Verfahrensgang
SG Hannover (Entscheidung vom 09.09.2015; Aktenzeichen S 18 VE 16/) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 28.03.2019; Aktenzeichen L 10 VE 58/15) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. März 2019 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt höhere Rentenleistungen nach dem Gesetz über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen (AntiDHG).
Bei der Klägerin ist als Schädigungsfolge einer Anti-D-Immunprophylaxe in der ehemaligen DDR im Jahr 1978 eine chronische Hepatitis-C-Infektion anerkannt (Bescheid vom 9.6.2009). Ihren Überprüfungsantrag lehnte der Beklagte nach medizinischen Ermittlungen ab, weil die erfolgreich behandelte und ausgeheilte chronische Hepatitis-C-Infektion keine Schädigungsfolgen mehr verursache (Bescheid vom 21.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 30.5.2012).
Der Beklagte hat im Verfahren vor dem SG lediglich einen Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30 für die Zeit vom 14.11.2007 bis 29.2.2008 sowie von 40 für die Zeit vom 1.3.2008 bis 28.2.2010 anerkannt. Das SG hat ihn nach medizinischer Beweiserhebung antragsgemäß zur Gewährung weiterer finanzieller Hilfen nach § 3 AntiDHG für die Zeit ab dem 14.11.2007 nach einem GdS in unterschiedlicher Höhe, zuletzt von 30, verurteilt (Urteil vom 9.9.2015).
Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG nach zusätzlichen medizinischen Ermittlungen das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung weiterer finanzieller Hilfen. Für die Zeit nach dem 28.2.2010 lasse sich kein GdS mehr feststellen. Die fortbestehende Leberfibrose der Klägerin ohne entzündliche Aktivität und ohne Komplikationen führe zu keinem höheren GdS als 10. Ein chronisches Fatigue-Syndron und eine Depression als Folge der Leberentzündung seien nicht nachgewiesen. Bei ihr liege eine leicht ausgeprägte, mehrdimensionale psychosomatische Störung vor, die nicht mehr ursächlich auf die Infektion zurückzuführen sei. Vielmehr stellten die rechtliche Auseinandersetzungen infolge der Schädigung für die Klägerin einen relevanten Konflikt dar, der gut geeignet sei, die vorliegende reaktive seelische Störung zu begründen. Selbst eine Kausalität der Infektion für ihre fortbestehende psychische Störung unterstellt, rechtfertige diese keinen GdS in rentenberechtigender Höhe (Urteil vom 28.3.2019).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe seine Amtsermittlungspflicht sowie ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung vom 7.6.2019 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die allein behaupteten Verfahrensmängel der Verletzung der Amtsermittlungspflicht und des rechtlichen Gehörs nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Die Klägerin hat keine Verletzung der Amtsermittlungspflicht dargelegt. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung oder des schriftlichen Verfahrens aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist.
Diese Darlegungen enthält die Beschwerde nicht. Die Klägerin trägt vor, sie habe mit Schriftsatz vom 16.1.2019 hilfsweise einen Antrag auf Anhörung des Sachverständigen Dr. H. und/oder Frau Prof. Dr. W. "nach § 109 SGG" gestellt. Auf eine Verletzung von § 109 SGG kann indes die Verfahrensrüge nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG unter keinen Umständen - weder unmittelbar noch mittelbar - gestützt werden. Ein mit dieser Vorschrift begründeter Antrag enthält auch nicht automatisch einen Beweisantrag nach § 103 SGG. Vielmehr können rechtskundig vertretene Beteiligte wie die Klägerin mit der Behauptung, ihr Antrag nach § 109 SGG habe zugleich auf eine weitere Beweiserhebung von Amts wegen abgezielt, nur gehört werden, wenn sie dies bei der Antragstellung eindeutig zum Ausdruck gebracht haben (Senatsbeschluss vom 21.6.2016 - B 9 V 18/16 B - juris RdNr 11 mwN). Dies legt die Klägerin nicht dar. Nach ihrem eigenen Vortrag hat sie vielmehr ausdrücklich lediglich eine Beweiserhebung "nach § 109 SGG" beantragt. Zudem hat sie eine Befragung der von ihr benannten Sachverständigen nur für den Fall beantragt, dass das Gericht sich außerstande sehen würde, deren gutachterlichen Feststellungen im Sinne des klägerischen Vortrags zu folgen. Ein derart - durch das nur umschriebene Ergebnis einer Beweiswürdigung des Gerichts - bedingter Beweisantrag bringt aber nicht hinreichend deutlich den Willen zum Ausdruck, auf eine Beweiserhebung von Amts wegen zu bestehen. Die fehlende Unbedingtheit des Beweisbegehrens wird belegt durch die von der Beschwerde referierte Rückfrage des LSG zum Schriftsatz vom 16.1.2019, es sei derzeit nicht ersichtlich, was die Klägerin konkret begehre.
Ebenso wenig hat die Beschwerde einen hinreichend bestimmten Beweisantrag bezeichnet durch ihren Hinweis auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 14.12.2018. Darin wird ausgeführt, das Gericht müsse entscheiden, ob es die durch den Beklagten geforderte weitere Aufklärung des Sachverhalts mittels einer Positronen-Emissions-Tomographie (PET) nach § 103 SGG für erforderlich halte. Darin liegt allenfalls eine unverbindliche Beweisanregung.
Unabhängig davon hat die Klägerin jedenfalls nicht dargelegt, ein Beweisbegehren bis zum Schluss des Berufungsverfahrens aufrechterhalten und so die Warnfunktion des Beweisantrags aktiviert zu haben. Hierfür hätte ihr Beweisantrag entweder in der mündlichen Verhandlung protokolliert worden oder im Berufungsurteil aufgeführt sein müssen (vgl Senatsbeschluss vom 12.10.2017 - B 9 V 32/17 B - juris RdNr 7 mwN). Daran fehlt es. Die Klägerin führt selber aus, ihr Beweisantrag sei nicht protokolliert worden; das Urteil erwähnt ihn danach nicht.
2. Ebenso wenig dargetan hat die Klägerin die in diesem Zusammenhang behauptete Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG). In dieser Hinsicht rügt sie, das LSG habe den Beteiligten seine beabsichtigte Beweiswürdigung nicht vorab mitgeteilt und dadurch ihren Beweisantrag vereitelt. Indes ersetzt eine Gehörsrüge nicht die Darlegungen, welche eine erfolgreiche Rüge der Verletzung von § 103 SGG erfordert (BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - juris RdNr 12 mwN). Auch im Übrigen hat die Klägerin mit ihrem Vortrag ohnehin keine Gehörsverletzung dargelegt. Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Prozessgericht nicht stets, die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte vorher mit den Beteiligten zu erörtern. Selbst wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss ein Verfahrensbeteiligter vielmehr alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte und Tatsachenwertungen von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen. Insbesondere ein Kollegialgericht ist regelmäßig nicht verpflichtet, seine (vorläufige) Rechtsauffassung aufzudecken und erst recht nicht, bei einer Erörterung der Sach- und Rechtslage bereits seine endgültige Beweiswürdigung mitzuteilen (Senatsbeschluss vom 2.12.2015 - B 9 V 12/15 B - juris RdNr 19 mwN). Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, warum diese Grundsätze in ihrem Fall ausnahmsweise nicht gelten sollten. Insbesondere legt sie nicht dar, dass das LSG seine Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt hätte, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte und auf den das LSG deshalb die Beteiligten hätte hinweisen müssen. Allein der Umstand, dass das Berufungsgericht nicht der Beweiswürdigung des SG, sondern den im Berufungsverfahren von Amts wegen eingeholten Gutachten folgen will, begründet keine Überraschungsentscheidung. Auf dem Boden der maßgeblichen Rechtsansicht des LSG waren seine Aufklärungsversuche auch nicht gescheitert, wie die Klägerin meint, sondern erfolgreich abgeschlossen, weshalb es auch insoweit keines rechtlichen Hinweises bedurfte.
Ebenfalls nicht dargelegt hat die Klägerin eine Verletzung ihres Fragerechts nach § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO an die zuvor auch auf ihren Antrag nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen. Dazu hätte sie aufzeigen müssen, rechtzeitig sachdienliche Fragen aufgeworfen und vor allem den Antrag auf Anhörung bis zur mündlichen Verhandlung aufrechterhalten zu haben (vgl Senatsbeschluss vom 27.9.2018 - B 9 V 14/18 B - juris RdNr 12 ff). Einen solchen unbedingten, bis zum Schluss aufrechterhaltenen Antrag auf Sachverständigenanhörung hat die Klägerin, wie ausgeführt, nicht bezeichnet.
Schließlich können auch ihre Angriffe auf die Beweiswürdigung der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG von vornherein nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann. Nichts anderes gilt für die Kritik an der vermeintlich falschen Rechtsanwendung des Berufungsgerichts insbesondere durch seine Auslegung der versorgungsmedizinischen Grundsätze. Die Klägerin rügt damit der Sache nach nur einen in Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unerheblichen Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall (BSG Beschluss vom 12.12.2014 - B 10 ÜG 15/14 B - juris RdNr 7 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13613610 |