Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 2. Februar 2023 - L 9 SO 36/15 KL - wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I
Im Streit ist ein Schiedsspruch über die Höhe der Vergütung für stationäre Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 27.3.2013 bis 31.3.2014.
Der Beklagte betreibt im Kreisgebiet des Klägers eine stationäre Wohn- und Pflegeeinrichtung für Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen mit externer und interner Tagesstruktur mit ua 19 Plätzen des Leistungstyps B.5. Er forderte im April 2012 den Kläger erfolglos zum Abschluss neuer Leistungs- und Prüfvereinbarungen auf und beantragte im März 2013 die Festsetzung der Vergütung bezogen auf den Leistungstyp B.5 durch die Schiedsstelle. Der Beklagte hat abschließend einen Betrag iH von insgesamt 166,49 Euro pro Tag und Platz begehrt, während der Kläger eine Vergütung iH von 134,20 Euro pro Tag und Platz angeboten hat. Die Schiedsstelle hat ausgeführt, der vom Kläger durchgeführte externe Vergleich besitze keine hinreichende Aussagekraft, um das Erhöhungsverlangen zu widerlegen und hat für die Laufzeit vom 27.3.2013 bis 31.3.2014 die Vergütung pro Tag und Platz auf eine Grundpauschale iH von 20,59 Euro, eine Maßnahmepauschale iH von 122,06 Euro sowie einen Investitionsbetrag iH von 22,14 Euro, insgesamt damit 164,79 Euro festgesetzt(Schiedsspruch vom 16.3.2015).
Das Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern hat den Schiedsspruch aufgehoben(Urteil vom 2.2.2023) . Die Schiedsstelle sei zwar im Ausgangspunkt nachvollziehbar von einer Plausibilität der Vergütungsforderungen ausgegangen, habe aber die Bewertung anhand des externen Vergleichs vornehmen müssen. Die vom Kläger benannte Anzahl von sieben Vergleichseinrichtungen aus dem gleichen Bezirk und bezogen auf denselben Leistungstyp B.5 sei ausreichend gewesen.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten, mit der er eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltend macht. Die Entscheidung des LSG beruhe auf der Annahme, ein externer Vergleich sei zwingend durchzuführen und weiche damit wegen der geforderten Prüfungstiefe von der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) ab.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz nicht in der gebotenen Weise bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Wer eine Divergenz(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) geltend machen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und der herangezogenen Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen. Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht aber lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat(sog Subsumtionsfehler vgl zBBSG vom 9.1.2020 - B 8 SO 55/19 B - RdNr 6 ;BSG vom 16.7.2013 - B 8 SO 14/13 B - RdNr 6 ;BSG vom 27.1.1999 - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN) . Für die Darlegung der Divergenz ist zudem erforderlich, dass die behauptete Abweichung entscheidungserheblich ist.
Der Beklagte zitiert als tragende abstrakte Rechtssätze Auszüge aus mehreren Entscheidungen des BSG(BSG vom 29.5.2019 - B 8 SO 3/18 R - BSGE 128, 162 = SozR 4-3500 § 76 Nr 3, RdNr 11;BSG vom 7.10.2015 - B 8 SO 19/14 R - SozR 4-3500 § 75 Nr 8 RdNr 12;BSG vom 23.7.2014 - B 8 SO 3/13 R - BSGE 116, 233 = SozR 4-3500 § 76 Nr 1, RdNr 14) :
"Die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGG XII aF(idF des Gesetzes vom 27.12.2003) deren Entscheidungsspielraum sich am Vereinbarungsspielraum der Vertragsparteien misst, ist gerichtlich im Rahmen der normativen Vorgaben der §§ 75 ff SGB XII aF regelmäßig nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob
- die verfahrensrechtlichen Regelungen eingehalten sind,
- der Sachverhalt ermittelt ist und
- die Schiedsstelle bei der Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange ihren Gestaltungsspielraum nicht verkannt hat."
Aus dem Urteil des BSG vom 7.10.2015 - B 8 SO 21/14 R - BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9 zitiert der Beklagte RdNr 16:
"Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn bzw. dass eine sozialhilferechtliche Schiedsstelle sich im Rahmen des ihr zustehenden Entscheidungsspielraums an der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG zum sog externen Vergleich im Recht der Sozialen Pflegeversicherung(dazu nur BSGE 102, 227 ff = SozR 4-3300 § 85 Nr 1) orientiert. Im Hinblick auf die anders geartete Struktur des SGB XII und die geringere Normdichte, insbesondere die fehlenden ausdrücklichen Regelungen über die Mitwirkungspflichten in Schiedsstellenverfahren besteht indes keine Veranlassung, diese Rechtsprechung in der Form zu übertragen, dass die Schiedsstellen zu einem entsprechenden Vorgehen vollumfänglich und in jedem Fall gezwungen wären, wenn nicht anderes in den Verträgen oder Verordnungen der§§ 75 ff SGB XII vorgeschrieben ist(vgl.BSG, Urt. vom 7.10.2015 - B 8 SO 21/14 R - Rn. 16 ) . Die Schiedsstelle ist nicht zu einem sogenannten externen Vergleich verpflichtet(vgl.BSG, Urteil vom 13.7.2017 - B 8 SO 11/15 R -, Rn. 21 zitiert nach juris)".
Dies genügt schon den Anforderungen an die Darlegung von Divergenz nicht. Der Beklagte stellt lediglich mehrere Entscheidungen des BSG kumulativ dar, ohne dass die eigentlichen tragenden Rechtssätze, von denen das LSG abgewichen sein soll, herausgearbeitet werden. Es ist aber nicht Aufgabe des BSG, aus dem Vortrag die Entscheidungen sowie die entscheidungserheblichen Rechtssätze herauszufiltern, die die Zulassung der Revision wegen Divergenz rechtfertigen könnten.
Der Beklagte bezeichnet jedenfalls keine von der BSG-Rechtsprechung abweichenden Rechtssätze des LSG, sondern referiert weitgehend - zum Teil bis hin zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt - aus dem Urteil des LSG, ohne dass klar würde, welchen genauen eigenen Rechtssatz das LSG aufgestellt haben soll, der von einem oder allen der oben zitierten Absätze aus den Entscheidungen des BSG abweichen soll. Der Beklagte trägt weiter vor, dass die Entscheidung des LSG auf dem Rechtssatz beruhe, dass Entscheidungen des BSG zu den Schiedsstellen nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) auf Entscheidungen von Schiedsstellen nach dem SGB XII anzuwenden seien und das sozialhilferechtliche Schiedsstellenverfahren nach einem zweigliedrigen Prüfungsmuster durchzuführen sei; die Divergenz ergebe sich daraus, dass das LSG an keiner Stelle auf die spezifische Rechtsprechung des sozialhilferechtlichen Senats des BSG eingegangen sei und Rechtssätze des pflegerechtlichen Senats des BSG angewandt habe, ohne die Rechtsprechung des sozialhilferechtlichen Senats zur Überprüfung von Entscheidungen von sozialhilferechtlichen Schiedsstellen zu berücksichtigen.
Auf diese Weise bezeichnet der Beklagte aber keine sich widersprechenden Rechtssätze. Er hätte einen abstrakten Rechtssatz bezeichnen müssen, der in der Entscheidung eindeutig enthalten ist und mit dem das LSG eigene von der Rechtsprechung des BSG abweichende Kriterien aufstellen wollte(vglBSG vom 19.12.2011 - B 12 KR 42/11 B - RdNr 8 ;BSG vom 27.1.1999 - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 45 = juris RdNr 12) . Daran fehlt es. Für die Bezeichnung einer Abweichung iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG genügt es nicht, wenn das LSG höchstrichterliche Rechtsprechung in ihrer Tragweite für den entschiedenen Fall lediglich verkannt haben sollte(vglBSG vom 3.4.2020 - B 9 SB 71/19 B - RdNr 6 mwN). Genau darauf stellt der Beklagte aber ab und macht damit im Kern nur die Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils geltend, was die Zulassung der Revision nicht begründen kann(vgl nurBSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160 Nr 7; zuletztBSG vom 29.4.2021 - B 8 SO 92/20 B ) .
Ebenso wenig genügt für die Bezeichnung der Divergenz eine isolierte Wiedergabe einzelner Passagen der Aussagen beider Gerichte. Der Widerspruch muss in der Beschwerdebegründung klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden(BSG vom 1.12.2020 - B 12 KR 48/20 B - RdNr 5 ) . Denn nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher auch nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt haben, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat(vglBSG vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 undBSG vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN) . Dies zeigt die Beschwerdebegründung aber nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Vorsitzende Richterin am BSG Krauß ist wegen an der Signatur gehindert. Bieresborn |
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Bieresborn |
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Luik |
Fundstellen
Dokument-Index HI16675228 |