Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 28.02.2018; Aktenzeichen S 93 AS 14403/16) |
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 15.05.2019; Aktenzeichen L 18 AS 484/18) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Mai 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Dem Antrag auf PKH kann nicht stattgegeben werden. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG erfolgreich zu begründen.
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakten ersichtlich.
Der Kläger wendet sich in der Sache gegen die Höhe seines Alg II für November 2016 bis April 2017. Er möchte die vollen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bei sich selbst - und nicht nur (kopfanteilig) zu einem Drittel - berücksichtigt haben und macht einen Mehrbedarf wegen Behinderung geltend. Zudem will er für sich und seine beiden volljährigen Söhne höhere Leistungen, weil das Warmwasser mit Strom erzeugt werde. Außerdem begehrt er eine Abschlagszahlung iHv 120 000 Euro. Als Verfahrensmängel rügt der Kläger die fehlende Beiladung der Träger des Alg II und die Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid. Das Verfahren beim LSG hält er für fehlerhaft wegen einer fehlenden Zurückverweisung an das SG, der Ablehnung von PKH, dem Umgang mit einem seiner Befangenheitsanträge, der Ablehnung eines Beweisantrags und des Nichterlasses eines Versäumnisurteils trotz Antrags. Das Urteil des LSG sei nicht von allen drei Richtern unterschrieben worden.
Es ist nicht ersichtlich, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung haben könnte (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Diese ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist nicht erkennbar, dass sich wegen des vom Kläger begehrten höheren Alg II Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen. Insbesondere sind die Voraussetzungen, unter denen Mehrbedarfe gemäß § 21 SGB II gewährt werden können, durch die Rechtsprechung des BSG bereits geklärt (vgl BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 8/14 R - BSGE 119, 7 = SozR 4-4200 § 21 Nr 22, RdNr 20 ff; zu § 21 Abs 4 BSG vom 5.7.2017 - B 14 AS 27/16 R - BSGE 123, 287 = SozR 4-4200 § 21 Nr 27; zu § 21 Abs 6 zuletzt ua BSG vom 8.5.2019 - B 14 AS 13/18 R - BSGE 128, 114 = SozR 4-4200 § 21 Nr 31; zu § 21 Abs 7 BSG vom 7.12.2017 - B 14 AS 6/17 R - BSGE 125, 22 = SozR 4-4200 § 21 Nr 28, RdNr 15 ff). Das gilt ebenso für die Voraussetzungen, unter denen eine Abweichung vom Kopfteilprinzip möglich ist (vgl BSG vom 14.2.2018 - B 14 AS 17/17 R - BSGE 125, 146 = SozR 4-4200 § 22 Nr 94, RdNr 15 ff). Wann Leistungen nach dem SGB II gezahlt werden müssen oder können, ohne dass der Anspruch hierauf bereits feststeht, ergibt sich aus dem Gesetz (vgl § 41a Abs 1 Satz 1, Abs 7 SGB II). Welche Zahlungen die Söhne des Klägers erhalten können, ist vorliegend schon nicht klärungsfähig, weil allein der Kläger Adressat der angefochtenen Entscheidungen ist und er selbst beim LSG Leistungen nur für sich beantragt hat.
Es liegen auch keine Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) vor, auf denen das Urteil des LSG beruhen kann und die in zulässiger Weise geltend gemacht werden könnten. Insbesondere ist ein absoluter Revisionsgrund nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO wegen einer unvorschriftsmäßigen Besetzung der Richterbank nicht gegeben. Das LSG hat das Verfahren ausweislich seines Beschlusses vom 23.4.2018 in zulässiger Weise gemäß § 153 Abs 5 SGG auf die Berichterstatterin übertragen, die gemeinsam mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden hat. Dass ein Anhörungsmangel erfolgreich gerügt werden könnte, ist nicht erkennbar (vgl BSG vom 27.6.2019 - B 11 AL 8/18 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 27 RdNr 14). Soweit das LSG einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Befangenheitsantrag selbst zurückgewiesen hat, ist nicht erkennbar, dass das LSG die Grenzen einer zulässigen Selbstentscheidung über das Ablehnungsgesuch und anschließender Mitwirkung des abgelehnten Richters, die sich aus der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG ergeben, überschritten hat (vgl zu diesen Vorgaben letztens zB BVerfG vom 15.6.2015 - 1 BvR 1288/14 - RdNr 15 ff; BSG vom 27.10.2009 - B 1 KR 68/09 B - RdNr 8 ff; BSG vom 16.12.2015 - B 14 AS 191/15 B - RdNr 4 f). Danach unterliegt das Selbstentscheidungsrecht im vereinfachten Ablehnungsverfahren zwar engen Grenzen, ist aber ua bei rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchen möglich (vgl BSG vom 23.5.2018 - B 8 SO 1/18 BH - RdNr 8; Flint in jurisPK-SGG, § 60 RdNr 148, Stand 23.11.2020). Nachdem der Kläger seine Ablehnungsanträge gegen die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter auf ein Urteil des BGH vom 14.2.1967 - RiZ (R) 3/66 - über die Entlassung von Richtern auf Probe gestützt hat, ist ein Zusammenhang mit der Verfahrensführung und dem Verfahrensgegenstand durch das LSG nicht erkennbar, weshalb die Entscheidung der abgelehnten Richter, der Antrag sei unzulässig, kein Ausgangspunkt einer erfolgreichen Verfahrensrüge sein könnte.
Wegen der begehrten Zurückverweisung bzw erneuten mündlichen Verhandlung beim SG fehlen Anhaltspunkte dafür, dass bezogen auf den Verfahrensgegenstand die Voraussetzungen des § 159 Abs 1 SGG vorgelegen haben; mündliche Verhandlung beim SG als Rechtsbehelf auf den Gerichtsbescheid konnte in Ansehung des Klagebegehrens nicht beantragt werden (§ 105 Abs 2 Satz 2 SGG, §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG). Schließlich ist das Urteil gemäß § 153 Abs 3 Satz 1 SGG ordnungsgemäß unterschrieben worden. Die Unterschrift erfolgt nur durch die Berufsrichter, nicht durch die ehrenamtlichen Richter (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 153 RdNr 9). Wegen der Ablehnung der PKH ist nicht ersichtlich, dass diese nur wegen der Bezugnahme auf die zutreffende Entscheidung des SG auf Willkür beruht und damit gegen Art 3 Abs 1 GG und das Gebot der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten verstößt (vgl BSG vom 23.8.2011 - B 14 AS 47/11 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 21 RdNr 9 mwN). Ebenso wenig ist erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter erfolgreich eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) rügen könnte. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 15.5.2019 hat der Kläger zwei Schriftsätze - jeweils einen adressiert an das LSG und das BSG - übergeben und auf dort formulierte Beweisanträge Bezug genommen. Dem Schreiben an das BSG vom 11.5.2019 zum Aktenzeichen B 14 AS 16/18 BH ist kein Beweisantrag mit Bezug zum Verfahren L 18 AS 484/18 zu entnehmen. Soweit der Schriftsatz an das LSG die Formulierung enthält, es werde ein Beweisantrag gestellt, bezieht sich dieser Antrag nicht auf die Ermittlung von Tatsachen, sondern auf eine vom Kläger begehrte rechtliche Würdigung, weswegen ein Verstoß gegen § 103 SGG von vornherein ausscheidet. Entgegen der Ansicht des Klägers ist ein Versäumnisurteil im sozialgerichtlichen Verfahren unterschiedslos nicht zu erlassen (vgl Lange in jurisPK-SGG, § 202 SGG RdNr 13, Stand 19.7.2018; zum Versäumnisurteil gegen den nicht erschienenen Kläger BSG vom 19.3.1992 - 12 RK 62/91 - SozR 3-1500 § 110 Nr 3) und eine notwendige Beiladung der Träger der Leistungen ist bei der Wahrnehmung der Aufgaben durch eine gemeinsame Einrichtung im Höhenstreit zwischen dem Jobcenter und dem Leistungsberechtigten nicht vorzunehmen, weil die gemeinsame Einrichtung die Aufgaben der Träger nach dem SGB II wahrnimmt (§ 44b Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II). Deshalb scheidet auch wegen dieser Fragen die Möglichkeit der erfolgreichen Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde aus.
Soweit der Kläger Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens insbesondere wegen der Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG rügt, ist nicht erkennbar, dass sie - lägen sie vor - im Berufungsverfahren noch fortgewirkt haben könnten (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 16a).
Schließlich ist nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI14351483 |