 4 bis 18 des AAÜG lediglich 955 der Höchstbetragsbegrenzung von 2.700,00 DM. Finanzielle Gesichtspunkte können demnach für die Begrenzung auf nunmehr 2.700,00 DM im Hinblick auf die damit verbundenen Einsparungen im Verhältnis zu dem Gesamtaufwand keine Rolle gespielt haben.
Aus Gesetz und Materialien läßt sich lediglich der politische Wille des Gesetzgebers entnehmen, einem Teil der Zusatzversorgungsberechtigten den im EinigVtr gewährleisteten Bestandsschutz bezogen auf den Gesamtanspruch teilweise zu entziehen. Damit ist § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG Ausdruck der Einschätzung des Bundesgesetzgebers, er selbst habe durch die Zahlbetragsgarantie den Bestandsrentnern aus Zusatzversorgungssystemen höhere Leistungen zuerkannt, als ihnen nach seiner jetzigen Einschätzung zustehen solle. Dies bedeutet, daß eine bereits nach Bundesrecht verfestigte eigentumsgeschützte Position zum Teil zurückgenommen und durch eine davon abweichende Regelung ersetzt werden sollte. Der Eingriffsgehalt des § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG nF erschöpft sich mithin in dem Willen des Bundesgesetzgebers zur politischen „Selbstkorrektur”.
Art 143 Abs 1 GG rechtfertigt dies nicht. Denn § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG enthält kein „längstens bis zum 31. Dezember 1992” vom GG abweichendes Recht, sondern gilt – wie oben dargelegt – dauerhaft für alle erfaßten Zusatzversorgungsansprüche, bis die SGB VI-Rente ohne den Rentenzuschlag den Zahlbetrag übersteigt. Auch ist nicht ersichtlich, wieso hier noch „die völlige Anpassung an die grundgesetzliche Ordnung” zu verwirklichen gewesen sein sollte, da bereits die Zahlbetragsgarantie nicht von verfassungsrechtlichen Bestimmungen abwich. Art 135a Abs 2 GG ist hier nicht einschlägig, weil diese Norm lediglich für Verbindlichkeiten gilt, die bei Abschluß des EinigVtr noch nicht bekannt waren (vgl BT-Drucks 11/7760 S 359).
Es ist nicht ersichtlich, wie § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG verfassungskonform ausgelegt werden könnte. Der vom 4. Senat in seinem Urteil vom 27. Januar 1993 (BSGE 72,50 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 1) gewählte Weg, durch verfassungskonforme teleologische Reduktion des persönlichen Anwendungsbereichs des § 10 Abs 1 Satz 1 AAÜG aF die Bestandsrentner aus den nicht „systemnahen” Zusatzversorgungssystemen von der Begrenzung der Zahlbetragsgarantie herauszunehmen, kann hier nicht eingeschlagen werden. Denn der Gesetzgeber hat in § 10 Abs 1 Satz 3 AAÜG ausdrücklich festgeschrieben, daß die Begrenzung auf 2.700,00 DM auch dann vorzunehmen ist, wenn bei der Neuberechnung der Rente den Pflichtbeitragszeiten das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach § 6 Abs 1 AAÜG zugrunde zu legen ist, also auch für diejenigen Zusatzversorgungsberechtigten gilt, deren Einkommen nach der Typisierung des AAÜG nicht auf politischen Vergünstigungen beruht.
Die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) in den bereits bei dem BVerfG anhängigen Normenkontrollverfahren gegenüber dieser Rechtsauffassung vorgebrachten Argumente (Schriftsatz des BMA vom 29. August 1996 zum ≪Geschäftszeichen Iva 7-40923/145≫) sind nach Auffassung des erkennenden Senats nicht stichhaltig. Insbesondere ist nicht überzeugend widerlegt, daß es sich bei der „Zahlbetragsgarantie” in EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 4 um die auch hinsichtlich des konkreten Betrages hinreichend bestimmte, keinen Regelungsspielraum enthaltende Rechtsgrundlage für einen konkreten sozialrechtlichen Anspruch handelt. Diese Auslegung ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung und steht nicht in Widerspruch zu den anderen Regelungen des EinigVtr. Der Umstand, daß im Überführungsprogramm des EinigVtr die Zusammenfassung der Renten aus der Sozialpflichtversicherung und von solchen aus den Zusatzversorgungssystemen in eine einzige SGB VI-Rente unter Berücksichtigung der sich entsprechend den systemimmanenten Beitragsbemessungsgrenzen ergebenden Höchstrenten vorgesehen war, spricht nicht gegen die hier vorgenommene Auslegung der Zahlbetragsgarantie; durch diese wurde das Überführungsprogramm lediglich modifiziert und für die Bestandsrentner erträglich gestaltet. Ob es aus Gleichbehandlungsgründen zusätzlich geboten gewesen wäre, den vom BMA als ebenso schutzwürdig angesehenen Personenkreis der über 55-jährigen zu begünstigen, kann im Rahmen der dem BVerfG vorgelegten Frage nach der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG offenbleiben.
Auch das Argument, durch die Herabsetzung des Anspruchs auf 2.700,00 DM „für einen bestimmten Zeitraum” werde kein Rechtsentzug vorgenommen, ist nicht überzeugend. Die Nichtgewährung eines nicht zu vernachlässigenden Betrages (hier monatlich ca 444,00 DM) über einen Zeitraum von mehreren Jahren ohne Zubilligung einer späteren Nachzahlung bedeutet rechtlich und wirtschaftlich den Entzug eines genau bestimmbaren Betrages. Da der Rechtsanspruch auf Rente mindestens in Höhe der Zahlbetragsgarantie durch Bundesrecht – nicht Recht der DDR –, nämlich EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 4, geschaffen worden ist und auch – wie oben dargelegt – den sonstigen vom BVerfG für die Anerkennung von sozialrechtlichen Ansprüchen als Eigentum iS des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG aufgestellten Kriterien entspricht, ist ein Eingriff durch den Gesetzgeber an diesem Grundrecht zu messen.
Der Hinweis des BMA auf die fehlende Berücksichtigung des gesamten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Umfeldes, insbesondere den wirtschaftlichen Niedergang der ehemaligen DDR, ist ebenfalls nicht geeignet, zu einer anderen Auslegung von EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 4 zu gelangen. Auch insoweit ist entscheidend, daß bereits der Wortlaut dieser Bestimmung eindeutig ist und keinen Anlaß bietet, aufgrund allgemeiner Erwägungen zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Diese Überlegungen rechtspolitischer Natur mögen für eine gesetzgeberische Initiative sprechen, können jedoch nicht eine von der hier vertretenen abweichende Auslegung begründen.
Fundstellen
Haufe-Index 1173066 |
SozSi 1997, 199 |