Verfahrensgang

LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 12.10.2017; Aktenzeichen L 1 KR 100/16)

SG Berlin (Entscheidung vom 09.02.2016; Aktenzeichen S 198 KR 1590/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Oktober 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin ist mit ihrem Begehren, von der beklagten Krankenkasse im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X für die Zeit ab 17.9.2010 Krankengeld zu erhalten, bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben (zuletzt Urteil des LSG nach § 153 Abs 5 SGG vom 12.10.2017). Das LSG hat der Klägerin zudem Kosten nach § 192 SGG in Höhe von 225 Euro auferlegt.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil und beruft sich auf Verfahrensmängel des LSG (ua: Verstoß gegen die Gebote zur Gewährung rechtlichen Gehörs und des gesetzlichen Richters sowie gegen § 192 SGG).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend dargetan hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

1. Die Voraussetzungen für die Revisionszulassung wegen eines Verfahrensmangels (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) werden in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargelegt. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ist die Rüge bestimmter Verfahrensmängel allerdings ausgeschlossen bzw eingeschränkt.

a) Die Klägerin sieht sich in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil das LSG seiner Entscheidung Unterlagen zugrunde gelegt habe, die nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen seien und von deren Beiziehung sie (die Klägerin) nicht ordnungsgemäß informiert gewesen sei. Hierdurch habe das LSG gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, gegen Vorschriften über die Durchführung des Urkundenbeweises und auch gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen; ferner liege eine unzulässige Bezugnahme "auf andere Urteile" vor. Das LSG-Urteil könne auf der Verletzung von Verfahrensrecht beruhen, "da bei rechtzeitiger Information ... der dann von der Klägerin gestellte Beweisantrag von dem Landessozialgericht hätte berücksichtigt werden müssen und zu einer Anhörung der Ärztin geführt hätte, die eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 20.9.2010 bestätigt hätte".

b) Des Weiteren macht die Klägerin geltend, dass ihr lediglich der Berichterstatter in einem Erörterungstermin erklärt habe, dass ihr gemäß § 192 SGG eine Missbrauchsgebühr auferlegt werden könne, nicht aber der Senatsvorsitzende. Insoweit sei nicht der gesetzliche Richter tätig geworden, rechtliches Gehör nicht gewährt und gegen § 192 SGG verstoßen worden.

2. Mit ihrem unter 1. dargestellten Vorbringen legt die Klägerin Zulassungsgründe nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechend dar.

a) Für den Erfolg einer Gehörsrüge ist Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Hierzu fehlt hinreichender Vortrag der Klägerin insbesondere mit Blick darauf, dass Gegenstand des Rechtsstreits ein von ihr eingeleitetes Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X ist. Insoweit durfte nicht davon ausgegangen werden, sie selbst (oder ihre Prozessvertretung) habe von den bereits im Ausgangsverfahren ergangenen bestandskräftigen bzw rechtskräftigen Entscheidungen sowie von den dort bei der Entscheidungsfindung verwerteten Unterlagen keinerlei Kenntnis gehabt.

Darüber hinaus gehört es nach § 160a Abs 2 S 3 SGG zu den Obliegenheiten eines Beschwerdeführers im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, der das Vorliegen von Verfahrensmängeln iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG rügt, darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf einem dieser Verfahrensmängel beruhen kann. Dazu hat die Klägerin im Beschwerdeverfahren lediglich geltend gemacht, eine unterbliebene Anhörung ihrer Ärztin würde zu einer Feststellung der Arbeitsunfähigkeit schon am 20.9.2010 geführt haben. Die Klägerin war indessen - ausgehend von den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG - bereits bei Entlassung aus stationärer Behandlung am 16.9.2010 wieder (ärztlich bestätigt) arbeitsfähig und bezog ab 30.9.2010 Arbeitslosengeld II. Die Beschwerdebegründung legt nicht dar, aus welchen Gründen der Klägerin selbst bei einem nach ihrem Vorbringen frühestens am 20.9.2010 in Betracht gekommenen Arzt-Patienten-Kontakt mit Rücksicht auf § 46 S 1 Nr 2 SGB V (in der seinerzeit geltenden Fassung) über den 16.9.2010 (= Ende der stationären Behandlung) hinaus Krankengeldansprüche zustehen sollten bzw aus welchen Gründen sie anschließend weiter mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen sein sollte. Unter diesem Blickwinkel kann es ausgehend von den Darlegungen der Klägerseite in Bezug auf die begehrte Krankengeldgewährung nicht darauf ankommen, welche - tatsächlich nicht erfolgte - ärztliche Entscheidung über die Feststellung der Arbeits(un)fähigkeit möglicherweise am 20.9.2010 zu treffen gewesen wäre.

b) Ein Verfahrensmangel wird auch hinsichtlich der beanstandeten Auferlegung einer Missbrauchsgebühr nach § 192 SGG nicht dargelegt. Eine Kostenauferlegung nach dieser Regelung ist Bestandteil der gerichtlichen Kostenentscheidung des LSG, die ihrerseits mit der Beschwerde nicht anfechtbar ist (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 192 Nr 1 RdNr 14; vgl auch BSG Beschlüsse vom 20.3.2017 - B 14 AS 329/16 B -, vom 10.7.2016 - B 11 AL 30/16 B -, beide in Juris). Auch das Vorliegen von Verfahrensfehlern wird nicht entsprechend den schon genannten Regelungen des SGG dargetan. Die Klägerin klammert bei ihrer Rüge, nur der Berichterstatter, nicht aber der Vorsitzende habe einen Hinweis nach § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG erteilt, aus, dass das LSG hier gerade ein Urteil nach § 153 Abs 5 iVm § 105 Abs 1 S 1 SGG mit dem Berichterstatter als funktionellem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern getroffen hat. Dass bei diesem Vorgehen, bei dem ausweislich der Akten der Berichterstatter/Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2017 auch noch einmal ausdrücklich auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung hingewiesen hatte, das rechtliche Gehör oder andere Verfahrensrechte der schon im Berufungsverfahren anwaltlich vertretenen Klägerin verletzt worden sein könnten, kann nach dem Beschwerdevorbringen nicht angenommen werden.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11740428

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