Orientierungssatz

Dem großen Senat des Bundessozialgerichts werden gemäß § 43 SGG folgende Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung vorgelegt:

1. Kommt dem Begriff der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung einer Ausfallzeit iS des § 1259 Abs 1 S 1 Nr 1 RVO diese Bedeutung wie in der Krankenversicherung zu (§ 182 Abs 1 Nr 2 RVO)?

2. Bei Verneinung der Frage 1): Besteht Arbeitsunfähigkeit iS des § 12 Abs 1 S 1 Nr 1 RVO grundsätzlich für denjenigen Zeitraum, für welchen der Versicherte Krankengeld bezogen hat, darüber hinaus aber nur für Zeiten, während welcher der Versicherte nach seinem Gesundheitszustand ihm nch § 1246 Abs 2 S 2 RVO zumutbare Tätigkeiten oder sogar andere versicherungspflichtige, ihm unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zuzumutende Tätigkeiten nicht ausüben kann?

 

Normenkette

RVO § 1259 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1965-06-09, § 182 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 Fassung: 1967-12-21, § 1246 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23; BGB § 242 Fassung: 1896-08-18

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 02.02.1976; Aktenzeichen L 3 J 125/74)

SG Kiel (Entscheidung vom 18.03.1974; Aktenzeichen S 4 J 455/73)

 

Tenor

Dem Großen Senat des Bundessozialgerichts werden gemäß § 43 des Sozialgerichtsgesetzes folgende Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung vorgelegt:

1. Ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch eine infolge Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit auch dann unterbrochen (§ 1259 Abs 1 Nr 1 RVO), wenn die Möglichkeit (Aussicht) zur erneuten Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit aufgrund des objektiven Gesundheitszustandes des Versicherten besteht oder bestanden hat?

2. Bei Verneinung der Frage 1):

Ist die - eine Unterbrechung im Sinne des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO ausschließende - Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit bereits dann zu bejahen, wenn in vorausschauender Betrachtung bei Wegfall des Krankengeldes nicht nur nach dem Leistungsvermögen, sondern auch nach der - subjektiven - Leistungsbereitschaft des weiterhin arbeitsunfähigen Versicherten die Fortsetzung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erwartet werden kann, so daß selbst die spätere Wiederaufnahme einer Beschäftigung - infolge der vorausgegangenen "einstweiligen" Beendigung - eine Unterbrechung im Sinne des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO ausschließen würde?

3. Ist die - eine Unterbrechung im Sinne des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO ausschließende - Beendigung des Erwerbslebens unabhängig von subjektiven Vorstellungen und Absichten des Versicherten erst bei objektiver Erwerbsunfähigkeit zu bejahen?

4. Ist bei Wegfall der Erwerbsunfähigkeit eine Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO möglich? Hängt dies davon ab, ob der Versicherte nach Wegfall der Erwerbsunfähigkeit tatsächlich wieder versicherungspflichtig beschäftigt oder tätig war? Ist in bezug auf das Ende der Erwerbsunfähigkeit eine vorausschauende oder eine rückblickende Betrachtungsweise angezeigt?

5. Kommt dem Begriff der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung einer Ausfallzeit im Sinne des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO dieselbe Bedeutung wie in der Krankenversicherung zu (§ 182 Abs 1 Nr 2 RVO)?

6. Bei Verneinung der Frage 5):

Besteht Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO grundsätzlich für denjenigen Zeitraum, für welchen der Versicherte Krankengeld bezogen hat, darüber hinaus aber nur für Zeiten, während welcher der Versicherte nach seinem Gesundheitszustand ihm nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO zumutbare Tätigkeiten oder sogar andere versicherungspflichtige, ihm unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zuzumutende Tätigkeiten nicht ausüben kann?

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Altersruhegeldes, insbesondere darüber, ob die Monate Oktober bis Dezember 1972 nach § 1259 Abs 1 Nr 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) als Ausfallzeit anzurechnen sind.

Der Kläger war bis zum 12. Februar 1971 als gelernter Tischler tätig. Anschließend bezog er wegen der Folgen eines Herzinfarktes bis zur "Aussteuerung" am 7. September 1972 das Krankengeld. Danach erhielt er bis zum 30. April 1973 Sozialhilfe. Die Beklagte gewährte ihm auf seinen Antrag vom 18. Juli 1972 mit Bescheid vom 28. Februar 1973 die Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU) für die Zeit vom 1. Juli 1972 an. Sie wandelte diese Rente mit Bescheid vom 7. September 1973 für die Zeit vom 1. März 1973 an in das "flexible" Altersruhegeld um.

Diesen Bescheid hat der Kläger wegen der Rentenhöhe und des Rentenbeginns angefochten. Während des erstinstanzlichen Verfahrens gewährte die Beklagte dem Kläger aufgrund eines angenommenen Teilanerkenntnisses das "flexible" Altersruhegeld bereits für die Zeit vom 1. Januar 1973 an. Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 18. März 1974 die Klage, mit der der Kläger noch die Anrechnung der Zeit vom 1. März 1971 bis zum 7. September 1972 als Ausfallzeit begehrte, abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte durch ein vom Kläger angenommenes Teilanerkenntnis die Zeit vom 1. April 1971 bis zum 30. September 1972 als Ausfallzeit anerkannt.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers, die nur noch die Anrechnung der Monate Oktober bis Dezember 1972 betraf, zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei in der streitigen Zeit nicht arbeitsunfähig iS des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO gewesen. Er sei noch in der Lage gewesen, leichte Arbeiten im Sitzen fortgesetzt und im Stehen mit Unterbrechung vollschichtig zu verrichten. Damit habe er Positionen bekleiden können, die sich durch besondere Anforderungen an das Verantwortungsbewußtsein und die Vertrauenswürdigkeit aus dem allgemeinen Kreis ungelernter Tätigkeiten hervorheben. Das gelte insbesondere für die Tätigkeit eines Pförtners, etwa bei einer Behörde, der nicht nur den Besucherverkehr im Auge zu behalten und zu überwachen habe, sondern dem Publikum auch Auskünfte erteilen und dementsprechend zuverlässig und verantwortungsbewußt sein müsse.

Der Kläger hat dieses Urteil mit der - vom LSG zugelassenen - Revision angefochten. Er ist - u. a. - der Ansicht, er sei in der streitigen Zeit arbeitsunfähig gewesen. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit in § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO unterscheide sich von dem gleichlautenden Begriff in § 182 Abs 1 Nr 2 RVO nicht. Arbeitsunfähig sei danach derjenige, der nicht in der Lage sei, die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Es komme daher nicht darauf an, ob der Versicherte in der Lage sei, eine nach § 1246 Abs 2 RVO zumutbare Tätigkeit zu verrichten. Die danach in der streitigen Zeit bestehende Arbeitsunfähigkeit habe auch eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit unterbrochen, denn da der Kläger nicht erwerbsunfähig gewesen sei, sei er bis zum Beginn des Altersruhegeldes nicht aus dem Erwerbsleben ausgeschieden gewesen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 7. September 1973 und 30. Juli 1974 zu verurteilen, auch die Monate Oktober bis Dezember 1972 als Ausfallzeit beim Altersruhegeld anzurechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und ist der Ansicht, die Revision des Klägers sei unbegründet.

II

Die zulässige Revision des Klägers hat Erfolg, wenn der Kläger einen Anspruch auf ein höheres als das festgestellte Altersruhegeld hat. Nach § 1254 Abs 1 iVm § 1258 Abs 1 und § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO sind die streitigen Monate Oktober bis Dezember 1972 rentensteigernd anzurechnen, wenn es sich dabei um Zeiten handelt, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch eine infolge Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit unterbrochen worden ist und wenn sie in den Versicherungskarten oder sonstigen Nachweisen bescheinigt sind.

Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß die von ihm dem Großen Senat des Bundessozialgerichts (BSG) vorgelegten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Großen Senats nach § 43 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erfordern.

III

1. Die Frage der Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit iS des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO ist bis zu den beiden Urteilen des 4. Senats vom 28. Februar 1978 - 4 RJ 65/76 - und vom 19. April 1978 - 4 RJ 91/77 - von den verschiedenen, mit Angelegenheiten der Rentenversicherung betrauten Senaten des BSG einheitlich beantwortet worden.

In der Rechtsprechung sowohl des BSG als auch der Tatsachengerichte ist eine Unterbrechung auch dann angenommen worden, wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht von versicherungspflichtigen Beschäftigungen oder Tätigkeiten "umrahmt" wird, sondern lediglich die Arbeitsunfähigkeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit folgt und bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit die bloße Möglichkeit zur erneuten Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit bestanden hat (vgl Frage 1). In der Entscheidung des 4. Senats vom 13. Mai 1966 (BSGE 25, 16, 18 = SozR Nr 17 zu § 1259 RVO) ist dies unter Hinweis auf BSGE 16, 120, 122 = SozR Nr 4 zu § 1259 RVO damit begründet worden, daß in dem Begriff "Unterbrechung" die Möglichkeit eingeschlossen sei, das Unterbrochene - eine versicherungspflichtige Beschäftigung - wieder fortzusetzen. Eine solche Möglichkeit sei selbst dann vorhanden, wenn Arbeitsunfähigkeit und BU gleichzeitig einträten. Wenn auch dieselben in der Person des Versicherten liegenden Verhältnisse, die seine BU hervorriefen, ebenfalls seine Arbeitsunfähigkeit bewirkten, so sei es doch möglich gewesen, daß der Versicherte nach Fortfall der Arbeitsunfähigkeit wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen hätte. Diese Aussicht genüge, um das Merkmal der Unterbrechung zu verwirklichen. Dieser Auffassung hat sich der 12. Senat in den Urteilen vom 13. März 1968 (BSGE 28, 29, 30 = SozR Nr 19 zu § 1259 RVO) und vom 7. Juli 1970 - 12 RJ 294/66 - angeschlossen. Dabei wird in der letzteren Entscheidung ausdrücklich betont, daß auch bei Umwandlung einer Rente wegen BU in ein Altersruhegeld die Berücksichtigung zusätzlicher krankheitsbedingter Ausfallzeiten geboten sei, selbst wenn der Versicherte während des Bezugs der Rente wegen BU keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nachgegangen ist (unter Bezugnahme auf ein weiteres Urteil des 4. Senats vom 23. August 1966, Die Rentenversicherung 1967, 20, 21). Damit im Einklang stehen auch die Entscheidungen des 1. Senats vom 3. Mai 1968 (BSGE 28, 68 = SozR Nr 20 zu § 1259 RVO), des 12. Senats vom 25. Februar 1971 (BSGE 32, 232 = SozR Nr 34 zu § 1259 RVO) und vom 30. Juni 1971 (SozR Nr 36 zu § 1259 RVO) sowie des 5. Senats vom 27. April 1973 (SozR Nr 55 zu § 1259 RVO), wonach in den Fällen, in denen zur Arbeitsunfähigkeit des Versicherten eine dauernde Erwerbsunfähigkeit (EU) hinzutritt, die versicherungspflichtige Beschäftigung iS des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO nicht unterbrochen, sondern beendet ist. Dieses Ergebnis wird nämlich dort übereinstimmend damit begründet, daß der erwerbsunfähige Versicherte - anders als der nur berufsunfähige - nach der gesetzlichen Definition der EU und den Vorstellungen bzw der generalisierenden Betrachtungsweise des Gesetzgebers aus dem Erwerbsleben endgültig ausgeschieden sei oder als ausgeschieden gelte.

Fällt dagegen die EU vor Eintritt des Versicherungsfalles wieder weg, für den die Berücksichtigung einer Ausfallzeit nach § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO begehrt wird, so ist - jedenfalls nach einem Teil der vorliegenden Entscheidungen - die Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit infolge Arbeitsunfähigkeit gleichwohl zu bejahen. Insoweit ist allerdings - wie bereits der 11. Senat in seinem Urteil vom 5. Februar 1976 (BSGE 41, 168, 170 = SozR 2200 § 1259 Nr 15) festgestellt hat - noch keine klare Linie erkennbar. Der in dieser Entscheidung gegebene Überblick über die zu dieser Frage unterschiedliche Rechtsprechung des BSG läßt es nach Ansicht des 11. Senats verstehen, wenn Tabert (Die Angestelltenversicherung 1975, 542) mit Bezug auf den dort entschiedenen Fall meint, daß "der gesamte Fragenkomplex noch lange nicht geklärt" sei (vgl insoweit Frage 4). Der 11. Senat hat sich in dem zitierten Urteil vom 5. Februar 1976 mit diesen Hinweisen begnügt, weil er eine einheitliche Rechtsprechung des BSG für die Fälle annahm, in denen die EU fortwährend bis zum Versicherungsfall des Alters besteht. Er ging insoweit davon aus, daß mit dem objektiven Zustand der EU die versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit unabhängig von subjektiven Vorstellungen und Absichten des Versicherten beendet werde, so daß es nicht rechtserheblich sei, ob der Versicherte auch während der EU arbeitswillig gewesen sei und sobald wie möglich wieder habe tätig sein wollen (vgl Frage 3). Dieser Auffassung hat sich der 4. Senat in seinem Urteil vom 26. Mai 1976 (SozR 2200 § 1259 Nr 16) für den Fall der neben der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bis zum Versicherungsfall des Alters fortbestehenden EU angeschlossen.

2. Da in dem vorliegenden, vom 5. Senat zu entscheidenden Fall nach den Feststellungen des LSG sich die Arbeitsunfähigkeit mit Krankengeldbezug unmittelbar an die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung des Versicherten angeschlossen und während der streitigen Zeit weder vorübergehende noch dauernde EU bestanden hat, hätte der erkennende Senat trotz der vom 11. Senat in der Entscheidung vom 5. Februar 1976 aaO vermißten "klaren Linie" zu den beim späteren Wegfall der EU auftauchenden Rechtsfragen von einer Unterbrechung der versicherungspflichtigen Beschäftigung iS des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO ausgehen können, wenn nicht zwischenzeitlich durch die zitierten beiden Urteile des 4. Senats vom 28. Februar 1978 und 19, April 1978 aaO auch der bisher von der Rechtsprechung einheitlich beantwortete Fragenkomplex infrage gestellt worden wäre. In diesen Entscheidungen wird nämlich erstmals die Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit iS des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO nicht nur von der - sich nach der objektiven Leistungsfähigkeit des arbeitsunfähigen Versicherten richtenden - Möglichkeit zu deren späteren Wiederaufnahme, sondern zusätzlich von der Leistungsbereitschaft des Versicherten und damit von einem subjektiven Moment abhängig gemacht. Die Folge davon ist, daß auch bei nicht bestehender EU des arbeitsunfähigen Versicherten eine - die Unterbrechung iS des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO ausschließende - Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit in Betracht kommt (vgl Frage 2).

Hiergegen bestehen aus verschiedenen Gründen Bedenken. Die Entscheidungen des 4. Senats vom 28. Februar 1978 und 19. April 1978 aaO sind zunächst kaum mit der aufgezeigten bisherigen Rechtsprechung des BSG zu vereinbaren, die eine Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit iS eines Abschlusses des Erwerbslebens lediglich bei objektiv vorliegender EU des Arbeitsunfähigen angenommen hat. Wenn es in diesem Fall - wie es der 11. Senat im Urteil vom 5. Februar 1976 aaO betont hat - auf subjektive Vorstellungen, insbesondere eine etwaige Arbeitswilligkeit des Erwerbsunfähigen nicht ankommen kann und wenn der 4. Senat darauf bezugnehmend im Urteil vom 26. Mai 1976 aaO die vorzeitige Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung sogar dann bejaht, wenn der Arbeitsunfähige während der EU gelegentlich eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, so dürfte zu prüfen sein, ob es bei Arbeitsunfähigkeit ohne gleichzeitige BU nicht folgerichtig wäre, die Frage der Unterbrechung iS des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO dann ebenso ausschließlich an dem ebenfalls nur objektiven Kriterien zugänglichen Begriff der Arbeitsunfähigkeit (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Anm 10 a zu § 182 zu orientieren, dh unabhängig von der subjektiven Einstellung des Versicherten zu einer möglichen Wiederaufnahme der Beschäftigung. Dies um so mehr, als der Gesetzgeber in Fällen der Arbeitsunfähigkeit ohne gleichzeitig bestehende EU - wie gerade der von ihm gewählte Begriff "Unterbrechung" in § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO zeigt - in einer generalisierenden Betrachtungsweise davon ausgeht, daß trotz des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit das Arbeits- und Versicherungsleben des Versicherten noch nicht auf Dauer beendet ist (vgl BSG SozR Nr 55 zu § 1259 RVO). Die diesen Erwägungen entsprechende frühere Entscheidung des 4. Senats vom 13. Mai 1966 aaO, wonach es für den Tatbestand der Unterbrechung genügt, wenn aufgrund des Gesundheitszustandes die "fiktive Möglichkeit" zur erneuten Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestand, hat im Schrifttum nicht zuletzt deshalb nahezu einhellige Zustimmung gefunden (vgl insoweit Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst, "Das Angestelltenversicherungsgesetz", Teil IV, Anm B I, 6 zu § 36 AVG; Brackmann, "Handbuch der Sozialversicherung", Teil III, S. 700 d III; Eicher/Haase/Rauschenbach, "Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten", 6. Aufl, Anm 8 zu § 1259 RVO; Verbandskommentar zur RVO, Anm 7 und 9 zu § 1259; Tabert aaO, S. 542), weil danach - im Gegensatz zu den jüngsten Urteilen desselben Senats vom 28. Februar 1978 und 19. April 1978 aaO - für die Unterbrechung iS des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO gerade nicht verlangt wird, daß der Versicherte bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit die Absicht gehabt habe, nach deren Beendigung wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen. Zweng/Scheerer ("Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten", 2. Aufl, Anm II 1 zu § 1259 S. 7/8) weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, daß es entsprechend den Ausführungen in BSGE 16, 120, 123 allenfalls bei der Unterbrechung der versicherungspflichtigen Beschäftigung durch Arbeitslosigkeit (§ 1259 Abs 1 Nr 3 RVO) auf eine derartige Absicht ankommen könne, weil zum Begriff der Arbeitslosigkeit - anders als zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit - die sogenannte subjektive Verfügbarkeit gehöre. Bei letzterer dürfte der objektive Sachverhalt ausschlaggebend sein. Damit im Einklang ist nach Hanow/Lehmann/Bogs ("Reichsversicherungsordnung", 4. Buch, Randbemerkung 42 zu § 1259) bei der Prüfung der Unterbrechung iS des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO jedenfalls auf den Nachweis der "Fortsetzungsabsicht" schon aus verwaltungstechnischen Gründen "zu verzichten". Denn die Prüfung der "Unterbrechung" komme auf den Versicherungsträger erst zu, wenn die infrage stehenden Zeiten bereits abgelaufen seien. Die Rückfrage, ob der Versicherte zu Beginn der "Unterbrechung" beabsichtigt habe, nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufzunehmen, werde dieser aber in der Regel bejahen.

Der 4. Senat versucht diesen Schwierigkeiten in seinen die Frage der "Unterbrechung" von einer subjektiven Bereitschaft zur Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses abhängig machenden Urteilen vom 28. Februar 1978 und 19. April 1978 aaO dadurch zu begegnen, daß er in vorausschauender Betrachtungsweise lediglich auf die Willensrichtung des Versicherten im Zeitpunkt des Wegfalls des Krankengeldes abstellt und diese bestimmten äußeren Verhaltensweisen des Versicherten, wie zB Klageerhebung gegen die Ablehnung der beantragten Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente (so im Urteil vom 19. April 1978), entnimmt. Abgesehen von rein revisionsrechtlichen Bedenken scheint es auch für sich betrachtet zweifelhaft, ob aus einem Verhalten des Versicherten wie der Rentenantragstellung, der Klage gegen die Ablehnung der Rente und der Nichtausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung während des Klageverfahrens zwingend auf eine fehlende Leistungsbereitschaft des Versicherten und damit auf eine - die Unterbrechung iS des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO ausschließende - Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geschlossen werden kann. In der Regel wird der Versicherte bei Stellung des Antrags auf EU-Rente und entsprechender Klageerhebung den Willen nur dann haben, sein Arbeitsleben zu beenden, wenn diesem Rentenbegehren letztlich entsprochen wird. Für den Fall eines für ihn negativen Ausgangs wird man den Willen zur Beendigung des Arbeitslebens nicht unterstellen dürfen. In dem vom 4. Senat mit Urteil vom 19. April 1978 aaO entschiedenen Fall hatte dies umso mehr gelten können als die Klägerin nach der Erfolglosigkeit ihrer Rentenklage im Anschluß an einen erneuten Krankengeldbezug tatsächlich eine versicherungspflichtige Beschäftigung wieder aufgenommen hat. Trotzdem hat sich der 4. Senat infolge der in diesem Urteil befürworteten vorausschauenden Betrachtungsweise, die ausschließlich auf den ersten Wegfall des Krankengeldes abstellt, nicht gehindert gesehen, zu jenem Zeitpunkt eine "einstweilige" Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung anzunehmen, die ebenfalls eine weitere Anrechnung von Ausfallzeiten nach § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO für den nachfolgenden Versicherungsfall des Alters nicht zulasse (vgl Frage 2).

3. Die erstmals zur Verwendung des Begriffs einer "einstweiligen" Beendigung führende vorausschauende Betrachtungsweise steht indes ebenfalls in Widerspruch zu der bisherigen Rechtsprechung des BSG. Nach dieser hat lediglich die endgültige Beendigung des Erwerbslebens in Form der dauernden Erwerbsunfähigkeit eine Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeschlossen und dies ist regelmäßig rückblickend geprüft worden. In dem zitierten Urteil des 1. Senats vom 3. Mai 1968 aaO heißt es insoweit ausdrücklich, daß Zeiten der Arbeitsunfähigkeit während des Bezugs einer EU-Rente dann Ausfallzeiten seien, "wenn zB die Erwerbsunfähigkeit vor dem Versicherungsfall des Alters wieder weggefallen ist, wie bei einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit (§ 1276 RVO) oder auch bei einem nicht voraussehbaren Wiedereintritt der Erwerbsfähigkeit". Im Anschluß daran wird in dem Urteil des 12. Senats vom 30. Juni 1971 (SozR Nr 36 zu § 1259 RVO) betont, daß erst eine vom Versicherungsfall des Alters her rückschauende Betrachtungsweise das endgültige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben feststellen könne; sei die EU inzwischen beseitigt, dann sei die versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen; andernfalls sei sie beendet gewesen. Unter Bezugnahme hierauf hat der 12. Senat in einem weiteren Urteil vom 13. März 1975 (BSGE 39, 218, 220 = SozR 2200 § 1259 Nr 6) entschieden, daß "die bei der späteren Rentenberechnung notwendig rückschauende Betrachtung der Sachlage" maßgeblich sei. Ergebe diese, daß der Zeit einer vorübergehenden EU und gleichzeitigen Arbeitsunfähigkeit eine rentenversicherungsrechtliche Beschäftigung oder Tätigkeit nachgefolgt ist, so sei diese Zeit der Arbeitsunfähigkeit eine Ausfallzeit nach § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO "unabhängig davon, ob für diese Zeit ganz, teilweise oder überhaupt nicht Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit (§ 1276 RVO) oder eine Dauerrente wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 1247 RVO) gewährt worden ist oder eine derartige Zeit- oder Dauerrente wegen Änderung der Verhältnisse entzogen worden ist (§ 1246 RVO)".

Demgegenüber hat sich der 4. Senat in seinem Urteil vom 30. Juli 1975 aaO erstmals mit der Frage befaßt, ob an der aufgezeigten Rechtsprechung, wonach eine zeitweilige EU während der Arbeitsunfähigkeit Ausfallzeit nach § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO sein kann, uneingeschränkt festzuhalten sei. Er hat dort ein Abweichen für die Fälle erwogen, in denen sich die EU von Anfang an als auf Dauer gerichtet darstellt, später aber wider Erwarten wieder wegfällt. In Fällen dieser Art könne die Entscheidung davon abhängen, ob in bezug auf das Ende der EU - abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des BSG - eine vorausschauende Betrachtungsweise angezeigt sei (vgl Frage 4). Diese im Urteil vom 30. Juli 1975 aaO noch offengelassene Frage (die zeitlich mit der Arbeitsunfähigkeit zusammenfallende EU ist dort sowohl voraus- als auch rückschauend nicht als Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, sondern nur als Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses gewertet worden) hat der 4. Senat aber nunmehr in seinen Urteilen vom 28. Februar 1978 und 19. April 1978 aaO nicht auf die Fälle einer von Anfang an objektiv bestehenden und auf Dauer gerichteten EU beschränkt, sondern unabhängig davon auf andere Fälle der Leistungseinschränkung (Arbeitsunfähigkeit mit und ohne gleichzeitige BU) ausgedehnt und für diese iS einer vorausschauenden Betrachtung bejaht, ohne auf die bisherige rückschauende Betrachtung des BSG in den vorstehend genannten Urteilen einzugehen.

Dies hat zur Folge, daß einerseits nach den Entscheidungen des 1. Senats vom 3. Mai 1968 aaO und des 12. Senats vom 30. Juni 1971 aaO Zeiten gleichzeitiger Arbeitsunfähigkeit und EU selbst bei einem nicht voraussehbaren Wiedereintritt der EU Ausfallzeiten nach § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO sein können. Nach dem weiteren Urteil des 12. Senats vom 13. März 1975 aaO gilt dies jedenfalls dann, wenn der Versicherte nach Wegfall der EU wieder versicherungspflichtig beschäftigt oder tätig ist, nach der Entscheidung des 5. Senats vom 26. September 1974 - 5 RJ 140/72 - (in SozR 2200 § 1631 Nr 1 insoweit nicht abgedruckt) unabhängig davon, wenn infolge des Bezugs einer bloßen Zeitrente nicht von einem "auf Dauer angelegten Ausscheiden des Versicherten aus dem Arbeits- und Versicherungsleben gesprochen werden kann" (vgl zu diesen unterschiedlichen Anforderungen auch Tabert aaO S. 541). Andererseits soll aber nach den Entscheidungen des 4. Senats vom 28. Februar 1978 und 19. April 1978 aaO ein arbeitsunfähiger Versicherter, der objektiv nicht einmal erwerbsunfähig ist, sondern sich bei Wegfall des Krankengeldes lediglich subjektiv - womöglich - für erwerbsunfähig hält, die der Arbeitsunfähigkeit vorausgegangene versicherungspflichtige Beschäftigung selbst dann nicht iS des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO unterbrochen haben, wenn er später wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnimmt. Diese Widersprüche bedürfen einer umfassenden Klärung mit dem Ziel, eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern (vgl hierzu auch Tabert aaO S. 542).

4. Der Begriff der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung einer Ausfallzeit nach § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO ist in der bisherigen Rechtsprechung des BSG ebenfalls unterschiedlich ausgelegt worden.

Der 5. Senat hat - trotz der auch von ihm betonten Herkunft dieses Begriffs aus dem Recht der Krankenversicherung - eine davon abweichende eigenständige, an den "Zielen der Rentenversicherung" bzw dem "Sinn und Zweck der Ausfallzeitenregelung" orientierte Interpretation befürwortet. Danach sei für Zeiten, in denen der arbeitsunfähige Versicherte Krankengeld bezieht (vgl § 183 Abs 2 RVO), grundsätzlich auch Arbeitsunfähigkeit iS des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO anzunehmen, nicht aber für Zeiten, in denen der - iS des Rechts der Krankenversicherung möglicherweise weiterhin arbeitsunfähige - Versicherte noch ihm nach § 1246 Abs 2 RVO zumutbare Tätigkeiten (so Urteil vom 19. Dezember 1968 in BSGE 29, 77 = SozR Nr 21 zu § 1259 RVO) oder sogar ihm "unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -)" zuzumutende versicherungspflichtige Tätigkeiten (so Urteil vom 27. Februar 1973 in BSGE 35, 234 = SozR Nr 53 zu § 1259 RVO) verrichten kann (vgl Frage 6).

Der 12. Senat ist zunächst im Urteil vom 13. März 1968 aaO unter Bezugnahme auf BSGE 25, 16 = SozR Nr 17 zu § 1259 RVO von der einheitlichen Auslegung des Arbeitsunfähigkeitsbegriffs im Renten- und Krankenversicherungsrecht ausgegangen, hat sich dann aber in seinem Urteil vom 7. Juli 1970 aaO der Entscheidung des 5. Senats vom 19. Dezember 1968 aaO angeschlossen und schließlich in seinen Urteilen vom 25. Februar 1971 aaO und vom 31. Januar 1973 (12 RJ 312/73) - im Ergebnis wie in der Entscheidung des 5. Senats vom 27. Februar 1973 aaO - eine Arbeitsunfähigkeit iS des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO für Zeiten verneint, in denen der Versicherte nach Wegfall des Krankengeldes trotz bestehender BU noch "in leichteren außerberuflichen Tätigkeiten" versicherungspflichtig arbeiten könne.

Demgegenüber hat der 4. Senat im Urteil vom 13. Mai 1966 aaO den Begriff der Arbeitsunfähigkeit für die Rentenversicherung mit dem Inhalt übernommen, wie er vom 3. Senat für die Krankenversicherung zu § 182 Abs 1 Nr 2 RVO entwickelt worden ist (vgl Frage 5). Danach ist die Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich an der zuletzt ausgeübten Erwerbsarbeit zu messen. Sie besteht - unabhängig vom etwaigen Bezug einer Rente wegen BU - dann, wenn der Versicherte dieser bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit - oder zumindest einer ähnlich gearteten nach seinem Gesundheitszustand überhaupt nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin nachgehen kann, seinen Zustand zu verschlimmern (vgl Urteil vom 30. Mai 1967 in BSGE 26, 288, 290 = SozR Nr 25 zu § 182 RVO unter Bezugnahme auf BSGE 19, 179, 181 und die ständige Rechtsprechung des früheren Reichsversicherungsamtes). Dem hat sich der 5. Senat für den Bereich der knappschaftlichen Krankenversicherung angeschlossen (vgl Urteil vom 4. Februar 1976, SozR 2200 § 182 Nr 12). In seiner Entscheidung vom 22. Mai 1974 (SozR 2200 § 1259 Nr 1) hat der 4. Senat diese krankenversicherungsrechtliche Interpretation der Arbeitsunfähigkeit auch bei der Prüfung einer Ausfallzeit nach § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO weiterhin befürwortet und in diesem Rahmen gegen einen "Tatbestand der Arbeitsunfähigkeit mit mehr oder weniger Eigengehalt" iS der genannten Entscheidungen des 5. und 12. Senats ausführlich dargelegte Bedenken angemeldet. Diese hat der 4. Senat im Urteil vom 28. Februar 1978 aaO - wie dort ausdrücklich betont wird - nicht aufgegeben. Damit im Einklang hat er schließlich in den Urteilen vom 24. Mai 1978 (4 RJ 69/77) und 27. Juni 1978 (4 RJ 90/77) entschieden, daß der in § 1241 e Abs 1 RVO - und damit ebenfalls in der Rentenversicherung - enthaltene Begriff "arbeitsunfähig" dem der Krankenversicherung in § 182 Abs 1 Nr 2 RVO entspreche.

5. Der vorliegende Senat hat aufgrund der Ausführungen des 4. Senats im Urteil vom 22. Mai 1974 aaO sowie der Kritik von Köpke (Soziale Sicherheit 1973, 264 ff) und Tannen (DRV 1974, 248), aber auch aufgrund des Vorbringens des Revisionsklägers im vorgelegten Fall Zweifel, ob seine bisherige Auslegung des Begriffs der Arbeitsunfähigkeit iS eines rentenversicherungsrechtlichen Eigengehalts aufrechterhalten bleiben kann, zumal diese unter Berücksichtigung der zuletzt genannten Entscheidungen des 4. Senats vom 24. Mai und 27. Juni 1978 selbst innerhalb der Rentenversicherung nicht einheitlich gelten könnte. Die bisherigen Deutungen der Arbeitsunfähigkeit in § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO sind damit - wie der 4. Senat bereits im Urteil vom 22. Mai 1974 aaO erkannt hat - "noch nicht abgeklärt und in sich gefestigt". Dies um so mehr, als dem vorliegenden Senat bekannt ist, daß der 1. Senat in der Revisionssache 1 RA 27/76 ebenfalls über den Arbeitsunfähigkeitsbegriff iS des § 36 Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (= § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO) zu entscheiden haben wird.

6. Im Zusammenhang mit den vorgelegten Fragen 5 und 6 wird womöglich auch zu klären sein, ob eine Annäherung oder gar Übereinstimmung zwischen dem vom 3. Senat im Krankenversicherungsrecht und vom 5. Senat im Rentenversicherungsrecht entwickelten Arbeitsunfähigkeitsbegriff geboten und auch rechtlich vertretbar ist. Insoweit hat der 4. Senat bereits im Urteil vom 22. Mai 1974 aaO ausgeführt: "Je stärker im übrigen die fraglichen Begriffserläuterungen zum Recht der Krankenversicherung und dem der Rentenversicherung sich einander annähern, um so mehr verliert die Frage an Gewicht, ob die Formulierung ___AMPX_‚_SEMIKOLONX___Xeine infolge Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit___AMPX_‚_SEMIKOLONX___X in § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO eine Begriffsverweisung auf § 182 RVO enthält und in welchem Ausmaß eine solche Verweisung wirkt". Er hat Ansatzpunkte für ein "deckungsgleiches Begriffsverständnis in beiden Normen" in der Entscheidung des 3. Senats vom 19. Januar 1971 (3 RK 42/70) gesehen, weil dort "der Gedanke an eine berufliche Verweisung auch für das Recht der sozialen Krankenversicherung ausgesprochen" worden sei.

Der 5. Senat hat in seinem Urteil vom 27. Februar 1973 aaO befürwortet, daß ein "langfristig" erkrankter Versicherter, der seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben kann und sich weigert, eine seinem Gesundheitszustand entsprechende Tätigkeit aufzunehmen, auch gemäß § 182 Abs 1 Nr 2 RVO nicht mehr als arbeitsunfähig angesehen werde.

Derartigen Modifizierungen des herkömmlichen Begriffs der Arbeitsunfähigkeit ist indes der 3. Senat bisher mit Zurückhaltung begegnet. Im Urteil vom 30. Mai 1967 aaO hat er sich unter Hinweis auf die "klare gesetzliche Regelung" in § 183 Abs 5 RVO nicht für befugt gehalten, diesen Begriff auf Zustände vorübergehender Art zu beschränken. Von dem Grundsatz der zeitlich uneingeschränkt möglichen Arbeitsunfähigkeit hat der 3. Senat in seinem Urteil vom 2. Oktober 1970 (BSGE 32, 18, 20 = SozR Nr 40 zu § 182 RVO) lediglich dann eine Ausnahme gemacht, wenn der seine bisherige Erwerbstätigkeit infolge Krankheit nicht mehr ausübende Versicherte "aus freien Stücken" eine seinem Gesundheitszustand entsprechende Beschäftigung aufnimmt. Die vom 5. Senat im Anschluß daran aufgeworfene Frage, ob die weitere Arbeitsunfähigkeit im Krankenversicherungsrecht ebenso zu verneinen wäre, wenn der "langfristig" erkrankte Versicherte sich weigern würde, für die Zukunft eine seinem Gesundheitszustand entsprechende Tätigkeit auszuüben, hat der 3. Senat in der Entscheidung vom 2. Oktober 1970 ausdrücklich offengelassen.

IV

Unter Berücksichtigung aller in Abschnitt III genannten Gründe sind die bisherigen Entscheidungen des BSG sowohl zu der für die Anrechnung einer Ausfallzeit nach § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO erforderlichen Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit (Fragen 1 bis 4) als auch zur Arbeitsunfähigkeit iS dieser Vorschrift (Fragen 5 und 6) nicht widerspruchsfrei und geben darüberhinaus zu den aufgezeigten Zweifeln und Bedenken Anlaß. Unter Beachtung der Entscheidungen des Großen Senats zur Zulässigkeit einer Vorlage nach § 43 SGG (BSGE 30, 167, 170; 41, 41, 43) hält es der 5. Senat daher für angezeigt, daß der Große Senat über den gesamten Fragenkomplex zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung entscheidet.

Die Zahl der von der Anfrage betroffenen Fälle bleibt trotz der in § 1227 Abs 1 Nr 8 a RVO idF des Rehabilitationsangleichungsgesetzes (Reha-AnglG) 1974 getroffenen Regelung, wonach unter den dort genannten - einschränkenden - Voraussetzungen (vgl auch § 1227 Abs 1 a RVO) für eine begrenzte Zeit der Arbeitsunfähigkeit Versicherungspflicht bestehen kann, auch in Zukunft von Bedeutung. Denn danach können - wie auch die Neufassung des § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO durch § 21 Nr 75 Reha-AnglG 1974 zeigt - lediglich Rehabilitationsmaßnahmen nach dem 30. September 1974 im allgemeinen keine Ausfallzeiten mehr sein (vgl hierzu Eicher/Haase/Rauschenbach aaO, Anm 5 a zu § 1259).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652346

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