Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Darlegung der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage. Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. Wohnungserstausstattung
Orientierungssatz
Zur fehlenden Darlegung der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage, ob ein Teppichboden oder Auslegware erforderlich ist, um einem aus gesundheitlichen Gründen (hier Fibromyalgie) kälteempfindlichen Hilfebedürftigen ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten von Menschen mit geringem Einkommen orientiertes Wohnen zu ermöglichen, wenn er in einer fußkalten Wohnung lebt, mangels Auseinandersetzung mit der Entscheidung des 14. Senats, zu den Voraussetzungen einer Erstausstattung iS des § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 (vgl BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 36/09 R).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1; SGB 2 § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Fassung: 2006-07-20, S. 2 Fassung: 2006-07-20
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. Februar 2011 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt B. beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Streitig ist die Übernahme von Kosten für die Ausstattung der Wohnung der Klägerin mit Auslegeware oder einem Teppich in Höhe von 280 Euro. Auf Veranlassung des Beklagten mietete die seit 2005 im SGB II-Leistungsbezug stehende Klägerin im März 2007 eine angemessene Wohnung. Nach dem Bezug der Wohnung beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für die Ausstattung der Wohnung mit einem Teppichboden oder einem Teppich, weil sie auf Grund einer ärztlich belegten Fibromyalgie besonders kälteempfindlich sei und daher eine weitere Isolierung des Fußbodens der neuen Wohnung, die mit PVC und Parkett ausgestattet sei, benötige. Ihre alte Wohnung sei mit Auslegeware ausgestattet gewesen, die allerdings dem Vermieter gehört habe. Der Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, der geltend gemachte Bedarf sei bereits von der Regelleistung abgegolten (Bescheid vom 23.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.11.2007). Vor dem SG Oldenburg war die Klägerin mit ihrem Begehren erfolgreich (Urteil vom 23.1.2008). Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch weder in § 22 Abs 3 Satz 1 SGB II noch in § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II eine Anspruchsgrundlage finde. Es handele sich bei dem Teppich oder der Auslegeware weder um Umzugskosten im engeren Sinne noch um eine Erstausstattung. Unter Hinweis auf die Entscheidung des BSG vom 1.7.2009 (B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4) hat es ausgeführt, dass Umzugskosten nur solche seien, die im unmittelbaren Zusammenhang des Umzugs selbst anfielen. Zur Erstausstattung hat das LSG darauf verwiesen, dass nach der Entscheidung des BSG vom 19.8.2010 (B 14 AS 36/09 R) hierunter nur solche Gegenstände fielen, die zur Ausstattung der Wohnung erforderlich seien, um ein menschenwürdiges Dasein zu gewährleisten. Dies gelte jedoch nicht für einen Teppich oder Auslegeware in einer mit einem adäquaten Fußbodenbelag ausgestatteten Wohnung. Weder mit dem Argument der Veranlassung des Umzugs durch den Beklagten noch mit den geltend gemachten gesundheitlichen Umständen könne die Klägerin eine andere Entscheidung bewirken (Urteil vom 23.2.2011).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und rügt Divergenz zu Entscheidungen des BSG (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hält zwar die folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
"Ist ein Teppichboden oder Auslegeware erforderlich, um einen aus gesundheitlichen Gründen - vorliegend Fibromyalgie - kälteempfindlichen Leistungsberechtigten ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten von Menschen mit geringem Einkommen orientiertes Wohnen zu ermöglichen, wenn er in einer fußkalten Wohnung lebt."
Sie hat die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage jedoch nicht hinreichend dargelegt. Sie behauptet zwar, dass es bisher keine Entscheidung des BSG zu dieser Rechtsfrage gebe. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht ausreichend. Sie hätte sich vielmehr mit der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG auseinandersetzen müssen, der zu der Frage, wann die Voraussetzungen einer Erstausstattung iS des § 23 Abs 3 Seite 1 Nr 1 SGG gegeben sind, in der Entscheidung vom 19.8.2010 (B 14 AS 36/09 R) ausführlich Stellung genommen hat. Das LSG hat diese Rechtsprechung ausdrücklich zitiert und den konkreten Fall an Hand der dortigen grundsätzlichen Wertungen einer Überprüfung unterzogen. Zudem fehlt es an Darlegungen dazu, warum der aufgeworfenen Rechtsfrage - vor dem Hintergrund der Entscheidung des 14. Senats - eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, also eine Breitenwirkung zukommen soll. Die Rechtsfrage ist auf einen konkreten Einzelfall eines kälteempfindlichen Leistungsberechtigten zugeschnitten, der zudem in einer fußkalten Wohnung lebt.
Auch die von der Klägerin gerügte Divergenz ist nicht hinreichend dargelegt.
Zur formgerechten Rüge des Zulassungsgrundes einer Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, zumindest so zu bezeichnen, dass sie ohne Schwierigkeiten auffindbar ist. Ferner ist deutlich zu machen, worin die Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muss darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine das Berufungsurteil tragende Abweichung in dessen rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss einen abstrakten Rechtssatz aus dem vorinstanzlichen Urteil und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar wird. Es reicht hingegen nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, dass die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruhe (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54, 67). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin behauptet zwar, das LSG weiche in seinem Urteil von der zitierten Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4) ab. Danach habe das BSG entschieden, dass die erstmalige Ausstattung einer Wohnung wertungsmäßig denjenigen Fällen einer Ersatzbeschaffung gleichzustellen sei, bei denen vorhandene Ausstattungsgegenstände allein durch einen vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug in eine angemessene Wohnung unbrauchbar geworden seien. § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II komme dann zur Anwendung, wenn es nicht um die komplette Erstausstattung einer Wohnung, sondern nur um die Beschaffung einzelner Gegenstände gehe. Der Klägerin ist es jedoch nicht gelungen, einen abstrakten Rechtssatz aus den Entscheidungsgründen des LSG herauszuarbeiten, der der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegenstehen könnte. Stattdessen behauptet sie, das LSG sei offenbar davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Erstausstattung nur dann gegeben sei, wenn eine Gesamtheit von Einrichtungsgegenständen entweder nicht vorhanden oder verloren gegangen sei.
Ebenso wenig ist die hinreichende Darlegung einer Divergenzrüge gelungen, wenn die Klägerin darbringt, das BSG gehe auch von einem Erstausstattungsanspruch in Bezug auf einzelne Gegenstände unter anderem bei einem vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug aus, wohingegen das LSG keinen Ausnahmetatbestand als gegeben ansehe, wenn ein Erstausstattungsbedarf aufgrund eines vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzugs bestehe. Sie hat hier nicht dargelegt, dass die Entscheidung des LSG auf der behaupteten Divergenz beruht. Sie hätte insoweit ausführen müssen, inwieweit es für die Entscheidung des LSG tragend auf die Frage, ob ein Erstausstattungsbedarf auch durch einen vom Träger veranlassten Umzug entstehen könne, ankommt, wenn das LSG davon ausgeht, dass ein Erstausstattungsanspruch zumindest dann nicht in Betracht kommt, wenn es - wie im vorliegenden Fall - nicht um die Ausstattung der Wohnung mit Gegenständen geht, die zu einem menschenwürdigen Wohnen erforderlich seien, sondern darum, die Wohnungsausstattung der neuen Wohnung optimal zu gestalten.
Die nicht formgerecht begründete Beschwerde war daher nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
Der Klägerin steht Prozesskostenhilfe nicht zu, weil ihre Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). Aus diesem Grund entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen