Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 26.11.2021; Aktenzeichen L 21 AS 2060/18)

SG Münster (Urteil vom 10.10.2018; Aktenzeichen S 8 AS 414/14)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. November 2021 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

Dem Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH kann nicht stattgegeben werden. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein beim BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die vom Kläger angestrebte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG erfolgreich zu begründen. Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakte ersichtlich.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nur dann anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Kläger bringt vor, er habe Anspruch auf höhere Umgangskosten als die insoweit bislang anerkannten 400 Euro im Monat in Höhe von über 8000 Euro für den Streitzeitraum Mai bis Oktober 2014. Es ist nicht erkennbar, dass sich deswegen mit Blick auf die hierzu bereits vorliegende und vom LSG auch berücksichtigte Rechtsprechung zum Mehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen. Nach dieser Rechtsprechung bestehen Härtefallmehrbedarfe wegen eines Umgangsrechts unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls in Höhe der kostengünstigsten und gleichwohl bezogen auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Umgangsrechts verhältnismäßigen sowie zumutbaren Art der Bedarfsdeckung (grundlegend BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 21 ff im Anschluss an BVerfG vom 25.10.1994 - 1 BvR 1197/93 - NJW 1995, 1342 f; BVerwG vom 22.8.1995 - 5 C 15.94 - Buchholz 436.0 § 12 BSHG Nr 32; vgl hierzu ausführlich BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - BSGE 117, 240 = SozR 4-4200 § 21 Nr 19, RdNr 21 ff; BSG vom 11.2.2015 - B 4 AS 27/14 R - BSGE 118, 82 = SozR 4-4200 § 21 Nr 21, RdNr 17 ff sowie BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - BSGE 116, 86 = SozR 4-4200 § 21 Nr 18, RdNr 20; BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - BSGE 117, 240 = SozR 4-4200 § 21 Nr 19, RdNr 15; BSG vom 28.11.2018 - B 14 AS 48/17 R - BSGE 127, 78 = SozR 4-4200 § 21 Nr 30, RdNr 17). Bestandteil dieser Rechtsprechung ist dabei insbesondere der rechtliche Maßstab zu der Frage, inwieweit realistische Einsparmöglichkeiten bestehen (vgl zB BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - BSGE 117, 240 = SozR 4-4200 § 21 Nr 19, RdNr 21; BSG vom 11.2.2015 - B 4 AS 27/14 R - BSGE 118, 82 = SozR 4-4200 § 21 Nr 21, RdNr 24). Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass es einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten gelingen könnte, eine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - zu formulieren, die weiterhin klärungsbedürftig ist. Hinzu tritt, dass das LSG festgestellt hat, der Kläger habe zur Wahrnehmung des Umgangsrechts finanzielle Unterstützung durch seine Mutter erhalten, bei der es sich nicht um ein Darlehen gehandelt habe. Auch wenn der Kläger diese Feststellung, an die das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden wäre (§ 163 SGG) und die einem Mehrbedarfsanspruch entgegenstehen könnte (§ 21 Abs 6 Satz 2 SGB II: "Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter … gedeckt ist"), in tatsächlicher Hinsicht bestreitet, ist nicht ersichtlich, dass eine Rechtsfrage zB zur Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten in einem Revisionsverfahren klärungsfähig wäre.

Die Entscheidung des LSG weicht auch nicht von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG ab, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Divergenz kommt ausschließlich in Betracht, wenn das LSG einen Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage sein könnte, derartige abweichende Rechtssätze, auf denen die Entscheidung beruht, zu benennen. Der Kläger hat in der vom ihm selbst gefertigten Begründung seines Antrags auf Bewilligung von PKH Rechtsprechung des BSG benannt (BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - BSGE 116, 86 = SozR 4-4200 § 21 Nr 18; BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - BSGE 117, 240 = SozR 4-4200 § 21 Nr 19; BSG vom 11.2.2015 - B 4 AS 27/14 R - BSGE 118, 82 = SozR 4-4200 § 21 Nr 21; BSG vom 28.11.2018 - B 14 AS 48/17 R - BSGE 127, 78 = SozR 4-4200 § 21 Nr 30; BSG vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64), von der das LSG seiner Ansicht nach abgewichen sei. Der angegriffenen Entscheidung lässt sich aber nicht entnehmen, dass das LSG dem BSG widersprochen und von der Rechtsprechung des BSG abweichende, dh hiermit unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nur dies könnte zu einer Zulassung aufgrund von Divergenz führen (vgl hierzu nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72; Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kap, RdNr 300 ff mwN).

Schließlich ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG).

S. Knickrehm

Siefert

Harich

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15641125

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