Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 17.07.1996; Aktenzeichen L 8 An 20/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Juli 1996 wird verworfen.

Die Klägerin hat dem Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen.

Soweit die Beschwerde unter Punkt 2 der Begründung geltend macht, das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) weiche von der Entscheidung des Senats vom 12. Oktober 1994 (6 RKa 5/94 = BSGE 75, 187 ff = SozR 3-2500 § 72 Nr 5) ab, ist die Divergenz nicht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) „bezeichnet”. Eine Abweichung liegt nur vor, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht und diese zu der in einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) niedergelegten Rechtsansicht im Widerspruch steht. In der Beschwerdebegründung muß deshalb dargelegt werden, mit welcher konkreten Rechtsaussage das LSG von welchem näher bezeichneten Rechtssatz der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist. Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen der Klägerin nicht. Sie führt zwar aus, daß das LSG den in der zitierten Entscheidung des Senats betonten Grundrechtsbezug von Honorarverteilungsregelungen bei seiner Entscheidung nicht hinreichend beachtet habe. Damit rügt sie aber lediglich eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das LSG und benennt nicht einen vom LSG aufgestellten Rechtssatz, der einem in einer höchstrichterlichen Entscheidung aufgestellten Rechtssatz zuwiderliefe.

Unzulässig ist die Beschwerde auch, soweit in verschiedenen Punkten der Begründung auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) abgehoben wird. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfragen nämlich nicht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG „dargelegt”. Dafür hätte sie die Rechtsfrage, die sie für grundsätzlich bedeutsam hält, klar bezeichnen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 11), die über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung der angestrebten Entscheidung aufzeigen (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 7, 39; BSG aaO § 160 Nr 60), die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage darstellen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 59; BSG aaO § 160 Nr 17) und schließlich den nach ihrer Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt aufzeigen müssen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 39; BSG aaO § 160a Nrn 31, 54). Diesen – verfassungsrechtlich unbedenklichen (BVerfG SozR 1500 § 160a Nrn 44, 45, 48) – Voraussetzungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Zunächst legt die Klägerin lediglich allgemein dar, daß nach der von ihr angestrebten Zulassung der Revision Gelegenheit bestehen werde, bislang „höchstrichterlich nicht entschiedene Fragen des Schiedsamtsverfahrens zu klären”, bezeichnet die zur Entscheidung stehenden Rechtsfragen aber nicht konkret. Unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit der vertragszahnärztlichen Vergütung (§ 72 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫) erwähnt die Klägerin die bisherige Rechtsprechung des Senats zur Überprüfung von Entscheidungen der Schiedsämter, beschränkt sich dann aber auf die Aufzählung der einzelnen Elemente, die für die Ausfüllung des Rechtsbegriffs der angemessenen Vergütung bedeutsam sein können, sowie auf den Hinweis, über deren Verhältnis zueinander habe das BSG noch nicht entschieden. Damit wird weder dem Bezeichnungsgebot hinsichtlich einer bestimmten Rechtsfrage noch der Darlegungsobliegenheit hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit dieser Frage in einem Revisionsverfahren hinreichend entsprochen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läuft darauf hinaus, daß das LSG die Entwicklung der Praxiskosten bei der Billigung des Schiedsspruchs des Beklagten hinsichtlich der Erhöhung der Punktwerte nicht angemessen gewürdigt habe. Damit wird indessen nur dargelegt, daß das LSG in der Sache falsch entschieden habe, nicht aber, daß bei der Überprüfung seiner Entscheidung durch das BSG Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären sein werden.

Ihrer Darlegungsobliegenheit genügt die Beschwerdeführerin auch nicht, wenn sie es für grundsätzlich bedeutsam hält, wie die einzelnen für die Angemessenheit der vertragszahnärztlichen Vergütung wichtigen Elemente unter dem Gesichtspunkt der Budgetierung der Gesamtvergütungen zu beurteilen sind. Welche konkrete Rechtsfrage im Zusammenhang von Budgetierung und Punktwerthöhe bei revisionsgerichtlicher Überprüfung des angefochtenen Urteils zu entscheiden wäre, läßt die Beschwerdebegründung nicht erkennen. Zu der Frage, welche über den Einzelfall (Punktwerthöhe für Leistungen nach den Gebührentarifen A, B und E des Ersatzkassenvertrags Zahnärzte ≪EKV-Z≫ im Jahre 1993 im Bereich Westfalen-Lippe) hinausgehende Bedeutung der in diesem Zusammenhang vom BSG möglicherweise zu entscheidenden Rechtsfragen zukommen kann, ist der Beschwerdebegründung nichts zu entnehmen. Dasselbe gilt für die Frage, ob der Zusammenhang von Budgetierung der Gesamtvergütungen und Punktwerthöhe nach Ablauf der Phase der strikten Budgetierung der Gesamtvergütungen Ende 1995 (§ 85 Abs 3a SGB V) im Jahre 1997 noch von allgemeiner Bedeutung ist.

Auch soweit es die Klägerin schließlich für grundsätzlich bedeutsam hält, welche Aufklärungsverpflichtungen das Schiedsamt bei der Ermittlung der Angemessenheit der Vergütung der zahnärztlichen Leistungen und insbesondere bei der Bewertung der Entwicklung der Praxiskosten treffen, wird den Darlegungsanforderungen nicht hinreichend entsprochen. Die Beschwerdebegründung berücksichtigt nicht, daß sich der Senat in seinem Urteil vom 30. Oktober 1963 (BSGE 20, 73, 83 f = SozR RVO § 368h Nr 1) eingehend mit der Frage befaßt hat, wie die gesetzlichen Vorgaben für eine durch das Schiedsamt festgesetzte Vergütungsvereinbarung zu konkretisieren sind. In diesem Zusammenhang hat der Senat darauf hingewiesen, daß eine sachgemäße Konkretisierung der „Angemessenheit der Vergütung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Krankenkassen” (§ 368g Abs 1 RVO aF) Ermittlungen schwierigster Art in einem außergewöhnlichen Umfang erfordern würde, wenn diese Aufgabe losgelöst von dem Ergebnis langjähriger vertraglicher Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen bewältigt werden müßte (BSGE 20, 73, 84). Auf diese Passage im Senatsurteil vom 30. Oktober 1963 hat sich das LSG im angefochtenen Urteil ausdrücklich bezogen und damit die Entscheidung des Beklagten gebilligt, sich bei der Punktwerterhöhung für 1993 auf die vereinbarten Punktwerte des Jahres 1992 zu stützen und die anhand der Preisindize ermittelte Steigerungsrate bei den Lebenshaltungskosten als ein entscheidendes Kriterium für die festzusetzende Punktwerterhöhung zu bewerten. Inwieweit die Überprüfung dieser Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zur Entscheidung einer Rechtsfrage führen könnte, die auf dem Hintergrund der erwähnten Senatsentscheidung vom 30. Oktober 1963 noch von grundsätzlicher Bedeutung ist, legt die Klägerin nicht dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174276

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