Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 23. Januar 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 236 467,35 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die klagende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegen die Nachforderung von Beiträgen und Umlagen wegen Sozialversicherungspflicht aufgrund Beschäftigung durch die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund iHv 236 467,35 Euro.
Die Klägerin ist eine durch Gesellschafterbeschluss vom 1.7.2002 errichtete GbR mit Sitz in Sachsen-Anhalt. Gesellschafter sind niederländische und polnische Staatsangehörige. Gegenstand der Gesellschaft ist die Lieferung und Montage von Fertigelementen und Stalleinrichtungen sowie weiterem Bedarf für landwirtschaftliche Stallbauten. Als Einlagen der Gesellschafter ist die Erbringung der Arbeitskraft vorgesehen. Zur Entlohnung der eingebrachten Arbeitskraft der Gesellschafter ist ein so genannter individueller Arbeitsvorweg zwischen 1000 und 3000 Euro monatlich bzw 2000 Euro jährlich vereinbart. Die GbR hat ihren Geschäftsbetrieb am 30.6.2016 eingestellt. Die Beklagte forderte von der Klägerin für die Zeit von Januar 2004 bis Dezember 2006 Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen mit der Begründung nach, die zu 1. bis 8. und 12. bis 19. beigeladenen Gesellschafter seien bei der Klägerin (abhängig) beschäftigt gewesen und unterlägen daher der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (Bescheid vom 8.6.2009; Widerspruchsbescheid vom 3.8.2010).
Das SG Halle hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.6.2017). Die Gründung der GbR habe nur dem Zweck gedient, den Einsatz polnischer Staatsangehöriger unter Umgehung (europa-)rechtlicher Beschränkungen zu ermöglichen. Die beigeladenen Gesellschafter seien in Deutschland eingesetzt worden, um nach Weisung Schweineställe zu errichten. Die gestellte freie Unterkunft habe sich in der Regel auf der Baustelle befunden. Die Arbeitszeit habe acht bis neun Stunden täglich an fünf bis sechs Werktagen betragen. Die Einsatzzeit habe in der Regel jeweils knapp drei Wochen gedauert. Das LSG Sachsen-Anhalt hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 23.1.2020). Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Beschwerdebegründung vom 14.5.2020 stützt sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Zudem macht die Klägerin das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend. Die Darlegung bzw Bezeichnung der Zulassungsgründe genügt jedoch nicht den Zulässigkeitsanforderungen.
1. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels s exemplarisch BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 202 ff). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Beschluss vom 14.5.2007 - B 1 KR 21/07 B - juris RdNr 18 mwN; BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn er hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargelegt wird, sodass das BSG allein anhand der Beschwerdebegründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
a) Die Klägerin macht geltend, das LSG habe § 128 Abs 2 SGG verletzt, indem es unterstellt habe, dass nicht nachgewiesen sei, dass die Beigeladenen überhaupt den Inhalt der unterzeichneten Beschlüsse und Gesellschaftsverträge hinreichend zur Kenntnis hätten nehmen können. Hierzu hätte es bereits an hinreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache bei den Beigeladenen gefehlt. Einen entsprechenden Nachweis hätte das LSG von der Klägerin nie verlangt.
Einen Verstoß gegen § 128 Abs 2 SGG, wonach das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, bezeichnet die Klägerin damit nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise. Sie zeigt nicht auf, inwieweit der behauptete Verstoß überhaupt entscheidungserheblich sein könnte. Sie setzt sich nicht damit auseinander, dass das Fehlen hinreichender Sprachkenntnisse vom LSG im Konjunktiv formuliert wurde (Seite 22 des LSG-Urteils). Schließlich berücksichtigt die Klägerin nicht, dass die Ausführungen des LSG im Kontext der Prüfung der rechtlichen Umsetzbarkeit und der tatsächlichen Umsetzung, dh der gelebten Praxis der gewählten gesellschaftsrechtlichen Unternehmensform ergangen sind. Diese Fragen hatte bereits das SG sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch im Urteil ausführlich thematisiert.
b) Soweit die Klägerin im Übrigen eine mangelnde Beweiswürdigung rügt, berücksichtigt sie nicht, dass nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann.
2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin formuliert auf Seite 7 der Beschwerdebegründung folgende Fragen:
"Kann in einer werbenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der alle Gesellschafter über lediglich eine Stimme verfügen, alle Beschlüsse einstimmig zu fassen sind und die einzelnen Gesellschafter laut Gesellschaftsvertrag Weisungen nicht unterlegen sind, einzelnen Gesellschaftern im Rahmen ihrer Mitarbeit in der Gesellschaft ohne weitere Anhaltspunkte im Hinblick auf eine Weisungsgebundenheit, wirtschaftliche/persönliche Abhängigkeit oder betriebliche Eingliederung ein Arbeitsverhältnis unterstellt werden?"
"Kann in diesem Zusammenhang eine Unterscheidung dergestalt vorgenommen werden, dass die Geschäftsführer dieser GbR generell keine Arbeitnehmer, wohl aber die eher 'körperlich' tätigen Gesellschafter Arbeitnehmer sind?"
Der Geschäftsführer der Klägerin könne den einzelnen Gesellschaftern keine Weisungen iS des Arbeitsrechts erteilen. Insofern unterscheide sich der vorliegende Fall von der Entscheidung des BSG in einem Beschluss vom 10.2.2016 (B 12 R 26/15 B - BeckRS 2016, 67087). Die Beigeladenen hätten ihre Unternehmenstätigkeit über ihre Gesellschafterstellung in der Klägerin ausgeübt; sie seien über die Klägerin Unternehmer gewesen. Die jährlichen Steuererklärungen der Beigeladenen würden belegen, dass ihnen auch insoweit sehr wohl bewusst gewesen sei, als Unternehmer Einkommen zu erzielen. Ob ein Gesellschaftsvertrag inhaltlich widersprüchlich und daher teilweise nicht umsetzbar sei, ändere nichts an der Tatsache, dass eine GbR mit den Beigeladenen begründet worden sei. Zu Unrecht habe das LSG eine "Gleichordnung" bei der Entlohnung für eine Einordnung der Beigeladenen als Unternehmer gefordert. Die Klägerin sei als GbR unstreitig am Markt tätig gewesen. Die Beigeladenen seien lediglich verpflichtet gewesen, für sechs Monate im Jahr ihre Arbeitskraft der Klägerin auf Grund ihrer Gesellschafterstellung zur Verfügung zu stellen. Eine solche Regelung sei für einen Arbeitsvertrag völlig untypisch.
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht, weil darin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert wird. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
b) Unabhängig hiervon legt die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der in den Raum gestellten Fragen nicht hinreichend dar. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN).
Die Klägerin befasst sich nicht mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit und (abhängiger) Beschäftigung. Demzufolge unterlässt sie die vorliegend gebotene Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Senats zur Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verhältnisse bei der Beurteilung des Vorliegens (abhängiger) Beschäftigung (vgl zB BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 26; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - juris RdNr 17). Sie unterlässt auch eine Auseinandersetzung mit der speziell zur GbR ergangenen Rechtsprechung des Senats (BSG Urteil vom 20.7.1988 - 12 RK 23/87 - SozR 7610 § 705 Nr 3). Hierzu hätte aber schon deshalb Anlass bestanden, weil sich der Senat darin mit der Frage einer nur zum Schein gewählten Gesellschaftsstruktur befasst hat.
c) Schließlich legt die Klägerin auch die Klärungsfähigkeit der in den Raum gestellten Fragen nicht hinreichend dar. Sie setzt in der Fragestellung die Annahme voraus, es lägen keine weiteren Anhaltspunkte im Hinblick auf eine Weisungsgebundenheit, wirtschaftliche/persönliche Abhängigkeit oder betriebliche Eingliederung vor. Wie diese Annahme mit den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen, an die das BSG im Rahmen eines Revisionsverfahrens gemäß § 163 SGG gebunden wäre, in Einklang zu bringen sind, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Unabhängig davon ist die Zuordnung einer Tätigkeit zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit nach deren Gesamtbild vorzunehmen. Dies setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen worden sind. Für die Darlegung der Klärungsfähigkeit bedeutet das: Weil das LSG sein Ergebnis auf eine Gesamtabwägung verschiedener Indizien gründete (vgl S 24 des LSG-Urteils), hätte die Klägerin alle vom LSG in die Abwägung eingestellten Gesichtspunkte sowie deren jeweilige vom LSG vorgenommene Gewichtung benennen und darlegen müssen, dass sich durch die von ihr favorisierte Beantwortung der formulierten Frage das Gewicht der vom LSG in die vorgenommene Gesamtabwägung eingestellten Indizien so zu ihren Gunsten verschieben würde, dass entgegen dem Abwägungsergebnis des LSG Versicherungspflicht wegen Beschäftigung nicht mehr angenommen werden kann. Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der vom LSG festgestellten Nachforderung von Beiträgen und Umlagen.
Fundstellen
Dokument-Index HI14534176 |