Verfahrensgang
SG Hannover (Entscheidung vom 17.07.2018; Aktenzeichen S 11 KR 523/16) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 15.12.2020; Aktenzeichen L 16 KR 394/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 15.12.2020 den Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Elektrorollstuhl in der Ausführung von 10 km/h verneint, weil ihr Grundbedürfnis an Bewegungsfreiheit mit einem Elektrorollstuhl in der Standardausführung grundsätzlich erfüllt sei.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil. Sie beruft sich auf Verfahrensfehler und auf Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 und 3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da die geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensfehlers und der Rechtsprechungsabweichung nicht ordnungsgemäß aufgezeigt worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Verwerfung der nicht formgerecht begründeten, unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Die Klägerin rügt die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG), weil sich das Berufungsgericht nicht mit ihrem Einwand, dass sie nach "jahrelanger Bewilligung eines Elektrorollstuhls in der 10 km/h-Ausführung nun noch mit der Standardausführung ein Weniger als zuvor bekommen sollte, erkennbar nicht auseinandergesetzt" habe. Zwar habe das LSG diesen Umstand im Tatbestand des Urteils festgehalten, in den Urteilsgründen finde sich dazu allerdings nichts, das rechtfertigen würde, weshalb die Klägerin jetzt weniger günstig als viele Jahre zuvor ausgestattet werden solle. Auch liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin, dass sich das LSG nicht hinreichend mit dem Vortrag zur Prüfung verfahrensrechtlicher Normen des Rehabilitations- und Teilhaberechts (§§ 14, 15 SGB IX) auseinandergesetzt und nur auf Ausführungen in einem früheren Urteil in einem anderen Rechtsstreit verwiesen habe.
Diese Ausführungen genügen nicht den Anforderungen an die Darlegung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör iS von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl nur BVerfGE 25, 137, 140). Für die Darlegung einer Gehörsrüge müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich gemacht werden, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr vgl BVerfGE 65, 293, 295 f = SozR 1100 Art 103 Nr 5 S 3 f; 70, 288, 293; vgl auch BSG Beschluss vom 14.8.2018 - B 3 KR 5/18 B - juris RdNr 13 mwN). Dass das LSG nicht den Argumenten der Klägerin gefolgt ist, führt nicht zur Darlegung einer formgerechten Gehörsrüge. Denn das Recht auf rechtliches Gehör gebietet nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, es verpflichtet aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl nur BVerfG Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN). Dass sich das LSG hingegen mit der Frage der Versorgung mit einem Elektrorollstuhl mit einer höheren Geschwindigkeit befasst hat, ergibt sich aus den Ausführungen der Beschwerde selbst, wenn sie den Verweis auf eine frühere Entscheidung des LSG als unzureichend rügt.
Soweit die Klägerin vorträgt, das LSG habe ihren Vortrag zu den Verwaltungsvorschriften des Rehabilitations- und Teilhaberechts nicht hinreichend berücksichtigt, ist auch davon auszugehen, dass das LSG den Vortrag zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen mit einbezogen hat. Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich im Übrigen auch nicht die Entscheidungsrelevanz dieses Vortrags, denn es bleibt unklar, ob und inwieweit diese Normen den Versorgungsanspruch entscheidungserheblich hätten beeinflussen können. Daher ist auch kein Ausnahmefall dargetan, der nahelegen könnte, dass das Gericht den Vortrag nicht hinreichend zur Kenntnis genommen habe.
2. Soweit sich die Klägerin auf Divergenz und eine Rechtsprechungsabweichung von dem Urteil des BSG vom 7.5.2020 (B 3 KR 7/19 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 54) beruft, ist ein Zulassungsgrund ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet.
Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr; vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22).
Anders als nach diesen Maßgaben zitiert die Klägerin ganze Passagen aus og Urteil des BSG (vom 7.5.2020 - B 3 KR 7/19 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 54 RdNr 29 bis 31 und 37 bis 38) ohne dass deutlich wird, auf welchen widersprechenden Rechtssatz sie Bezug nimmt. Sie ist der Ansicht, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG auf ihren Fall unzutreffend nicht angewendet habe. Daraus ergibt sich aber keine Gegenüberstellung zwei einander widersprechender Rechtsätze. So bleibt letztlich unklar, von welchem Rechtssatz des BSG das Berufungsgericht entscheidungserheblich abgewichen sein soll.
Im Übrigen stellt es keinen gesetzlichen Revisionszulassungsgrund dar, wenn die Klägerin die angefochtene Entscheidung für unzutreffend hält (stRspr; vgl nur BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14793896 |