Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge
Orientierungssatz
Eine Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge nicht, wenn keine abstrakt-generellen Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts formuliert werden (vgl. allgemein BSG, 6. April 2010, B 5 R 8/10 B, BSG, 21. Juli 2010, B 5 R 154/10 B, BSG, 5. November 2008, B 6 KA 24/07 B). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13.04.2016; Aktenzeichen L 6 R 502/13) |
SG Koblenz (Aktenzeichen S 10 R 1064/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. April 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Prokuristin der klagenden GmbH in der Zeit vom 1.8.2010 bis 31.1.2011 aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 13.4.2016 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 18.7.2016 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
1. Die Klägerin legt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen nach § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechenden Weise dar.
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Die Klägerin wirft auf S 2 der Beschwerdebegründung die Frage auf,
"ob auch Prokuristen des Unternehmens von der Aufgabe der alten 'Kopf und Seele' Rechtsprechung mit umfasst sind."
Auf S 8 der Beschwerdebegründung formuliert sie die Frage,
"ob die vorangegangene Rechtsprechung auch die gerade nicht erfassten gefestigten Verhältnisse der Gesellschaftsführung mit umfassen sollte."
Die Beigeladene zu 1. habe sowohl das Unternehmerrisiko getragen, indem sie Lebensversicherungen in erheblichem Umfang an die Klägerin abgetreten sowie Bürgschaften für Forderungen der Gesellschaft erklärt habe. Ebenso sei die Beigeladene zu 1. Prokuristin und als solche nach außen unbeschränkbar alleinvertretungsberechtigt. Schließlich habe nur die Beigeladene zu 1. die für den Betrieb der Klägerin erforderlichen Konzessionen. Die Beigeladene zu 1. sei in vollem Umfang weisungsbefugt und die "faktische" Geschäftsführerin der Gesellschaft gewesen. Dieses gehe insbesondere durch die ihr eingeräumte Prokura hervor. Weiterhin sei der Vertrag zwischen der Beigeladene zu 1. und der Klägerin so gestaltet und auch faktisch durchgeführt worden, dass die Beigeladene zu 1. an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden gewesen sei, Urlaub völlig selbst habe bestimmen können und auch sonst "letztlich weisungsfrei" alle Unternehmensentscheidungen habe treffen können.
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge nicht (vgl hierzu exemplarisch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Denn die Klägerin formuliert keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - Juris = BeckRS 2010, 68786, RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - Juris = BeckRS 2010, 72088, RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - Juris = BeckRS 2009, 50073, RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 181).
b) Darüber hinaus legt die Klägerin auch nicht die Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Fragen - deren Qualität als hinreichend konkret formulierte Rechtsfragen unterstellt - dar. Indem sie sich ausschließlich auf die aus der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. als Prokuristin ergebenden Handlungsmöglichkeiten nach außen konzentriert, unterlässt sie die nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl ua BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24, RdNr 26; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32) erforderliche und entscheidende Darlegung einer Prüfung, inwieweit die Beigeladene zu 1. gegenüber der klagenden GmbH über die Rechtsmacht verfügt hat, ihr unangenehme Weisungen (durch die Organe der GmbH an sich) bis hin zu einer Kündigung ihres "Anstellungsvertrags" zu verhindern. Eine derartige aus dem Gesellschaftsrecht herrührende Rechtsmacht der Beigeladenen zu 1. wird von der Klägerin weder dargelegt noch ist eine solche anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG ersichtlich: Danach war die Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum weder Geschäftsführerin der klagenden GmbH noch verfügte sie über Gesellschaftsanteile. Soweit die Klägerin ergänzend auf die leitende Funktion der Beigeladenen zu 1., ein dieser zufallendes Unternehmerrisiko und auf deren Einflussmöglichkeiten verweist, unterlässt sie insoweit insbesondere die substantiierte Darlegung, inwieweit sich aus der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von Beschäftigung (vgl zB zu einer Bürgschaft BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 26 mwN; zur "faktischen Machtposition" BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 28 f; zu "Kopf-und-Seele" BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24, RdNr 28 ff) Antworten auf die aufgeworfenen Fragen ergeben können bzw warum konkret nicht.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1, 2 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10448729 |