Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Umdeutung von unzulässigen Rechtsmitteln in zulässige Rechtsmittel

 

Orientierungssatz

Die Umdeutung eines unzulässigen Rechtsmittels in ein zulässiges scheidet grundsätzlich aus. Dies gilt insbesondere, wenn - wie im sozialgerichtlichen Verfahren - das einzulegende Rechtsmittel in der Rechtsmittelbelehrung genannt ist. Denn durch diese Belehrung sind Irrtümer oder Verwechslungen bei der Bezeichnung des Rechtsmittels weitgehend ausgeschlossen. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Rechtsmittelkläger rechtskundig vertreten ist (vgl BSG vom 20.5.2003 - B 1 KR 25/01 R = SozR 4-1500 § 158 Nr 1).

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Stuttgart (Entscheidung vom 07.11.2005; Aktenzeichen S 5 R 2987/05)

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.04.2006; Aktenzeichen L 9 R 5031/05)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Revisionsverfahren vor dem Bundes-sozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt bei-zuordnen, wird abgelehnt.

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. April 2006 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger hat mit einem von ihm unterzeichneten Schreiben vom 24. Mai 2006 Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 11. April 2006 eingelegt und gleichzeitig "Prozesskostenhilfe (Rechtsanwaltskosten) für das Revisionsverfahren" beantragt. Dieses Schreiben ist am 26. Mai 2006 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 Zivilprozessordnung kann einem Beteiligten für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe nur dann bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall.

Eine Revision gegen das Urteil des LSG ist nicht statthaft, weil sie weder vom Berufungsgericht noch durch einen Beschluss des BSG nach einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 SGG zugelassen worden ist (§ 160 Abs 1 SGG). Hierauf ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des LSG-Urteils ausdrücklich hingewiesen worden; danach kann als Rechtsmittel zum BSG allein eine Nichtzulassungsbeschwerde und diese wirksam nur durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 166 Abs 1 SGG) innerhalb der Rechtsmittelfrist eingelegt werden.

Auch wenn der Kläger mit seiner Revisionsschrift zu erkennen gibt, dass er sich gegen das Urteil des LSG wenden möchte, so ist eine Auslegung oder Umdeutung seines Schriftsatzes vom 24. Mai 2006 dahingehend, dass er das allein zulässige Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde hat einlegen wollen, nicht möglich.

Eine Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn die abgegebene Erklärung mehrdeutig und damit auslegungsfähig ist. Für eine diesbezügliche Auslegung des Schriftsatzes des Klägers ist kein Raum, weil ausdrücklich und allein die Einlegung der Revision ausgesprochen wird und auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe allein für die Durchführung des Revisionsverfahrens beantragt worden ist. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Revisionsschrift kann nicht davon ausgegangen werden, dass das beabsichtigte Rechtsmittel vom Kläger nur unzulänglich formuliert worden ist.

Eine Umdeutung der Revisionsschrift in eine statthafte Nichtzulassungsbeschwerde ist ebenfalls nicht möglich. Die Umdeutung eines unzulässigen Rechtsmittels in ein zulässiges scheidet grundsätzlich aus. Dies gilt insbesondere, wenn - wie im sozialgerichtlichen Verfahren - das einzulegende Rechtsmittel in der Rechtsmittelbelehrung genannt ist. Denn durch diese Belehrung sind Irrtümer oder Verwechslungen bei der Bezeichnung des Rechtsmittels weitgehend ausgeschlossen. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Rechtsmittelkläger rechtskundig vertreten ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 1).

Mangels Statthaftigkeit der Revision ist diese ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG). Es ist Sache des Klägers zu prüfen, ob ihm zum jetzigen Zeitpunkt noch die Möglichkeit offen steht, das an sich statthafte Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Hierzu sei auf die dem Berufungsurteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15073849

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