Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Beweislastumkehr im Impfschadensrecht. soziale Rechte
Orientierungssatz
1. Die Beweislast kehrt sich bei der Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Impfung und Gesundheitsstörung nicht um. Vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs genügend, aber auch erforderlich. Läßt sich unter diesen erleichterten Bedingungen der Wahrscheinlichkeit ein anspruchsbegründender Umstand nicht ermitteln, geht dies nach ständiger Rechtsprechung zu Lasten desjenigen, der daraus eine ihm günstige Rechtsfolge ableitet. Da die Klägerin gleichwohl eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage behauptet, hätte sie darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen worden bzw warum die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist (vgl BSG vom 2.3.1976 - 12/11 BA 116/75 = SozR 1500 § 160a Nr 13 und § 160 Nr 17).
2. Das Impfschadensrecht ist in allen Rechtsgrundsätzen dem BVG unterstellt worden, soweit nicht ausdrücklich Besonderheiten angeordnet worden sind. Als soziales Entschädigungsrecht richtet es sich nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen (§§ 5, 24 SGB 1 und Art 2 § 1 Nr 11 Buchst d SGB 1). Auch wenn das grundgesetzliche Postulat des Sozialstaats in besonderem Maße im Impfschadensrecht ausgeprägt ist, sind die Beweisanforderungen des BVG unangetastet geblieben. Dem einzelnen stehen soziale Rechte nur insoweit zu, als sie im besonderen Teil des Sozialgesetzbuchs normiert sind (§ 2 Abs 1 S 2 SGB 1).
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1; BSeuchG; SGB 1 § 2 Abs 1 S 2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 01.06.1987; Aktenzeichen L 2a Vi 26/86) |
Gründe
Die Revision ist nicht durch das Bundessozialgericht (BSG) zuzulassen, denn die Klägerin hat mit der Beschwerde keinen der Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form schlüssig geltend gemacht. Die Klägerin stützt die Nichtzulassungsbeschwerde allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) mit der Begründung, daß eine Beweislastumkehr im Impfschadensrecht jedenfalls dann geboten sei, wenn der streitige ursächliche Zusammenhang trotz erschöpfender Sachaufklärung zwar nicht wahrscheinlich gemacht werden könne, aber auch nicht unwahrscheinlich sei und die Unsicherheit letztlich darauf beruhe, daß es an medizinischer Erfahrung fehle; in derartigen Fällen müsse auch von einer Härte ausgegangen werden.
Wie der Senat bereits mit Beschluß vom 21. November 1983 (SozR 1500 § 160 Nr 51 in Ergänzung zu BSG SozR 3850 § 52 Nr 1) entschieden hat, ist diese Rechtsfrage nicht mehr klärungsbedürftig, da sie vom Revisionsgericht - wie vom Landessozialgericht in der Entscheidung zutreffend belegt - bereits entschieden ist. Nach der genannten zu SozR 3850 veröffentlichten Entscheidung sowie einem früheren Urteil des Senats vom 28. Oktober 1980 (Breithaupt 1981, 803f) kehrt sich die Beweislast bei der Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Impfung und Gesundheitsstörung nicht um. Vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs genügend, aber auch erforderlich. Läßt sich unter diesen erleichterten Bedingungen der Wahrscheinlichkeit ein anspruchsbegründender Umstand nicht ermitteln, geht dies nach ständiger Rechtsprechung zu Lasten desjenigen, der daraus eine ihm günstige Rechtsfolge ableitet. Da die Klägerin gleichwohl eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage behauptet, hätte sie darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen worden bzw warum die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und § 160 Nr 17). Dies ist nicht geschehen. Die Klägerin bezieht sich lediglich auf die besonderen tatsächlichen Umstände ihres Falles und hält die Erfahrung aus 9000 vergleichbaren Impffällen für eine zu schmale Basis für gesicherte medizinische Erkenntnis. Mit diesen Ausführungen werden ebensowenig Rechtsfragen aufgezeigt wie mit der Behauptung, daß aus diesem Grund wenigstens ein Härtefall anzunehmen sei. Insoweit rügt die Klägerin lediglich unrichtige Rechtsanwendung, nicht aber einen der Zulassungsgründe des § 160 Abs 1 SGG.
Auch mit der Behauptung, der Staat habe grundsätzlich für alle körperlichen Reaktionen nach gesetzlichen Impfungen aufzukommen, wird - ungeachtet der Frage, ob hiermit eine allgemein bedeutsame Rechtsfrage hinlänglich bezeichnet worden ist - kein Rechtsproblem angesprochen, das nicht schon in den genannten Entscheidungen behandelt worden wäre. Das Impfschadensrecht ist in allen Rechtsgrundsätzen dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) unterstellt worden, soweit nicht ausdrücklich Besonderheiten angeordnet worden sind. Als soziales Entschädigungsrecht richtet es sich nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen (§§ 5, 24 SGB 1 und Art 2 § 1 Nr 11 Buchst d SGB 1). Auch wenn das grundgesetzliche Postulat des Sozialstaats in besonderem Maße im Impfschadensrecht ausgeprägt ist, sind doch die Beweisanforderungen des BVG unangetastet geblieben. Dem einzelnen stehen soziale Rechte nur insoweit zu, als sie im besonderen Teil des Sozialgesetzbuchs normiert sind (§ 2 Abs 1 Satz 2 SGB 1). Zu diesen besonderen Teilen rechnen auch das BVG und § 51 des Bundesseuchengesetzes (BSeuchG). Im übrigen ist mit § 52 Abs 2 Satz 2 BSeuchG und § 54 Abs 3 Satz 1 BSeuchG iVm § 89 Abs 1 BVG auch Härtefällen ausreichend Rechnung getragen. In der Beschwerdeschrift fehlt es an Darlegungen dazu, warum diese Rechtsgrundsätze nicht nur der Klägerin in ihrem Einzelfall ungünstig, sondern darüber hinaus von allgemeiner Bedeutung sind. Insbesondere ist nicht dargelegt, daß von einer Entscheidung des BSG erwartet werden könne, sie werde in einer bisher nicht geschehenen, jedoch die Interessen der Allgemeinheit berührenden Weise das Recht oder die Rechtsanwendung fortentwickeln oder vereinheitlichen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 39). Solche Darlegungen wären hier schon deshalb erforderlich gewesen, weil sich im angefochtenen Urteil die Feststellung findet, daß in Deutschland kein einziger Fall einer durch Salk-Vakzine hervorgerufenen Impfpoliomyelitis bekannt geworden ist, vergleichbare Fälle daher nicht zu erwarten sind.
Die mithin nicht zulässige Beschwerde muß entsprechend § 169 SGG mit der Kostenfolge aus § 193 SGG verworfen werden.
Fundstellen