Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachaufklärungspflicht. Beweisantrag. Vorweggenommene Beweiswürdigung. Somatoforme Schmerzstörung. Fibromyalgie
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Ablehnung eines Beweisantrages mit der Begründung, die von einem Gutachter festgestellte quantitative Leistungseinschränkung sei nicht nachvollziehbar, weil die Gutachterin die von der Klägerin in mehreren Fragebögen dokumentierten, rein subjektiven Schmerz- und Beschwerdeangaben unkritisch übernommen und überbewertet habe, verletzt die Sachaufklärungspflicht.
2. Schmerzerlebnis, Schmerzverhalten und Schmerzverarbeitung des Probanden müssen erfasst werden, wozu wissenschaftlich erarbeitete Fragebögen dienen; diese Angaben sind dann die Grundlage für die Beurteilung des Grades und des Ausmaßes der Symptomatik und deren konkrete Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben durch den Sachverständigen, wozu es veröffentlichte „Indizienlisten” und „Prüfkriterien” sowie in einem weiteren Schritt diverse Einstufungsraster gibt, die aber letztlich nicht die eigenständig zu verantwortende Leistungsbeurteilung durch einen mit der Problematik der Schmerzbegutachtung erfahrenen Sachverständigen ersetzen.
3. Rheumatologen können über die erforderlichen „fachübergreifenden” Erfahrungen hinsichtlich der Diagnostik und Beurteilung von Schmerzstörungen, z. B. der Fibromyalgie, verfügen; für die Qualifikation eines Gutachters kommt es nicht darauf an, ob er von Haus aus als Internist, Rheumatologe, Orthopäde, Neurologe oder Psychiater tätig ist.
4. Sich allein auf ein zwei Jahre altes Gutachten zu berufen, ist unzulässig, da das Gutachten veraltet sein kann, weil sich im Laufe der Zeit ein chronifiziertes Schmerzsyndrom herausgebildet haben könnte, das damals entweder noch nicht vorhanden gewesen sein oder noch keinen durch eigene Willensanstrengung nicht mehr kompensierbaren Krankheitswert erreicht haben könnte.
Normenkette
SGG §§ 103, 128 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. März 2002 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat mit Urteil vom 19. März 2002 die Berufung der ungelernten, im Jahre 1948 geborenen Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Reutlingen (SG) vom 26. Oktober 2000 mit der Begründung zurückgewiesen, der mit Antrag vom 9. Januar 1998 geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bestehe nicht, denn die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, ohne häufiges Bücken, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne Akkordarbeit und ohne Belastung durch Kälte, Zugluft und Nässe vorwiegend im Sitzen vollschichtig zu verrichten. Dieses Leistungsbild ergebe sich im Anschluss an die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten (des Sozialmediziners Dr. S. … vom 15. Mai 1998 mit Zusatzbegutachtung durch den Orthopäden Dr. d'O. … am 5. Mai 1998 und einer nervenärztlichen Zusatzbegutachtung durch Diplommediziner G. … am 6. Mai 1998) sowie die vom SG eingeholten Gutachten (Prof. Dr. A. …, Neurologe, Psychiater und Sozialmediziner, vom 11. März 1999 und des Orthopäden Dr. H. … vom 20. September 1999). Zudem habe der Sozialmediziner Dr. He. … für die Beklagte zur Überzeugung des Senats dargelegt, dass die während des Berufungsverfahrens durchgeführten radiologischen Untersuchungen des lumbalen Spinalkanals und der IS-Fugen keinen wesentlich krankhaften Befund erbracht hätten. Dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten der Internistin und Rheumatologin Dr. R. … vom 3. Dezember 2001, die ein chronisches Schmerzsyndrom in den Vordergrund des Beschwerdebildes gestellt habe und deswegen die Klägerin aus ihrer Erfahrung mit Fibromyalgie-Patienten nur noch für halbschichtig einsatzfähig halte, könne nicht gefolgt werden: Die von Dr. R. … bejahte quantitative Leistungseinschränkung sei nicht nachvollziehbar. Nach Auffassung des Senats habe die Gutachterin die von der Klägerin in mehreren Fragebögen dokumentierten, rein subjektiven Schmerz- und Beschwerdeangaben unkritisch übernommen und überbewertet. Sie habe darüber hinaus, worauf Dr. He. … zutreffend hingewiesen habe, als Internistin und Rheumatologin fachfremd geurteilt, da die Beurteilung von Schmerzzuständen vorwiegend in die Kompetenz des Nervenarztes falle. Anhaltspunkte dafür, dass insoweit seit der Begutachtung der Klägerin durch Prof. Dr. A. … eine weitere Verschlimmerung eingetreten sein könnte, seien nicht vorhanden. Eine schmerztherapeutische oder psychiatrische Behandlung finde nicht statt. Die Einholung weiterer Gutachten, wie von der Klägerin beantragt, sei deshalb nicht geboten.
Die nach § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Verfahrensmängel der Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) sowie des § 62 SGG (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG begründet die Klägerin damit, das LSG habe den mit Schriftsatz vom 12. März 2002 hilfsweise gestellten und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. März 2002 wiederholten Beweisantrag, „ein schmerztherapeuthisches, ggf psychiatrisches Gutachten einzuholen, zum Nachweis, dass sie in ihrer Leistungsfähigkeit, wie von Frau Dr. R. … im Gutachten vom 3. Dezember 2001 Seite 8 Ziff 2 b eingeschränkt ist und nicht in der Lage ist, diese Schmerzen durch eigene Willensanstrengung zu kompensieren, da ein chronifiziertes, schweres Schmerzsyndrom vorliegt” ohne hinreichende Begründung abgelehnt. Gegenüber dem Vorgutachten Prof. Dr. A. … vom 11. März 1999 habe Dr. R. … mehr als zwei Jahre später eine Verschlimmerung im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung festgestellt, deren Art und Ausmaß durch die beantragte weitere Fachbegutachtung hätte abgeklärt werden müssen, falls sich das LSG der Gutachterin nicht anschließe. Den Beweisantrag hätte das LSG nicht mit der Begründung übergehen dürfen, die subjektiven Schilderungen der Klägerin seien nicht nachvollziehbar, denn andere Beurteilungsmaßstäbe als das subjektive Empfinden, worauf Dr. R. … abgestellt habe, gebe es mit Blick auf die Empfehlungen zur Schmerzbegutachtung der Arbeitsgemeinschaft für neurologische Begutachtung (ANB e.V.) der deutschen Gesellschaft für Neurologie nicht. Danach vermöge der Gutachter nur durch eine umfassende und zeitlich umfangreiche Befragung des Probanden eine nachvollziehbare und zutreffende Beurteilung abzugeben, bei der Aussagen zur Konsistenz und Plausibilität der geklagten Schmerzen und der dadurch hervorgerufenen Beeinträchtigungen im Vordergrund stünden. Prof. Dr. A. … habe sich mit dieser Problematik nicht ausreichend befasst, eine psychotherapeutisch-psychosomatische Begutachtung mit psychosomatischer Befunderhebung habe nicht stattgefunden. Auf die Stellungnahme des Prüfarztes Dr. He. … vom 25. Januar 2002 habe sich das LSG nicht stützen dürfen, im Gegenteil es hätte sich gedrängt fühlen müssen, die beantragte Begutachtung durchzuführen. Denn Dr. He. … habe ausgeführt, dass die Begutachtung des Schmerz- sowie des Fibromyalgiesyndroms zur anerkannten Domäne des in diesen Belangen erfahrenen nervenärztlichen sozialmedizinischen Gutachters falle und man nur dann zu besser reproduzierbaren Ergebnissen komme, wenn Internisten und Rheumatologen zwar in die Würdigung solcher Phänomene bis zur diagnostischen Abklärung integriert würden, aber dann die wesentliche Leistungsbeurteilung, die sozialmedizinische Analyse, die Ableitung des positiven Restleistungsvermögens, in die Hände von in diesen Dingen erfahrenen sozialmedizinischen Gutachtern, mit der Gewichtung Psychiatrie, gelegt werde. Durch die beantragte Begutachtung wären die Leistungseinschränkungen der Klägerin objektiv festgestellt worden. Das Urteil des LSG beruhe auf einem Unterlassen der weiteren notwendigen Aufklärung.
Im Übrigen beruhe es auch – hinsichtlich der weiteren Begründung für die Ablehnung des Beweisantrags – auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Klägerin sei von der Feststellung des LSG überrascht, es liege seit der Untersuchung durch Prof. Dr. A. … im März 1999, entgegen den Feststellungen im Gutachten Dr. R. …, keine Verschlimmerung vor, weil eine schmerztherapeutische oder psychiatrische Behandlung nicht stattfinde. Hierauf hätte das LSG hinweisen müssen. Wäre der Hinweis erfolgt, hätte sie den Nachweis einer ständigen Schmerztherapie geführt.
Eine Äußerung der Beklagten zur Beschwerdebegründung liegt nicht vor.
Entscheidungsgründe
II
Die rechtzeitig eingelegte und begründete Beschwerde der Klägerin ist zulässig, denn sie macht mit einem schlüssigen Vortrag (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) einen Verfahrensmangel geltend, auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG).
Die Beschwerde ist auch begründet, denn der gerügte Verfahrensmangel der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) liegt vor. Auf ihm beruht das Urteil des LSG. Er führt nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur dann zur Zulassung der Revision, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. So war es hier, denn die Klägerin hat einen formell gültigen Beweisantrag (zu den Kriterien Fichte, SGb 2000, 653, 655 f) gestellt und diesen in der mündlichen Verhandlung wiederholt. Unabhängig von der Begründung des LSG für die Ablehnung des Beweisantrags hat das LSG durch das Unterlassen der beantragten Beweisaufnahme § 103 SGG verletzt, denn es bestand zum Zeitpunkt seiner Entscheidung kein objektiv ausreichender Grund, die beantragte Beweiserhebung zu unterlassen, vielmehr hätte es sich aus seiner Sicht gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben.
Dem steht nicht die im Vordergrund stehende, als (ggf fehlerhafte) Beweiswürdigung formulierte Begründung des LSG für die Ablehnung des Beweisantrags entgegen, wonach die von Dr. R. … festgestellte quantitative Leistungseinschränkung nicht nachvollziehbar sei, weil die Gutachterin nach Auffassung des Senats die von der Klägerin in mehreren Fragebögen dokumentierten, rein subjektiven Schmerz- und Beschwerdeangaben unkritisch übernommen und überbewertet habe. Denn eben diese Bedenken sollten durch die beantrage Beweisaufnahme verifiziert oder ausgeschlossen werden. Das LSG hat mit dieser Würdigung das Ergebnis der beantragten Beweisaufnahme vorweggenommen und damit nicht nur gegen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG – dessen isolierte Verletzung nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht zur Zulassung der Revision führen könnte – sondern auch gegen § 103 SGG verstoßen (vgl Senatsentscheidungen vom 31. Juli 1975 – 5 BJ 28/75 – SozR 1500 § 160 Nr 5 mit der Modifikation durch die Entscheidung vom 19. April 1983 – 5b BJ 334/82 – SozR 1500 § 160 Nr 49).
Die Klägerin beanstandet unter Berufung auf die Empfehlungen der ANB e.V. zu Recht, dass die laienhafte eigene Klassifizierung der Angaben der Klägerin in den (standardisierten) Fragebögen, die dem Gutachten Frau Dr. R. … beigefügt waren, als „rein subjektiv” sowie der daraus abgeleitete Vorwurf, die Gutachterin habe jene Angaben „unkritisch übernommen und überbewertet” und zur Grundlage ihrer Leistungsbeurteilung gemacht, mit den heutigen wissenschaftlichen Standards für die Begutachtung von Patienten mit einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10: F45.4) nicht zu vereinbaren sei (vgl auch Empfehlungen für die sozialmedizinische Beurteilung psychischer Störungen, VDR, 2001, Seiten 44 – 47). Selbstverständlich dürfen die Eigenangaben des Probanden nicht überbewertet und zum alleinigen Kriterium der Beurteilung gemacht werden. Andererseits müssen stets Schmerzerlebnis, Schmerzverhalten und Schmerzverarbeitung des Probanden erfasst werden, wozu wissenschaftlich erarbeitete Fragebögen (idR mit Kontrollfragen zum Ausschluss von Aggravation, Simulation aber auch Dissimulation) dienen, wie zB die von der Gutachterin verwandten Fragebögen SF-36 Health Survey und von Zerssen-Skala oder psychometrische Testbögen wie der Pain Disability Index (PDI), die Allgemeine Depressionsskala (ADS) oder der Deutsche Schmerzfragebogen (DSF). Diese Angaben sind dann die Grundlage für die Beurteilung des Grades und des Ausmaßes der Symptomatik und deren konkrete Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben durch den Sachverständigen, wozu es veröffentlichte (positive wie negative) „Indizienlisten” und „Prüfkriterien” sowie in einem weiteren Schritt diverse Einstufungsraster (zB Beeinträchtigungs-Schwere-Score ≪BSS≫ oder das Mainzer Stadienmodell der Schmerzchronifizierung ≪MPSS≫) gibt, die aber letztlich nicht die eigenständig zu verantwortende Leistungsbeurteilung durch einen mit der Problematik der Schmerzbegutachtung erfahrenen Sachverständigen ersetzen (vgl jeweils mwN Foerster ≪Begutachtung von Patienten mit chronischen Schmerzen aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht≫, MedSach 02, 152; Häuser ≪Parameter zur Beurteilung der Probanden mit chronischen Schmerzsyndromen in der sozialgerichtlichen Begutachtung≫, MedSach 02, 157; Raspe ≪Mindestanforderungen an das ärztliche Gutachten zur erwerbsbezogenen Leistungsfähigkeit von Kranken mit chronisch-unspezifischen Schmerzen≫, Versicherungsmedizin 97, 118; Hausotter ≪Begutachtung chronischer Schmerzen≫, MedSach 96, 125; Widder/Aschoff ≪Somatoforme Störungen und Rentenantrag: Erstellen einer Indizienliste zur quantitativen Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens≫, MedSach 95, 14). Gemessen an diesen Kriterien ist das ausdrücklich als internistisch-rheumatologisches Fachgutachten bezeichnete Gutachten von Dr. R. … ohne Zweifel unvollständig, es hätte jedoch Anlass zu weiterer Sachaufklärung geben müssen. Denn die Gutachterin stellt ein nunmehr eingetretenes schwer chronifiziertes Schmerzsyndrom in den Vordergrund der Leistungsbeeinträchtigung, wobei ihre Fachdiagnose, gerade wegen der angeführten Erfahrung mit Schmerzpatienten sowie den Fragebogen-Erhebungen nicht ohne weiteres als unqualifizierte und unkritische Übernahme subjektiver Schmerzangaben der Klägerin abgewertet werden darf. Dem Beweisantrag, der auf diese weitere Abklärung abzielt, hätte deshalb gefolgt werden müssen.
Die Meinung des LSG, das Gutachten Dr. R. … gebe deshalb keinen Anlass zur weiteren Sachaufklärung, weil diese als Internistin und Rheumatologin fachfremd geurteilt habe und die Beurteilung von Schmerzzuständen vorwiegend in die Kompetenz des Nervenarztes falle, ist objektiv unzutreffend. Rheumatologen können durchaus, wie von der Sachverständigen dargelegt, über die erforderlichen „fachübergreifenden” Erfahrungen hinsichtlich der Diagnostik und Beurteilung von Schmerzstörungen, zB der Fibromyalgie, verfügen. Für die Qualifikation eines Gutachters kommt es nicht darauf an, ob er von Haus aus als Internist, Rheumatologe, Orthopäde, Neurologe oder Psychiater tätig ist (vgl mit weiteren umfassenden Nachweisen aus der Fachliteratur Breckner/Herbold/Nauerz/Rudelitz/Schwander, MedSach 98, 2002, 22; Hausotter, MedSach 96, 2000, 132; Schneider/Henningsen/Rüge, Sozialmedizinische Begutachtung in Psychosomatik und Psychotherapie, 2001, 103 f). In diesem Zusammenhang kann sich das LSG auch nicht auf die Stellungnahmen des Allgemeinmediziners, Sozialmediziners und Sportarztes Dr. He. … berufen. Er hat in der ergänzenden Stellungnahme vom 25. Januar 2002 zum diagnostizierten Schmerzsyndrom und der darauf fußenden Leistungsbeurteilung ausgeführt, Frau Dr. R. … „überinterpretiere die beschriebene Befund- und Beschwerdesituation”, ihr Gutachten „falle deshalb durch”, weil nicht genau dargelegt sei, weshalb gegenüber den Vorgutachten eine andere Bewertung erfolge. Frau Dr. R. … hat aber ausgeführt, dass das chronifizierte Schmerzsyndrom, das sich quasi verselbstständigt habe, bezüglich der Rückenproblematik nicht ausreichend gewürdigt werde. Im Anschluss daran machte sie – zur näheren Erläuterung – grundlegende Ausführungen zum Thema Schmerz und dessen Begutachtung. Im Übrigen spricht Dr. He. … der Gutachterin keinesfalls die Fachkompetenz ab, sondern meint, Internisten und Rheumatologen seien in die Begutachtung zu integrieren, die abschließende Beurteilung sollte aber besser einem nervenärztlichen sozialmedizinischen Gutachten mit der Gewichtung Psychiatrie vorbehalten werden – also ganz im Sinne der beantragten Beweisaufnahme.
Allein auf das zwei Jahre vor dem Termin eingeholte Gutachten des Neurologen, Psychiaters und Sozialmediziners Prof. Dr. A. … vom 11. März 1999 konnte sich das LSG nicht mehr berufen. Das Gutachten kann veraltet sein, weil sich, was zu ermitteln gewesen wäre, im Laufe der Zeit ein chronifiziertes Schmerzsyndrom herausgebildet haben könnte, das damals entweder noch nicht vorhanden gewesen sein oder noch keinen durch eigene Willensanstrengung nicht mehr kompensierbaren Krankheitswert erreicht haben könnte. Auch Prof. Dr. A. … hatte testpsychologische Untersuchungen durchgeführt (MWTB, von Zerssen-Skala, Zug-Depressions-Selbstbeurteilungsskala, Schmerzzeichnung), hatte jedoch damals im psychiatrischen Bereich keine leistungseinschränkende Erkrankung feststellen können. Lediglich eine gewisse Verdeutlichungstendenz war für ihn nachvollziehbar und zu akzeptieren, eine depressive Erkrankung war nach Meinung Prof. Dr. A. … aber weder subjektiv noch objektiv vorhanden. Die Bewertung der umschriebenen Kreuzschmerzen hatte er deshalb im Hinblick auf die Leistungsbeurteilung ausschließlich dem orthopädischen Fachgebiet zugeordnet und die Klägerin trotz der „chronifizierten Lumbago” für vollschichtig einsatzfähig gehalten. Soweit das Beschwerdebild allein aus dem somatischen Bereich nicht zu erklären war, war er davon ausgegangen, dass die Klägerin in eigener Anstrengung und mit Hilfe der behandelnden Ärzte einen wesentlichen Teil der Beschwerden überwinden könne. Das Bild eines verselbstständigten, chronifizierten Schmerzsyndroms mit wesentlichen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben hatte er damals nicht gezeichnet.
Wenigstens hätte deshalb das LSG, ehe es eine endgültige Entscheidung trifft, diesem Sachverständigen das Gutachten Dr. R. … zur Stellungnahme, ggf verbunden mit der Aufforderung zu einer Nachuntersuchung der Klägerin, zuleiten müssen.
Ob das LSG auch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt hat, kann dahingestellt bleiben.
Da die Zulassung der Revision nur zu einer weiteren Verfahrensverzögerung und zu weiteren Kosten führen würde, macht der Senat von der durch § 160a Abs 5 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen