Entscheidungsstichwort (Thema)

Klärungsbedürftige Rechtsfrage

 

Orientierungssatz

Zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage, weshalb sich der JAV bei einem in der Landwirtschaft erlittenen Arbeitsunfall grundsätzlich nach den jeweils festgesetzten Durchschnittssätzen bestimmt.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3; RVO § 780 Abs 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 07.12.1988; Aktenzeichen L 3 U 678/88)

 

Gründe

Der Kläger ist mit seinem Begehren, Dauerrente unter Zugrundelegung seines tatsächlichen, durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienstes (JAV) zu erhalten, ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 1986; Urteile des Sozialgerichts -SG- vom 21. April 1988 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 7. Dezember 1988). Das LSG hat entschieden, der Kläger habe als landwirtschaftlicher Unternehmer lediglich Anspruch auf Verletztenrente, die nach einem auf Durchschnittssätzen beruhenden JAV berechnet werde. Diese in § 780 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) enthaltene Regelung verstoße nicht gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG).

Mit seiner hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Zu klären sei die Frage, ob das in der Sozialversicherung allgemein gültige Versicherungsprinzip verletzt sei, wenn sich die Leistung nicht an der Höhe der Beiträge und der individuellen wirtschaftlichen Betroffenheit des Versicherten orientiere, sondern an Durchschnittssätzen. Ferner sei grundsätzlich bedeutsam, ob § 780 Abs 1 RVO gegen Art 3 Abs 1 GG verstoße. Seiner Ansicht nach sei der Gleichheitssatz in eklatanter Weise verletzt, wenn die Gruppe der Landwirte mit eher bescheidener wirtschaftlicher Grundlage und dementsprechend geringen Beiträgen dieselben Leistungen erhalte wie die Gruppe von Landwirten, die - wie er - zu den Spitzenverdienern gehörten.

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Erfordernissen. Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird (vgl Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, RdNr 84 mwN). Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSG Beschluß vom 9. Dezember 1988 - 2 BU 97/88 -). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, welcher die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint. Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführungen. Insbesondere hat sich der Beschwerdeführer nicht mit den - auch vom LSG zitierten - Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) auseinandergesetzt, in denen der 8. Senat des BSG unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte sowie den Sinn und Zweck der §§ 780 ff RVO dargelegt hat, weshalb sich der JAV bei einem in der Landwirtschaft erlittenen Arbeitsunfall grundsätzlich nach den jeweils festgesetzten Durchschnittssätzen bestimmt (vgl Urteile vom 19. August 1975 - BSGE 40, 134 = SozR 2200 § 780 Nr 2 - und vom 27. Februar 1981 - SozR aaO Nr 3). Das zuerst genannte Urteil enthält darüber hinaus auch Ausführungen zu dem hier gerügten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG, der nach Auffassung des BSG aus mehreren Gründen nicht vorliegt. Die Nichtberücksichtigung des tatsächlich erzielten Einkommens ist danach schon wegen des unterschiedlichen Schutzbedürfnisses zwischen Arbeitnehmern und Unternehmern gerechtfertigt; der Mindestschutz landwirtschaftlicher Unternehmer ist anders als bei abhängig beschäftigten Arbeitnehmern im Hinblick auf die vorhandene Unternehmenssubstanz gewährleistet (vgl hierzu auch BVerfG Beschluß vom 16. Juni 1981 - SozR aaO Nr 4). Darüber hinaus sind typisierende Regelungen im Bereich der Sozialversicherung ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden, wenn für eine Sonderbehandlung eines bestimmten Personenkreises sachlich einleuchtende Gründe bestehen (vgl BVerfGE 17, 1, 23; 51, 115, 122 f). Für die Gruppe der Landwirte mit weit über dem Durchschnitt liegendem Einkommen hat das BSG in diesem Zusammenhang ergänzend ausgeführt, diese seien durch § 780 RVO nicht benachteiligt, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - die Möglichkeit haben, sich durch die Entrichtung wesentlich höherer Beiträge einen höheren Unfallversicherungsschutz zu verschaffen (vgl BSGE aaO S 138/139). Inwieweit diese Rechtsprechung einer Änderung oder einer weiteren Ausgestaltung bedarf, legt die Beschwerde nicht dar. Der allgemeine Hinweis auf das Mißverhältnis zwischen unterschiedlicher Beitragshöhe und einheitlicher Leistung reicht hierzu nicht aus; insbesondere läßt dieser Vortrag jegliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen, einkommensunabhängigen und ebenfalls typisierenden Beitragsmaßstäben und dem unterschiedlichen Umfang des Haftungsrisikos vermissen (vgl hierzu §§ 803 bis 816 RVO).

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648566

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge