Verfahrensgang
SG Koblenz (Entscheidung vom 02.12.2020; Aktenzeichen S 12 R 1/19) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.10.2021; Aktenzeichen L 1 R 19/21) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Oktober 2021 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten iHv 8474,17 Euro für eine selbstbeschaffte ambulante neurologische Rehabilitationsmaßnahme, an der sie in der Zeit vom 18.10.2017 bis zum 2.3.2018 teilnahm.
Die Beklagte lehnte die Erstattung ab (Bescheid vom 5.6.2018, Widerspruchsbescheid vom 30.11.2018). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 2.12.2020). Mit Urteil vom 21.10.2021 hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Erstattung der Kosten für die selbstbeschaffte ambulante Rehabilitationsmaßnahme lägen nicht vor. Es könne offenbleiben, ob § 18 Abs 4 Satz 1 SGB IX und § 18 Abs 6 Satz 1 SGB IX unmittelbare Anwendung fänden oder entsprechend anzuwenden seien. Die Voraussetzungen beider Varianten seien nicht erfüllt. Ein Anspruch nach § 18 Abs 4 Satz 1 SGB IX (entsprechend) scheitere bereits daran, dass die Beklagte innerhalb der Frist von zwei Monaten ablehnend über den Antrag entschieden habe und mithin eine Genehmigung iS der Vorschrift nicht vorliege. Eine Unaufschiebbarkeit der Maßnahme, wie sie § 18 Abs 6 Satz 1 Variante 1 SGB IX (entsprechend) verlange, liege offenkundig nicht vor. Ebenso wenig könne sich die Klägerin auf eine zu Unrecht abgelehnte Leistung berufen (§ 18 Abs 6 Satz 1 Variante 2 SGB IX ≪entsprechend≫). Es fehle am erforderlichen Kausalzusammenhang. Darüber hinaus bestehe ein Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs 6 Satz 1 SGB IX (entsprechend) nur, wenn die Klägerin einen Sachleistungsanspruch auf Durchführung der ambulanten Leistung zur medizinischen Rehabilitation gerade im Neurologischen Therapiezentrum R gehabt hätte. Auch dies sei nicht der Fall. Zwar ordne § 15 Abs 2 Satz 1 SGB VI lediglich mit Blick auf stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation an, dass diese nur in Einrichtungen erbracht würden, die vom Träger der RV selbst betrieben werden oder mit denen ein Vertrag nach § 38 SGB IX bestehe. Es sei aber davon auszugehen, dass die Beklagte ihren Versicherten Reha-Maßnahmen grundsätzlich nur in solchen Einrichtungen erbringen dürfe, mit denen sie auch einen entsprechenden Vertrag nach § 38 SGB IX habe. Mit der von der Klägerin besuchten Einrichtung bestehe aber kein entsprechender Vertrag.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie einen Verfahrensmangel geltend.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision wurden nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
a) Die Klägerin legt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht anforderungsgerecht dar. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde mit diesem Zulassungsgrund (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) begründet, muss in der Beschwerdebegründung dargetan werden, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Die Beschwerdebegründung vom 20.12.2021 wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Die Klägerin formuliert darin sinngemäß die Frage:
Ist § 15 Abs 2 Satz 1 SGB VI auch auf ambulante Rehabilitationsmaßnahmen anzuwenden?
Es fehlt bereits an jedem Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit der Frage. Es findet sich weder eine Begründung der klägerischen Auffassung noch eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des LSG.
Ungeachtet dessen ist jedenfalls die Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage nicht dargetan. Klärungsfähigkeit ist gegeben, wenn das Revisionsgericht nach und aufgrund der Zulassung der Revision in der Lage ist, über die klärungsbedürftige Rechtsfrage auch sachlich entscheiden zu können (BSG Urteil vom 14.6.1984 - 1 BJ 72/84 - SozR 1500 § 160 Nr 53 S 55 = juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a V 7/06 B - SozR 4-2600 § 118 Nr 3 RdNr 5; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 9). Hingegen ist Klärungsfähigkeit im Sinne von Entscheidungserheblichkeit zu verneinen, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet werden muss, weil die Entscheidung der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann (vgl BSG Beschluss vom 10.8.2021 - B 5 R 154/21 B - juris RdNr 11 mwN). Zur Darlegung der Klärungsfähigkeit ist daher darzutun, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste. Das wird in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend aufgezeigt.
Die Klägerin trägt vor, wenn § 15 Abs 2 SGB VI nicht auf ambulante Rehabilitationsmaßnahmen anwendbar sei, seien ihr die beantragten Leistungen zu bewilligen bzw die Kosten zu erstatten. Es läge dann eine Ermessensreduzierung auf null vor, da die von ihr gewählte Einrichtung als qualitativ geeignet zu unterstellen sei und die Beklagte "über keine eigene betriebene bzw belegte Einrichtung verfügt" habe. Sie versäumt es jedoch, sich damit auseinanderzusetzen, dass das LSG mit tragender Begründung einen Erstattungsanspruch bereits deswegen verneint hat, weil die Voraussetzungen der § 18 Abs 4 Satz 1 SGB IX und § 18 Abs 6 Satz 1 SGB IX (entsprechend) nicht erfüllt seien. Lediglich ergänzend ("darüber hinaus") hat das LSG einen Anspruch nach § 18 Abs 6 Satz 1 SGB IX auch deshalb verneint, weil davon auszugehen sei, dass die Beklagte ihren Versicherten Reha-Maßnahmen grundsätzlich nur in solchen Einrichtungen erbringen dürfe, mit denen ein entsprechender Vertrag nach § 38 SGB IX bestehe.
b) Die Klägerin hat auch einen Verfahrensmangel nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Den Anforderungen an die Rüge eines Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) genügt die Beschwerdebegründung nicht, weil die Klägerin entgegen § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG keinen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Beweisantrag benennt, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Ein solcher Antrag muss grundsätzlich in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll (BSG Beschluss vom 21.4.2020 - B 13 R 85/19 B - juris RdNr 11; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 18a mwN). Es ist bereits zweifelhaft, ob das Vorbringen der Klägerin, sie habe für ihren Sachvortrag, dass eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme aus medizinischen Gründen kontraproduktiv sei, Beweis angeboten durch Zeugnis bzw ärztliches Attest von Frau F, diesen Anforderungen genügt. Jedenfalls hat sie nicht dargelegt, dass sie ihren Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten hat (vgl BSG Beschluss vom 29.9.2021 - B 9 SB 40/21 B - juris RdNr 8 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Düring Gasser Hahn
Fundstellen
Dokument-Index HI15134695 |