Verfahrensgang
SG Heilbronn (Entscheidung vom 03.05.2021; Aktenzeichen S 2 R 76/20) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 28.03.2023; Aktenzeichen L 13 R 1852/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. März 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt die Gewährung von Übergangsgeld zwischen zwei Rehabilitationsmaßnahmen.
Der 1962 geborene Kläger erhielt vom 14.6.2016 bis zum 23.8.2016 stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von der Beklagten. Währenddessen bezog er Übergangsgeld. Nach Maßnahmeende bezog er vom 24.8.2016 bis zum 3.1.2017 Krankengeld. Seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben lehnte die Beklagte zunächst ab. In Ausführung eines am 1.8.2019 vor dem LSG geschlossenen gerichtlichen Vergleichs bewilligte sie ihm eine Maßnahme zur Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung. Die Maßnahme wurde vom 4.11.2019 bis zum 15.11.2019 im Berufsförderungswerk (BFW) durchgeführt. Vom 1.2.2020 bis zum 31.1.2023 absolvierte der Kläger einen Fernkurs zum staatlich geprüften Betriebswirt. Die Beklagte ist aufgrund eines Urteils verpflichtet, die Kosten für diese Maßnahme zu übernehmen und dem Kläger während dieser Maßnahme Übergangsgeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte lehnte es ab, dem Kläger für den Zeitraum zwischen dem Ende der medizinischen Teilhabeleistung und dem Beginn der Maßnahme im BFW (24.8.2016 bis 3.11.2019) Übergangsgeld zu gewähren (Bescheid vom 4.10.2019; Widerspruchsbescheid vom 3.12.2019). Die dagegen erhobene Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben (Urteile vom 3.5.2021 und 28.3.2023). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, zur Anwendung komme hier § 51 Abs 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung. Danach sei ebenso wie nach der Nachfolgeregelung in § 71 Abs 1 SGB IX Voraussetzung für die Weiterzahlung von Übergangsgeld, das unmittelbar vor dem Zeitpunkt, ab dem die Weiterzahlung begehrt werde, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld gewährt worden sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall gewesen. Einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne der Kläger nicht erfolgreich geltend machen, weil keine Pflichtverletzung der Beklagten erkennbar sei.
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 29.6.2023 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) wird nicht hinreichend dargetan. Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss in der Beschwerdebegründung darlegen, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist daher eine Rechtsfrage zu formulieren und deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufzuzeigen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Die Beschwerdebegründung, die in weiten Teilen aus einer wörtlichen Wiedergabe des Berufungsvorbringens besteht, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Der Kläger erachtet folgende Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig:
"Setzt der Anspruch auf 'Zwischenübergangsgeld' gemäß § 51 Abs. 1 SGB IX a.F. bzw. § 71 Abs. 1 SGB IX in der ab 01.01.2018 geltenden Fassung voraus, dass unmittelbar vor dem Zeitpunkt, zu dem die Weitergewährung des Übergangsgeldes geltend gemacht wird, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld gewährt worden ist oder kann ein Anspruch auf 'Zwischenübergangsgeld' wieder aufleben, wenn der Leistungsempfänger nach Abschluss der ersten Teilhabeleistung zunächst Krankengeld bezogen hat, dessen Anspruchshöchstdauer jedoch vor Beginn der sich anschließenden Teilhabeleistung endet?"
Es sei dahingestellt, ob damit trotz des Einzelfallbezugs eine aus sich heraus verständliche abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung, zur Anwendbarkeit oder zur Vereinbarkeit revisibler (Bundes-)Normen mit höherrangigem Recht formuliert ist, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl zu dieser Anforderung zB Beschluss vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5; jeweils mwN). Ebenso lässt der Senat dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung die besonderen Darlegungsanforderungen erfüllt, die bei Rechtsfragen zu sog ausgelaufenem Recht bestehen (vgl hierzu BSG Beschluss vom 7.9.2021 - B 1 KR 20/20 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 21.9.2015 - B 9 V 29/15 B - juris RdNr 8 mwN; vgl auch B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160 RdNr 8d mwN). Es fehlt jedenfalls an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl zB bereits BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Ist eine Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich höchstrichterlich entschieden worden, ist sie gleichwohl als geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 20.11.2023 - B 12 KR 41/22 B - juris RdNr 8). Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit ist daher eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen höchstrichterlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl zB BSG Beschluss vom 6.11.2023 - B 7 AS 30/23 B - juris RdNr 3).
Zwar befasst sich der Kläger ua mit dem Urteil des BSG vom 22.8.1984 (7 RAr 4/83), wonach im Arbeitsförderungsrecht bereits vor Einführung einer gesetzlichen Regelung (§ 160 Abs 2 SGB III in der bis zum 30.6.2001 geltenden Fassung) unter bestimmten Voraussetzungen Übergangsgeld zwischen zwei Rehabilitationsmaßnahmen (sog Zwischen- oder Anschlussübergangsgeld) weiter zu gewähren gewesen ist. Er trägt vor, diese Entscheidung habe den Rechtszustand vor Einführung des SGB IX betroffen. Darin sei die Frage, ob bei Bestehen eines Krankengeldanspruchs im Anschluss an eine Teilhabeleistung ein Anspruch auf Zwischenübergangsgeld vollständig ausgeschlossen sei oder nach Ausschöpfung des Krankengeldanspruchs wieder aufleben könne, nicht aufgeworfen und auch nicht abschließend geklärt worden. Der Kläger befasst sich jedoch nicht näher mit der dortigen Aussage, dass es einem Anspruch auf Zwischenübergangsgeld entgegensteht, wenn dem Versicherten für die Zeit zwischen den Maßnahmen ein Anspruch auf Krankengeld zugestanden hat oder ihm eine zumutbare Beschäftigung vermittelt werden konnte (BSG Urteil vom 22.8.1984 - 7 RAr 4/83 - juris RdNr 23, insoweit in BSGE 57, 113 = SozR 4100 § 59d Nr 2 nicht abgedruckt). Es hätte zudem nahe gelegen, auf die Argumentation in der Entscheidung des BSG vom 12.6.2001 (B 4 RA 80/00 R) zur Vorgängerregelung von § 51 Abs 1 SGB IX aF in § 25 Abs 3 Nr 4 SGB VI in der bis zum 30.6.2001 gültigen Fassung einzugehen. Danach bedarf ein Versicherter, der während einer von ihm nicht zu vertretenden Pause zwischen zwei Rehabilitationsmaßnahmen Krankengeld oder Arbeitsentgelt bezieht, nicht des wirtschaftlichen Schutzes eines weitergewährten Übergangsgelds (BSG Urteil vom 12.6.2001 - B 4 RA 80/00 R - SozR 3-2600 § 25 Nr 1 RdNr 17).
Ungeachtet dessen legt der Kläger die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht anforderungsgerecht dar. Hier wäre näher darauf einzugehen gewesen, dass im angestrebten Revisionsverfahren tatsächlich über die Frage entschieden werden müsste und das angefochtene Urteil nicht bereits aus anderen Gründen bestätigt werden könnte (vgl zu dieser Darlegungsanforderung zB BSG Beschluss vom 24.1.2019 - B 13 R 389/17 B - juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 8.8.2023 - B 9 V 7/23 B - juris RdNr 7; vgl auch B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160a RdNr 14k mwN). Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum sämtliche in § 51 Abs 1 SGB IX normierten Voraussetzungen für die begehrte Weitergewährung von Übergangsgeld erfüllte.
Indem der Kläger ausführlich darlegt, inwiefern nach seinem Dafürhalten der zwischenzeitliche Krankengeldbezug die Weitergewährung von Übergangsgeld nicht vollständig ausschließt, stellt er im Kern seine eigene Rechtsauffassung derjenigen des LSG gegenüber. Auf den damit erhobenen Vorwurf, das angegriffene Urteil sei inhaltlich falsch, kann die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache aber nicht gestützt werden (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BSG Beschluss vom 25.8.2022 - B 5 R 11/22 B - juris RdNr 16; vgl auch BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16192679 |