Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Juli 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 228 272,81 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob der beklagte Rentenversicherungsträger berechtigt ist, im Anschluss an eine Betriebsprüfung bei der Klägerin von dieser für die Zeit von September 2002 bis Oktober 2005 Sozialversicherungsbeiträge, Umlagen und Säumniszuschläge nachzufordern. Im Streit ist vor allem, ob es sich bei den beigeladenen Arbeitnehmern um solche der Klägerin oder von (angeblichen) Subunternehmen handelt. Das LSG hat das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil vom 1.9.2014 mit Urteil vom 8.7.2016 aufgehoben, die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.
II
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 8.7.2016 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Mit der Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, lässt sich die Zulassung der Revision demgegenüber - der Struktur der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend - nicht erreichen.
1. Die Klägerin stützt sich in ihrer etwa 18 Seiten umfassenden Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vom 27.9.2016 vor allem auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), sodann auf denjenigen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Dabei rügt sie Mängel des Berufungsverfahrens sowohl in ihrer etwa 13 Seiten umfassenden ausführlichen Darstellung des Prozessverlaufs als auch en bloque auf den Seiten 13 ff der Beschwerdebegründung. "Ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung" werden vor allem auf den Seiten 16 ff der Begründung gerügt.
a) Entscheidungserhebliche Mängel des Berufungsverfahrens (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) bezeichnet die Klägerin nicht in der gebotenen Weise.
aa) Sie sieht einen Verfahrensmangel des LSG zunächst darin (S 13 f der Beschwerdebegründung), dass dieses die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme "völlig ignoriert" und sich hiermit "nicht bzw. nicht hinreichend auseinandergesetzt" habe; das Berufungsgericht habe eine "absolut gegensätzliche Stellung" eingenommen, was weit über die Grenzen freier Beweiswürdigung hinausgehe.
Einen Verfahrensfehler, der zulassungsrelevant wäre, legt die Klägern damit nicht substantiiert dar. So berücksichtigt sie nicht, dass die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG auf eine Verletzung des Grundsatzes freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) nicht gestützt werden kann.
bb) Ein Mangel des Berufungsverfahrens soll sich weiter - so die Klägerin - daraus ergeben (S 14 f, S 10 f der Beschwerdebegründung), dass das LSG einem mit der Berufungserwiderung vom 2.4.2015 (dort S 8) gestellten Antrag, den Geschäftsführer ihres Auftraggebers G. als Zeugen zu vernehmen, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Die unter Beweis gestellten Tatsachen seien entscheidungserheblich, zumal das Berufungsurteil im Widerspruch stehe zur Entscheidung erster Instanz und "den Würdigungen der Arbeits- und Strafgerichtsbarkeit".
Die Klägerin legt in ihrer Beschwerdebegründung nicht dar, dass sie den von ihr schriftsätzlich gestellten Beweisantrag auf Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung am 8.7.2016, in der ihr anwaltlicher Prozessbevollmächtigter anwesend war, wiederholt oder auf andere Weise aufrechterhalten hat. Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf die Verletzung des § 103 S 1 SGG nur unter derart qualifizierten Voraussetzungen gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG; zuletzt BSG Beschluss vom 7.2.2017 - B 13 R 389/16 B - Juris RdNr 9 mwN).
cc) Die Klägerin meint zudem (S 15, S 6 der Beschwerdebegründung), das LSG habe den für das sozialgerichtliche Verfahren geltenden Grundsatz, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 103 S 1 SGG), dadurch verletzt, dass es (einfach) auf die "vorgeblichen Ermittlungsergebnisse" des Hauptzollamts abgestellt habe (und damit nach dem "Beibringungsgrundsatz" verfahren sei).
Auch mit diesem Vorbringen bezeichnet sie einen entscheidungserheblichen Verfahrensfehler nicht in der erforderlichen Weise. Abgesehen davon dass sich nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG mit der Rüge eines Verstoßes gegen § 103 S 1 SGG die Zulassung einer Revision nicht erreichen lässt, begründet die Klägerin mit keinem Wort, warum in der "Be-" und anschließenden "Verwertung" der Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamts durch das LSG eine kontradiktorische Verfahren prägende "Beibringung" von Tatsachen zu sehen und deshalb eine Verletzung von § 103 S 1 SGG anzunehmen sein soll.
dd) Die Klägerin sieht einen Verfahrensfehler ferner darin (S 2, S 11 ff der Beschwerdebegründung), dass das LSG ihr erstes Gesuch (vom 27.4.2016) - von insgesamt drei Gesuchen (weiteren vom 17. und 19.5.2016) -, sämtliche Mitglieder des Berufungssenats wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, am 4.5.2016 unter Mitwirkung (gerade) dieser Richter als unzulässig verworfen und dadurch gegen ihr Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 S 2 GG) verstoßen habe. Selbst wenn das Gericht eine Verschleppungsabsicht unterstelle, dürften abgelehnte Richter bei der Ablehnungsentscheidung nicht mitwirken.
Mit diesem Vorbringen bezeichnet die Klägerin einen Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG; § 60 SGG iVm §§ 41 ff ZPO) nicht hinreichend. Eine Entscheidung über das Befangenheitsgesuch in der Besetzung mit den abgelehnten Richtern ist nach ständiger Rechtsprechung nur in den Fällen eines rechtsmissbräuchlichen oder sonst offensichtlich unzulässigen Ablehnungsgesuchs möglich (vgl BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - Juris RdNr 12; vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 60 RdNr 10c und 10d mwN). Insbesondere ist die Ablehnung eines gesamten Berufungssenats dann missbräuchlich, wenn das Ablehnungsgesuch nicht ausreichend individualisiert ist (vgl nur BSG SozR Nr 5 zu § 42 ZPO; siehe auch BVerfGE 72, 51, 59). Die Klägerin hätte (auch) in der Beschwerdebegründung aufzeigen müssen, weshalb und mit welcher Begründung gegen jedes einzelne Mitglied des Senats die Besorgnis der Befangenheit zu befürchten sei. Eine Besorgnis der Befangenheit ist nur dann gegeben, wenn ein objektiv vernünftiger Grund vorliegt, der den Beteiligten von seinem Standpunkt aus vernünftigerweise befürchten lassen kann, jeder der Richter werde nicht unparteiisch entscheiden (vgl BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 13). Es müssen daher Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung jedes der Richter gegen ablehnende Beteiligte oder auf Willkür eines jeden Richters beruhe (vgl BSG aaO). Daran fehlt es hier.
ee) Ein Mangel des Berufungsverfahrens soll schließlich darin liegen, dass ihr - der Klägerin - erster Antrag (vom 18.4.2016) auf Verlegung des auf den 20.5.2016 anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung mit Beschluss des Berufungssenats vom 19.4.2016 unter Hinweis darauf abgelehnt worden sei, die Vertretung im Termin könne durch einen anderen Rechtsanwalt der Sozietät erfolgen; Verhinderungsgründe seien somit nicht glaubhaft gemacht. Diese Ablehnung hält die Klägerin für "willkürlich und von gesetzlichen Zwängen keinesfalls gedeckt".
Eine - hier allein in Betracht kommende - Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) bezeichnet die Klägerin damit nicht in der gebotenen Weise. So legt sie schon nicht dar, warum ein solcher Verfahrensfehler anzunehmen sein soll, wenn sie doch mit ihrem zweiten Terminsverlegungsantrag (vom 19.5.2016) - wie sie selbst vorträgt - Erfolg gehabt und eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung (auf den 8.7.2016) erreicht hat.
b) Die Klägerin legt auch den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dar.
Die Klägerin wirft die Fragen auf,
"inwiefern sich die Berufungsentscheidung mit der erstinstanzlichen Entscheidung, insbesondere einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme auseinanderzusetzen hat" (S 14 der Beschwerdebegründung),
"ob und gegebenenfalls in welchem Umfange weitere Ermittlungen gegebenenfalls durchgeführt werden müssen zumindest dann, wenn erstinstanzlich schon erheblich vorgetragen und eine Beweisaufnahme durchgeführt wurde, also schon Ermittlungsergebnisse vorliegen" (S 16 der Beschwerdebegründung),
und
"was der Träger der Rentenversicherung im Hinblick auf die Beschäftigten darlegen muss, um die Voraussetzungen für eine Schätzung zu schaffen" (S 17 der Beschwerdebegründung).
Zur Erläuterung der letzten Frage weist sie darauf hin, dass eine Schätzung nach § 28 f SGB IV - aus ihrer Sicht - erst dann in Betracht komme, wenn feststehe, "wer überhaupt in welchem Zeitraum beschäftigt war" (S 16 der Beschwerdebegründung) und diese Voraussetzungen auch für eine Bürgenhaftung vorliegen müssten (S 17 der Beschwerdebegründung); die genannten Bedingungen seien nicht erfüllt.
Mit diesen Fragen nach Art und Umfang der (Kontroll-)Aufgabe eines Berufungsgerichts und der Prüfungsdichte im Berufungsverfahren sowie der Darlegungslast des Rentenversicherungsträgers im Verfahren der Betriebsprüfung bzw der hierauf folgenden Gerichtsverfahren stellt die Klägerin keine hinreichend konkreten Rechtsfragen, die in einem späteren Revisionsverfahren beantwortet werden könnten. Der Sache nach rügt sie mit diesem Vorbringen, dass die Berufungsentscheidung inhaltlich unrichtig sei und stellt ihr ihre (eigene) abweichende Ansicht gegenüber; hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) aber nicht gestützt werden. Jedenfalls substituiert sie mit diesen Grundsatzrügen die (Verfahrens-)Rügen einer Verletzung des § 103 S 1 und § 128 Abs 1 S 1 SGG, die eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht veranlassen können.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
4. Der Streitwert war für das Beschwerdeverfahren gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG in Höhe der vom LSG angenommenen und nicht bestrittenen Nachforderung festzusetzen.
Fundstellen
Dokument-Index HI10970513 |