Leitsatz (amtlich)
1. Zur Form und Bedeutung des Ausfertigungsvermerkes auf Urteilen.
2. Durch den Zusatz, die Berufungsschrift sei in zwei Ausfertigungen einzureichen, wird die Rechtsmittelbelehrung nicht unrichtig iS des SGG § 66 Abs 2 (Anschluß BSG 1958-10-15 2 RU 296/56 = SozR Nr 25 zu § 66 SGG).
3. Das SG ist nicht verpflichtet, jede Postsache unmittelbar nach Eingang daraufhin zu prüfen, ob seine Zuständigkeit für die Bearbeitung gegeben ist, und gegebenenfalls außerordentliche Maßnahmen zur Weiterleitung zu treffen, um dadurch prozessuale Nachteile von dem Einsender abzuwehren.
Normenkette
SGG § 66 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt vom 18. Oktober 1961 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Kläger haben gegen das am 19. Mai 1961 ordnungsgemäß zugestellte Urteil des Sozialgerichts (SG) Kassel vom 11. April 1961 mit einem an das SG Kassel gerichteten Schriftsatz vom 16. Juni 1961 Berufung eingelegt. Dieser Schriftsatz, der laut Poststempel am 16. Juni 1961 um 20.00 Uhr zur Post gegeben wurde, ist beim SG Kassel am 19. Juni 1961 eingegangen. Das SG hat den Berufungsschriftsatz mit den Akten am 20. Juni 1961 an das Hessische Landessozialgericht (LSG) weitergegeben. Dort ist er am 23. Juni 1961 eingegangen. Die Rechtsmittelbelehrung des Urteils erster Instanz hat folgenden Wortlaut:
"Gegen dieses Urteil ist die Berufung an das Hessische Landessozialgericht in Darmstadt, Rheinstraße 94, zulässig. Sie ist innerhalb eines Monats nach Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Landessozialgerichts einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Einlegung der Berufung innerhalb der Frist zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichtes in Kassel, Friedrich-Engelsstr. 21, erklärt wird.
Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Sie ist in doppelter Ausfertigung einzureichen."
Auf der den Klägern zugestellten Abschrift des Urteils ist hinter der Rechtsmittelbelehrung vermerkt: "Ausgefertigt, Kassel, den 16. Mai 1961, Geschäftsstelle der 10. Kammer". Danach folgt die Unterschrift, unter dieser die Worte: "Regierungsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle". Die Ausfertigung ist mit dem Prägesiegel des Gerichts versehen.
Das LSG hat die Berufung der Kläger mit Urteil vom 18. Oktober 1961 wegen Fristversäumnis als unzulässig verworfen.
Die Kläger haben gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Revision eingelegt und diese auch rechtzeitig begründet (§§ 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Da das LSG die Revision nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen hat und die Revision auch nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft sein kann, weil das LSG über den ursächlichen Zusammenhang im Sinne dieser Vorschrift gar nicht entschieden hat, findet sie nur statt, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt wird und vorliegt (BSG 1, 150). Das ist aber nicht der Fall.
Zunächst rügen die Kläger unter 1) der Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, das LSG habe nicht berücksichtigt, daß die Berufungsfrist nicht in Lauf gesetzt sei, weil das Urteil des SG nicht nach den gesetzlichen Vorschriften zugestellt worden sei. Diese Rüge greift nicht durch. Ausweislich der Akten des SG ist das Urteil erster Instanz durch die Post mit Postzustellungsurkunde am 19. Mai 1961 im Büro der früheren Prozeßbevollmächtigten der Kläger zugestellt worden. Diese Zustellung entspricht den Vorschriften des § 63 Abs. 2 SGG in Verbindung mit § 3 Abs. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes vom 3. Juli 1952 und § 183 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO).
Offenbar sehen die Kläger die Ordnungswidrigkeit der Zustellung aber in dem Umstand, daß - wie sie meinen - die zugestellte Ausfertigung des erstinstanzlichen Urteils nicht den Vorschriften über die Ausfertigung entspricht. Sie tragen darin vor, dem Urteilsexemplar fehle als Überschrift der Vermerk "Ausfertigung". Der unter dem zugestellten Urteil angebrachte Vermerk "Ausgefertigt" sei nicht geeignet, dem Urteilsexemplar die Bedeutung einer Ausfertigung zu geben. Für diese Ansicht beziehen sich die Kläger auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11. Januar 1961 - IV b ZB 312/60 -. In dieser Entscheidung habe der BGH ausgeführt, das Urteil müsse die Erklärung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle enthalten, daß die in der Ausfertigung wiedergegebenen Teile des Urteils gleichlautend mit denen der Urschrift seien. Ein derartiger Vermerk fehle aber auf dem am 19. Mai 1961 zugestellten Urteil der ersten Instanz. Dadurch sei keine ordnungsgemäße Zustellung vorgenommen. Insoweit habe das LSG § 137 SGG verkannt. Diese Rüge greift nicht durch. Eine Ausfertigung ist die Abschrift einer meist öffentlichen Urkunde, insbesondere einer gerichtlichen Entscheidung, die dazu bestimmt ist, im Rechtsverkehr die Urschrift zu ersetzen, die in den Akten verbleibt. Nach § 137 SGG sind die Ausfertigungen des Urteils von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel in der Form des Prägesiegels zu versehen. Das SGG enthält keine gesetzliche Regelung, wie der Ausfertigungsvermerk zu fassen ist, den der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle unterschreibt. Erforderlich für eine ordnungsgemäße Ausfertigung ist nur, daß die den Beteiligten zugestellte Urteilsabschrift als Ausfertigung kenntlich ist, der Inhalt des Vermerks des Urkundsbeamten also eine andere Form der Abschrift - wie z. B. die Form einer beglaubigten oder einfachen Abschrift - ausschließt, der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle diese Ausfertigung unterschreibt und sie mit dem Gerichtssiegel in der Form des Prägesiegels versieht. Die von den Klägern der Entscheidung des BGH vom 11. Januar 1961 (Rechtspfleger 1961 S. 382 Nr. 169) entnommene Ansicht, außer dem Vermerk "ausgefertigt" müsse der Urteilsabschrift die Erklärung des Urkundsbeamten hinzugefügt sein, daß die in der Ausfertigung wiedergegebenen Teile des Urteils gleichlautend mit denen der Urschrift sind, ergibt sich aus dem erwähnten Urteil nicht. Abgesehen davon, daß der vom BGH in dieser Entscheidung zu beurteilende Sachverhalt ein völlig anderer als der des vorliegenden Falles war und es in jenem Fall um die Wirksamkeit der Ausfertigung ging, die nicht von einem als "Urkundsbeamter der Geschäftsstelle" bezeichneten Beamten des Gerichts unterschrieben war, hat der BGH mit der von den Klägern zitierten Formulierung nur zum Ausdruck bringen wollen, daß aus der Ausfertigung, damit sie als solche gelten kann, die Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift deutlich werden muß. Das wird aber durch den Vermerk "ausgefertigt" und die Unterschrift des Urkundsbeamten bezeugt (siehe dazu auch Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, § 71, I, 1, 8. Aufl., S. 325 unten; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. zu § 137 SGG). Unerheblich ist es auch, ob die Urteilsabschrift als Überschrift die Bezeichnung "Ausfertigung" trägt oder ob der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle am Ende der Abschrift den Vermerk "ausgefertigt" hinzufügt und damit die Abschrift als "Ausfertigung" kennzeichnet. Somit war eine ordnungsgemäße Ausfertigung des Urteils erster Instanz zugestellt und damit am 20. Mai 1961 die Berufungsfrist in Lauf gesetzt worden.
Unter 2) ihrer Revisionsbegründung rügen die Kläger eine Verletzung des § 66 SGG durch das LSG. Sie sind der Auffassung, daß die Rechtsmittelbelehrung des Urteils erster Instanz deshalb unrichtig ist, weil entgegen der Vorschrift des § 151 SGG die Vorlage der Berufungsschrift in doppelter Ausfertigung gefordert wurde. Das LSG habe dies trotz der insoweit bereits in der Berufungsinstanz erhobenen Rüge nicht beachtet. Die Kläger beziehen sich auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 28. August 1958 (DVBl 1959 S. 31) und vom 11. Juli 1957 (NJW 1957 S. 1613) sowie des BGH vom 18. März 1959 (NJW, RzW 1959 S. 332). Sie sind danach der Auffassung, daß die in der Rechtsmittelbelehrung des SG geforderte Einreichung der Berufungsschrift in doppelter Ausfertigung eine Erschwerung für sie bedeute, welche die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung und damit nach § 66 Abs. 2 SGG die Hemmung des Laufes der Berufungsfrist zur Folge habe. Das LSG hätte daher die am 23. Juni 1961 eingegangene Berufung als rechtzeitig ansehen müssen. Auch diese Rüge ist nicht gerechtfertigt.
Nach § 66 SGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig (§ 66 Abs. 2 SGG). Die Rechtsmittelbelehrung in dem Urteil des SG Kassel vom 11. April 1961 ist nicht unrichtig. Sie enthält die erforderliche Belehrung über das einzulegende Rechtsmittel, hier die Berufung, über das anzurufende Gericht, nämlich das Hessische LSG, über den Sitz dieses Gerichtes, nämlich Darmstadt, und über die einzuhaltende Frist von einem Monat. Soweit die Belehrung des SG darüber hinaus auch noch weitere Ausführungen enthält, so ist sie dadurch nicht unrichtig, sondern nur den besonderen für die Einlegung der Berufung geltenden Vorschriften angepaßt. Auch durch die Anforderung der doppelten Ausfertigung der Berufungsschrift ist sie nicht unrichtig geworden. Der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat bereits in seiner Entscheidung vom 15. Oktober 1958 (SozR SGG § 66 Bl. Da 8 Nr. 25) ausgeführt, daß eine Rechtsmittelbelehrung nicht deshalb unrichtig ist, weil sie eine gesetzlich nicht zwingend vorgesehene erschwerende Formvorschrift enthält, z. B. wenn gefordert wird, daß die Berufung in zweifacher Ausfertigung einzulegen ist. Der erkennende Senat hält an dieser Auffassung fest, die Ausführungen der Kläger geben keinen Anlaß, davon abzuweichen. Der Hinweis der Kläger auf die Entscheidung des BVerwG vom 28. August 1958 (DVBl 1959, 831) führt zu keinem anderen Ergebnis. Das BVerwG hat zu der Frage, ob eine Verfahrensfrist dann in Lauf gesetzt wird, wenn in der Rechtsmittelbelehrung der Hinweis enthalten ist, daß die Rechtsmittelschrift in mehreren Ausfertigungen eingereicht werden soll oder muß, in mehreren Entscheidungen Stellung genommen. Dabei ist das BVerwG nach den jeweiligen, in den einzelnen Ländern bis zur Inkraftsetzung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 geltenden Verfahrensordnungen zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen (für die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung BVerwG 3. Senat vom 11. Juli 1957, NJW 1957, 1613, vom 28. August 1958, DVBl 1959, 31 sowie vom 20. Oktober 1962 - III A 181/61 -; gegen die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung BVerwG 4. Senat vom 18. Dezember 1957, BVerwGE Bd. 6, 66; 1. Senat vom 2. Mai 1958, NJW 1958, 1554; 5. Senat vom 6. Oktober 1959, NJW 1960, 309; 4. Senat vom 5. April 1960 - IV A 76/58). Aus den Entscheidungen des BVerwG wird deutlich, daß die Frage, ob der Zusatz in der Rechtsmittelbelehrung, die Rechtsmittelschrift sei in mehreren Stücken einzureichen, diese unrichtig macht, nach dem Inhalt der jeweilig anzuwendenden Verfahrensvorschriften zu beantworten ist. Für das Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit sieht § 93 SGG, der gemäß § 153 Abs. 1 SGG auch im Berufungsverfahren gilt, aber vor, daß der Klageschrift, den sonstigen Schriftsätzen und nach Möglichkeit den Unterlagen Abschriften für die Beteiligten beizufügen sind. Wenn auch der aus den Worten "sind beizufügen" zu entnehmende zwingende Charakter der Vorschrift nicht dazu führt, daß den Beteiligten, die den Schriftsätzen nicht die erforderlichen Abschriften beifügen, Rechtsnachteile erwachsen, so entspricht es doch einer ordnungsgemäßen Prozeßführung, daß die Beteiligten angehalten werden, der Vorschrift des § 93 SGG entsprechend den bestimmenden und vorbereitenden Schriftsätzen jeweils die entsprechende Anzahl von Abschriften beizufügen. Wenn das SG in seiner Rechtsmittelbelehrung neben den Mindestanforderungen gem. § 66 Abs. 1 SGG auch noch dem § 93 SGG entsprechend die Einreichung der Berufungsschrift in doppelter Ausfertigung gefordert hat, so hat es jedenfalls damit nicht in unzulässiger Weise die Entschließung eines Beteiligten darüber erschwert, ob er von der Möglichkeit der Einlegung des Rechtsmittels Gebrauch machen soll oder nicht. Der Entscheidung des BVerwG vom 28. August 1958, auf die sich die Kläger ausdrücklich berufen, kann auch nicht dahin gefolgt werden, daß eine derartige Rechtsmittelbelehrung den Beteiligten unzulässig belastet, der schreibungewandt ist oder über keine Schreibkraft verfügt. Wenn schon ein Beteiligter, dem auch die Möglichkeit zur Einlegung der Berufung zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eröffnet ist, den Weg zur schriftlichen Einlegung der Berufung wählt, so stellt die Forderung, die Berufungsschrift - die notwendigerweise nichts weiter als die Kennzeichnung des angefochtenen Urteils des SG und die Abhilfebitte zu enthalten braucht - in doppelter Ausfertigung einzureichen, keine unzumutbare Belastung dar. Hinzu kommt, daß auch der schreibungewandte Beteiligte oder derjenige, dem weder eine Schreibmaschine noch eine Schreibkraft zur Verfügung steht, für den Fall, daß er seine Berufungsschrift nicht mit den erforderlichen Abschriften eingereicht hat, gem. § 93 Satz 2 SGG auf Anforderung des Gerichts genötigt wäre, die erforderlichen Abschriften nachträglich einzureichen, also dieselbe Schreibarbeit zu leisten, die er bei einer ordnungsgemäßen Prozeßführung von Anfang an zu leisten gehabt hätte. Die Bezugnahme der Kläger auf die Entscheidung des BGH in RzW 1959 S. 332 für ihre Ansicht geht schon deshalb fehl, weil sich der BGH nur dazu geäußert hat, ob nach den Vorschriften der Entschädigungsgesetze die Formvorschriften über den Inhalt der Berufungsschrift in die Rechtsmittelbelehrung aufgenommen werden müssen. - Die hier vom erkennenden Senat vertretene Auffassung über den Inhalt der Rechtsmittelbelehrung im Urteil des SG steht im übrigen nicht in Widerspruch zur Auffassung des 8. Senats des BSG in BSG 11, 213, weil dieser sich in jener Entscheidung nur über den Inhalt der Rechtsmittelbelehrung in einem Verwaltungsakt über die Erfordernisse des Widerspruchs geäußert hat. Soweit die Kläger schließlich im letzten Absatz der Nr. 2 ihrer Revisionsbegründung vortragen, es sei unerheblich, ob die Fristversäumnis auf die unrichtige Rechtsmittelbelehrung zurückzuführen ist, trifft ihre Ansicht an sich zu. Da jedoch die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des SG Kassel vom 11. April 1961 nicht - wie oben ausgeführt - unrichtig ist, begann die Berufungsfrist mit Ablauf des 19. Mai 1961 zu laufen und endete am 19. Juni 1961.
Welchen Mangel im Verfahren des LSG die Kläger mit ihrem Hinweis in 3) der Revisionsbegründung rügen wollen, ist nicht ersichtlich. Sie "bitten zu prüfen", ob es ihnen nicht, wie den Gerichten nach § 138 SGG, "gestattet sein muß", einen derartigen Schreibfehler (nämlich die falsche Bezeichnung des Gerichts im Berufungsschriftsatz) nachträglich zu berichtigen. Es steht außer Frage, daß die Kläger - wie auch gegebenenfalls ihre Prozeßbevollmächtigten - Schreibfehler, Rechenfehler oder sonstige Unrichtigkeiten - seien sie offenbar oder nicht - in ihren Schriftsätzen berichtigen können. Wenn derartige Unrichtigkeiten aber bereits zur Versäumung von Rechtsmittelfristen führen, so kann diese Folge keineswegs durch eine "nachträgliche" Berichtigung beseitigt werden. Jedenfalls ist aus dem Vortrag der Kläger hierzu nicht ersichtlich, inwieweit das LSG etwa § 138 SGG verletzt haben soll oder inwieweit die nachträgliche Berichtigung Rückwirkungen auf den Eingang der Berufung beim LSG gem. § 151 SGG gehabt haben soll.
Die Kläger rügen ferner unter 4) der Revisionsbegründung, das LSG habe § 67 SGG dadurch verletzt, daß es über den Wiedereinsetzungsantrag im angefochtenen Urteil und nicht durch Beschluß entschieden habe. Diese Rüge greift ebenfalls nicht durch. Das LSG konnte über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG auch im Verfahren über die nachgeholte Rechtshandlung entscheiden. Eines besonderen förmlichen Beschlusses über den Wiedereinsetzungsantrag bedurfte es nicht, die Entscheidung über ihn kann in den Entscheidungsgründen des Urteils mitgetroffen werden (BSG in SozR SGG § 67 Bl. Da 10 Nr. 14, vgl. auch Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 67 Anm. 8).
Die Kläger führen unter 5) der Revisionsbegründungsschrift aus, es sei auffällig, daß der beim SG Kassel am 19. Juni 1961 eingegangene Berufungsschriftsatz erst am 23. Juni 1961 beim LSG eingegangen ist. Sie meinen, das SG hätte bei Eingang dieses Schriftsatzes sofort für die Weiterleitung an das Hessische LSG besorgt sein müssen. Wäre der Schriftsatz am 19. Juni 1961 unmittelbar sofort per Eilboten an das. LSG weitergeleitet worden, so wäre der Schriftsatz zweifellos noch am 19. Juni 1961 bis 24 Uhr beim LSG eingegangen. Dadurch, daß das SG seiner Verpflichtung zur sofortigen Weiterleitung nicht nachgekommen sei, sondern erst Tage später den Schriftsatz an das LSG weitergeleitet habe, sei die Fristversäumnis für sie unverschuldet eingetreten. Diese Auffassung kann nicht gebilligt werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Berufungsschriftsatz vom SG überhaupt noch am 19. Juni innerhalb der ordentlichen Dienstzeit abgesandt werden konnte und ob er selbst in diesem Falle und bei Zustellung durch Eilboten noch an demselben Tage beim LSG eingegangen wäre. Wenn das SG den am 19. Juni eingegangenen Schriftsatz am 20. Juni 1961 an das LSG weitergeleitet hat, so hat es diesen Eingang unverzüglich bearbeitet. Das SG ist nicht verpflichtet, jede Postsache unmittelbar nach Eingang daraufhin zu prüfen, ob seine Zuständigkeit gegeben ist oder ob die Sache an eine andere zuständige Stelle weiterzuleiten ist, und gegebenenfalls außerordentliche Maßnahmen zu treffen, um dadurch prozessuale Nachteile von dem Einsender abzuwehren (BSG in SozR SGG § 151 Bl. Da 2 Nr. 3; Peters/Sautter/Wolff, aaO Anm. 2 zu § 151 SGG mit weiteren Nachweisen; siehe dazu auch BGH in Versicherungsrecht 1960 S. 927 und 1962 S. 163). Das LSG ist daher bei seiner Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, daß die von den früheren Prozeßbevollmächtigten der Kläger an das SG gerichtete Berufung, die beim LSG am 23. Juni 1961 eingegangen ist, nicht rechtzeitig erhoben worden ist, weil die Berufungsfrist am 19. Juni 1961 abgelaufen war. Es hat auch § 67 SGG insoweit nicht verletzt, wenn es angenommen hat, daß ein Verschulden der Prozeßbevollmächtigten der Kläger vorlag, das die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt (vgl. BSG 11, 158, ferner SozR SGG § 67 Bl. Da 1 Nr. 2, Bl. Da 4 Nr. 7).
Dieses Verschulden hat das LSG zutreffend darin gesehen, daß die Berufungsschrift an das SG gerichtet war, obwohl in der Rechtsmittelbelehrung richtig das LSG bezeichnet war, an das sie gerichtet werden mußte.
Die in 6) der Revisionsbegründung vorgetragene Bitte wohlwollender Prüfung und der Hinweis auf eine für die Kläger unbillige Härte im Falle der Bestätigung des Urteils des LSG stellt keine Rüge eines wesentlichen Mangels im Verfahren des LSG im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG dar, so daß insoweit hierauf nicht eingegangen zu werden braucht.
Da somit ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht vorliegt, ist die Revision nicht statthaft und war durch Beschluß gemäß § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
NJW 1964, 1046 |
MDR 1964, 541 |