Orientierungssatz
Zur grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob Art 2 § 1 Abs 1 S 1 Buchst b AnVNG im Wege einer ergänzenden Auslegung dahingehend auszulegen sei, daß die Bestimmung über das Bezugsrecht der Hinterbliebenen aus einer befreienden privaten Lebensversicherung unwiderruflich sein müsse, um eine ausreichende Sicherung der Hinterbliebenen sicherzustellen.
Normenkette
SGG § 160a Abs 2 S 3; AnVNG Art 2 § 1 Abs 1 S 1 Buchst b
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 04.10.1989; Aktenzeichen L 8 An 61/89) |
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Oktober 1989 ist unzulässig.
Auf die Beschwerde ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). In der Begründung der Beschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Diesen Formerfordernissen genügt die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin nicht.
Die Klägerin, geschiedene Ehefrau des 1983 verstorbenen Versicherten, begehrt eine höhere Hinterbliebenenrente mit der Begründung, die Beklagte müsse die Zeit vom 1. Januar 1968 bis zum 22. September 1983 aufgrund ihres pflichtwidrigen Verhaltens bei der Befreiung des Versicherten von seiner Versicherungspflicht im Wege des Herstellungsanspruchs fiktiv als Beitragszeit berücksichtigen. Denn die Beklagte hätte den Versicherten von der Mitgliedschaft in der Angestelltenversicherung nur befreien dürfen, wenn eine ausreichende Sicherung aller Hinterbliebenen gewährleistet gewesen wäre. Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 14. Februar 1989 im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Versicherten auf seinen Antrag ab 1. Januar 1968 von der Versicherungspflicht zu befreien, weil die Voraussetzungen des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Buchst b des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) erfüllt gewesen seien. Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden habe, sei die Befreiung nicht davon abhängig gewesen, daß die Leistungen aus der Befreiungsversicherung im wesentlichen das Fehlen der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ersetzten. Eine solche Einschränkung sei dem Gesetz nicht zu entnehmen; insbesondere sei der Versicherungsnehmer nicht in seiner Befugnis beschränkt gewesen, ohne Zustimmung des Versicherers an die Stelle des bezugsberechtigten Hinterbliebenen einen anderen zu setzen (BSGE 23, 241, 243). Die Beklagte habe nicht pflichtwidrig gehandelt; sie habe die Klägerin nicht vor den Folgen einer Änderung der Bezugsberechtigung durch den Versicherten schützen können.
Die Klägerin hält die Frage für rechtsgrundsätzlich, ob Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Buchst b AnVNG im Wege einer ergänzenden Auslegung dahingehend auszulegen sei, daß die Bestimmung über das Bezugsrecht der Hinterbliebenen aus einer befreienden privaten Lebensversicherung unwiderruflich sein müsse, um eine ausreichende Sicherung der Hinterbliebenen sicherzustellen. Diese Frage sei unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG zu ihren (der Klägerin) Ungunsten beantwortet worden. Dies begegne erheblichen Bedenken, da die Rechtsprechung zu unvertretbaren Ergebnissen für die Betroffenen führe.
Mit diesem Vorbringen ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt worden. Nach feststehender Rechtsprechung des BSG war die Befreiung nach der vorgenannten bzw nach früheren, insoweit gleichlautenden Bestimmungen nicht davon abhängig, ob die Leistungen aus einer "Befreiungsversicherung", dh einem privaten (Lebens-) Versicherungsvertrag, im wesentlichen die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung für den Versicherungsfall des Alters und des Todes ersetzen (BSGE 23, 241, 242 ff). Diese Voraussetzung ist in dem Begriff des Versicherungsvertrages für den Fall des Todes oder des Erlebens eines bestimmten Alters iS von Art 2 § 1 AnVNG nicht enthalten. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift war - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - die Befreiung lediglich davon abhängig gemacht, daß "für diese Versicherung mindestens ebensoviel aufgewendet wird, wie für sie Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen wären". Dagegen ist im Gesetz nicht zum Ausdruck gekommen, daß durch den Versicherungsvertrag eine im wesentlichen den Leistungen der Rentenversicherung gleichwertige Sicherung gewährleistet sein müsse (BSG aaO S 242, 243). Die vielfältigen Möglichkeiten späterer Änderungen des Versicherungsvertrages hindern weder die Erteilung der Befreiung noch berührt es die Wirkungen einer erteilten Befreiung, wenn solche Änderungen später eintreten (vgl auch BSGE 17, 124; 31, 131, 133; 58, 110, 113). Das gilt auch für die Befugnis des Versicherungsnehmers, ohne Zustimmung des Versicherers an die Stelle des bezugsberechtigten Hinterbliebenen gemäß § 166 des Versicherungsvertragsgesetzes einen anderen zu setzen (BSGE 23, 241, 243). Aufgrund dieser Rechtsprechung ist die von der Klägerin als grundsätzlich erachtete Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt. Eine vom Revisionsgericht bereits geklärte Rechtsfrage ist aber in aller Regel nicht mehr klärungsbedürftig. Abweichend von dieser Regel kann ihre Klärungsbedürftigkeit ausnahmsweise dann bejaht werden, wenn der höchstrichterlichen Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfange widersprochen worden ist und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht worden sind. Eine Klärungsbedürftigkeit in diesem Sinne hat der Beschwerdeführer darzulegen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 f). Das ist vorliegend nicht geschehen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, daß, von welcher Seite und mit welcher Begründung der dargestellten Rechtsprechung des BSG widersprochen worden ist. Daß die Klägerin die Ergebnisse dieser Rechtsprechung für nicht hinnehmbar hält, ist insoweit unerheblich. Mit der Begründung, diese Rechtsprechung und damit das darauf beruhende Urteil des LSG seien falsch, kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.
Die Nichtzulassungsbeschwerde erweist sich mangels formgerechter Darlegung eines Zulassungsgrundes als unzulässig und ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen.
SGG.
Fundstellen