Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Zulassungsgrund. Verfahrensmangel. Entscheidungsgründe. Fehlen. Unvollständig. Unzureichend. Unrichtig. Rechtsfehlerhaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Urteil enthält nicht schon dann keine Entscheidungsgründe i.S. des § 136 Abs. 1 Nr. 6 und § 202 SGG i.V.m. § 313 Abs. 3 ZPO, wenn die Gründe sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind.
2. Wenn der Revisionsführer meint, das Landessozialgericht habe weitere rechtliche Gesichtspunkte behandeln müssen, so rügt er in Wirklichkeit nicht das Fehlen von Entscheidungsgründen, sondern die Unrichtigkeit der Entscheidung; das genügt indes für die Zulassung der Revision nicht.
Orientierungssatz
1. Eine Entscheidung enthält nicht schon dann keine Entscheidungsgründe iS von § 136 Abs 1 Nr 6 SGG , wenn die Gründe sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (vgl BSG vom 9.6.1967 - 4 RJ 109/67 = SozR Nr 79 zu § 128).
2. Wenn die Klägerin meint, das LSG habe weitere rechtliche Gesichtspunkte behandeln müssen, so rügt sie in Wirklichkeit nicht das Fehlen von Entscheidungsgründen, sondern die Unrichtigkeit der Entscheidung. Das genügt indes für die Zulassung der Revision nicht (vgl BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 = SozR 1500 § 160a Nr 7).
Normenkette
SGG § 136 Abs. 1 Nr. 6, § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3; ZPO § 313 Abs. 3
Verfahrensgang
Sächsisches LSG (Urteil vom 30.01.2002) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. Januar 2002 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 2. Oktober 1997.
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das zusprechende Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das LSG ist davon ausgegangen, dass der Klägerin ab 2. Oktober 1996 lediglich ein Anspruch auf originäre Alhi zugestanden habe. Die Klägerin habe innerhalb der Vorfrist kein Arbeitslosengeld (Alg) bezogen. Der Klägerin stehe auch kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf Bewilligung von Alhi für eine längere Dauer als 312 Tage zu. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch scheitere unabhängig von einer Verletzung der Beratungspflicht daran, dass es der Beklagten verwehrt sei, die Klägerin so zu behandeln, als hätte sie Alg bezogen. Die Klägerin habe innerhalb der Rahmenfrist lediglich vom 1. Dezember 1995 bis zum 1. Oktober 1996 Unterhaltsgeld (Uhg) nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bezogen. Die Zeit des Bezuges von Uhg nach den „Richtlinien für aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanzierte zusätzliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Bereich des Bundes” sei keine gleichgestellte Zeit iS des § 107 Nr 5d AFG.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels geltend. Es werde eine Verletzung von § 136 Abs 1 Nr 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gerügt. Das LSG habe keine Ausführungen dazu gemacht, weshalb der Klägerin nicht aufgrund eines anderen rechtlichen Gesichtspunktes Alhi ab 2. Oktober 1997 zugestanden habe. Es erscheine zumindest als möglich, dass der Klägerin aufgrund ihrer Teilnahme an der beruflichen Bildungsmaßnahme nicht (nur) das bewilligte ESF-Uhg, sondern Uhg nach § 44 AFG zugestanden habe.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist nicht zulässig, denn die Begründung bezeichnet den geltend gemachten Zulassungsgrund nicht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG.
Die Beschwerdebegründung legt nicht dar, dass das Urteil des LSG keine Entscheidungsgründe iS des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG enthält. Dass das Urteil des LSG keinerlei Entscheidungsgründe enthalte, macht die Beschwerde nicht geltend. Vielmehr wird vorgetragen, dass das LSG einen rechtlichen Gesichtspunkt nicht behandelt habe, aus dem sich der begehrte Anspruch ergeben könne. Aus diesen Ausführungen ergibt sich jedoch nicht, dass das Urteil keine Entscheidungsgründe iS des § 136 Abs 1 Nr 6 und § 202 SGG iVm § 313 Abs 3 Zivilprozessordnung enthält. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn die Gründe sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (BSG SozR Nr 79 zu § 128 SGG). Wenn die Klägerin meint, das LSG habe weitere rechtliche Gesichtspunkte behandeln müssen, so rügt sie in Wirklichkeit nicht das Fehlen von Entscheidungsgründen, sondern die Unrichtigkeit der Entscheidung. Das genügt indes für die Zulassung der Revision nicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Da ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt, ist die Beschwerde entsprechend § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Unabhängig von den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Beklagte schon deshalb von Amts wegen zur Überprüfung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung nach § 44 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – verpflichtet sein dürfte, weil im bisherigen Verfahren die Ausführungen des 7. Senats des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 17. Mai 2001 – B 7 AL 42/00 R (= SozR 3-4100 § 107 Nr 11) nicht hinreichend beachtet worden sind. Denn es ist nicht ersichtlich, dass geprüft worden ist, ob der Klägerin im Zeitraum vom 2. Oktober bis 28. Dezember 1995 ein Anspruch auf Uhg nach § 44 AFG zugestanden hat. Sollte sich auf dieser Grundlage ein Anspruch auf Anschluss-Alhi nicht ergeben, so wäre ferner zu fragen, ob die nachteilige Gestaltung der Gesamtmaßnahme durch die Beklagte nicht einen derartigen Anspruch auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eröffnet, denn eine geringfügig abweichende Planung, die die Klägerin nicht unangemessen belastet – Verkürzung der Maßnahme auf unter 1 Jahr –, hätte hier nahe gelegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen