Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Rahmengebühr im isolierten Vorverfahren. Mitwirkung des Bevollmächtigten bei der Erledigung der Rechtssache
Orientierungssatz
Die Rahmengebühr des Bevollmächtigten für seine Tätigkeit im isolierten Vorverfahren wird nur dann nach § 116 Abs 3 BRAGebO erhöht, wenn er - wie hier - daran mitgewirkt hat, daß sich die Rechtssache durch beiderseitiges Nachgeben erledigt hat (vgl BSG vom 9.8.1995 - 9 RVs 7/94).
Normenkette
BRAGebO § 116 Abs. 3 S. 2, §§ 23-24; SGB 10 § 63; BRAGebO § 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin für ein Widerspruchsverfahren zu erstattenden Kosten ihres Rechtsbeistandes. Die Klägerin hatte wegen weiterer Behinderungen die Neufeststellung ihres bis dahin anerkannten Grades der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertengesetz von 50 beantragt, was zunächst von der Versorgungsverwaltung mit Bescheid vom 21. August 1992 abgelehnt wurde. Dem durch eine Rentenberaterin dagegen eingelegten Widerspruch, dem eine Liste von in der Vergangenheit erstellten Gutachten und Untersuchungen sowie Befundunterlagen des behandelnden HNO-Arztes beigefügt waren, half die Versorgungsverwaltung nach Beiziehung von Befundberichten, Befundunterlagen und Gutachten aus anderen Verfahren mit Bescheid vom 21. Oktober 1993 ab und erhöhte den GdB unter Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Behinderung auf 70. Ferner stellte sie die Voraussetzungen für das Merkzeichen RF fest. Die Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen G wurde hingegen abgelehnt. In dem Bescheid übernahm der Beklagte außerdem die notwendigen Kosten der Klägerin zu 3/4 und erklärte die Beiziehung eines Rechtsbeistandes für notwendig. Daraufhin erklärte die damalige Bevollmächtigte der Klägerin, daß die Angelegenheit durch den Abhilfebescheid erledigt sei. Mit ihrer Gebührenrechnung machte sie die Kosten für das Widerspruchsverfahren geltend, indem sie die Rahmengebühr des § 116 Abs 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGebO) gemäß Abs 3 dieser Vorschrift um 50 % erhöhte, im Hinblick auf das im Vergleich zum Klageverfahren geringer zu bewertende Widerspruchsverfahren nur 2/3 des erhöhten Gebührenrahmens veranschlagte und innerhalb dieses Rahmens die Mittelgebühr mit 556,67 DM errechnete. Davon machte sie unter Hinzurechnung von Nebenkosten entsprechend der Kostenübernahmeerklärung des Beklagten 3/4 geltend, insgesamt 532,74 DM. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. Oktober 1993 erklärte der Beklagte lediglich 380,40 DM für erstattungsfähig, indem er die Berechtigung der Bevollmächtigten der Klägerin zur Ansetzung des nach § 116 Abs 3 BRAGebO erhöhten Gebührenrahmens bestritt. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 1994) und Klage (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 29. August 1994) blieben erfolglos. Auf die zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) den Beklagten verurteilt, der Klägerin weitere 152,34 DM zu erstatten. Es hat die Auffassung vertreten, daß der Ansatz der erhöhten Rahmengebühr nach § 116 Abs 3 BRAGebO deshalb gerechtfertigt sei, weil die Bevollmächtigte der Klägerin durch die Einreichung umfangreicher ärztlicher Unterlagen dem Beklagten sonst erforderlich gewordene eigene Untersuchungen erspart habe.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Beklagte geltend, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und das Urteil des LSG von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abweiche.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), nachdem das BSG spätestens mit der Entscheidung vom 9. August 1995 - 9 RVs 2/94 - im Anschluß an den Beschluß vom 13. Dezember 1994 - 9 BVs 48/94 - (AnwGeb 1995, 65) die Voraussetzungen, unter denen bei einer Erledigung des Verfahrens durch Abhilfebescheid im Widerspruchsverfahren die Ansetzung der erhöhten Rahmengebühr nach § 116 Abs 3 BRAGebO gerechtfertigt ist, geklärt hat. Danach kommt der Ansatz des erhöhten Gebührenrahmens nur in Betracht, wenn der Streit zwischen den Beteiligten ohne Anrufung des Gerichts dadurch erledigt worden ist, daß sie gegenüber ihren ursprünglichen Rechtsstandpunkten nachgegeben haben. Es muß der Sache nach eine Erledigung vorliegen, die einen förmlichen Vergleich ersetzt. Der förmliche Vergleich erfüllt die Voraussetzung des § 23 BRAGebO und führt zu einer Erhöhung der Rahmengebühr gemäß § 116 Abs 3 BRAGebO; § 24 BRAGebO will allein der Tatsache Rechnung tragen, daß in Verwaltungsverfahren eine außergerichtliche Streitbeilegung häufig nicht durch förmlichen Vergleich stattfindet, sondern durch Teilabhilfebescheid auf seiten der Verwaltung und durch den Verzicht auf weitere Rechtsverfolgung seitens des Antragstellers. In den Fällen der §§ 23 und 24 BRAGebO ist die Mühewaltung des Bevollmächtigten bei der außergerichtlichen Streitbeilegung, die das Gesetz besonders honoriert, vergleichbar. Entgegen der Auffassung des LSG reicht allein die besonders sorgfältige und aufwendige Widerspruchsbegründung nicht aus, die erhöhte Rahmengebühr auszulösen.Diese besondere Mühewaltung wird durch die einfache Rahmengebühr nach § 116 Abs 1 BRAGebO erfaßt. Innerhalb dieses Gebührenrahmens kann der Bevollmächtigte der besonderen Schwierigkeit oder der besonderen Mühewaltung auf seiner Seite dadurch Rechnung tragen, daß er im Einzelfall mit entsprechender Begründung eine höhere Gebühr als die Mittelgebühr ansetzt (§ 12 BRAGebO).
Mit seiner abweichenden Auffassung weicht das LSG vom Urteil des Senats vom 9. August 1995 - 9 RVs 2/94 - ab, das allerdings erst nach der Entscheidung des LSG ergangen ist und von diesem nicht berücksichtigt werden konnte. In einem solchen Fall kann sich der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung in den Zulassungsgrund der Divergenz wandeln, ohne daß dies innerhalb der Frist zur Begründung der Beschwerde geltend gemacht werden muß (vgl BVerwG, Buchholz 310, § 132 VwGO Nr 6; Nr 43, Nr 49, Nr 230 und Nr 240; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, RdNr 173).
Die Revision ist dennoch nicht wegen Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG zuzulassen, da die angefochtene Entscheidung nicht auf der Divergenz beruht. Sie erweist sich auch unter Berücksichtigung der abweichenden Rechtsprechung des BSG als im Ergebnis zutreffend. Denn der Ansatz der erhöhten Rahmengebühr nach § 116 Abs 3 BRAGebO war jedenfalls deshalb gerechtfertigt, weil die Beteiligten sich in der Sache durch Vergleich geeinigt haben. Die Versorgungsverwaltung ist dem Begehren der Klägerin durch die Anerkennung weiterer Behinderungen und eines höheren GdB sowie der Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen RF entgegengekommen. Die Klägerin hat ihrerseits auf die weitere Geltendmachung des Merkzeichens G verzichtet. Der Beklagte hat der in der Sache einen Vergleich darstellenden Regelung dadurch Rechnung getragen, daß er die außergerichtlichen Kosten der Klägerin nur in Höhe von 3/4 und nicht voll übernahm. Die Klägerin ist dem nicht entgegengetreten.
Ein Urteil, das auf die Revision in der Sache nur bestätigt werden konnte, kann allein wegen der darin geäußerten abweichenden Rechtsauffassung nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BVerwG, Buchholz 310, § 132 VwGO Nr 11; Meyer-Ladewig, SGG, § 160 RdNr 14; Kummer, aaO, RdNr 168). Die erforderliche Klarstellung der Rechtslage erfolgt mit diesem Beschluß.
Die Kostenentscheidung entspricht § 193 SGG.
Fundstellen