Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Unzureichende Sachaufklärung. Beweisantrag. Behauptungen „aufs Geratewohl”. Behauptungen „ins Blaue hinein”. Rechtliches Gehör. Überraschungsentscheidung. Unrichtiger Tatbestand. Entscheidungsgründe. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Rüge einer unzureichenden Sachaufklärung muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können.
2. Stellt ein Beteiligter für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts lediglich Behauptungen „aufs Geratewohl” oder „ins Blaue hinein” auf, brauchen die Tatsacheninstanzen solchen Beweisantritten nicht nachzugehen.
3. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt insbesondere dann vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können.
4. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine unerwartete Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung mehrerer vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte.
5. Unrichtigkeiten des Tatbestandes können mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht als Verfahrensfehler geltend gemacht werden.
6. Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat oder gar die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten.
7. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist.
Normenkette
SGG §§ 62, 73 Abs. 4, §§ 103, 106 Abs. 1, §§ 109, 112 Abs. 2 S. 2, § 128 Abs. 1 S. 1, § 136 Abs. 1 Nr. 6, § 160 Abs. 1 Nrn. 1, 3, Abs. 2 Nrn. 2-3, § 160a Abs. 2 S. 3, § 169 Sätze 2-3, § 163; SGB V § 175 Abs. 4; GG Art. 103 Abs. 1
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 26. November 2013 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen den von der beklagten Krankenkasse erhobenen Zusatzbeitrag.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer LSG vom 26.11.2013 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels trotz seines umfänglichen Vorbringens entgegen § 160a Abs. 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr. 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr. 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 7).
Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom 4.2.2014 auf die Zulassungsgründe des Verfahrensmangels und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
1. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl. zB BSGE 2, 81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr. 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs. 1 S 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG SozR Nr. 79 zu § 162 SGG; BSG SozR 1500 § 160 Nr. 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
a) Der Kläger trägt vor (S 1 ff der Beschwerdebegründung), er habe mehrfach gegenüber dem LSG beantragt, Beweis zu erheben über seine Behauptung, bei der Erhebung des Zusatzbeitrags der Beklagten betrage der "Zahlungsausfall" bzw. das "Vollzugsdefizit nahe 100%". Mit Schriftsatz vom 18.2.2012 habe er beantragt, es sei Beweis zu erheben, 1. "wie hoch die Vollzugsdefizite beim Zusatzbeitrag in den Jahren 2010 und 2011 bei der Beklagten waren, durch (ggf. schriftliche) Auskunft des Vorstandes der Beklagten" und 2. "welche konkrete Maßnahmen die Beklagte zur Verminderung des Vollzugsdefizit beim Zusatzbeitrag unternahm". Dieser Antrag sei nochmal vertieft worden im Schriftsatz vom 15.11.2012. Dort habe er ausgeführt: "Es ist daher geboten, über die Höhe des Vollzugsdefizits Beweis zu erheben, indem die komplette Buchführung der Beklagten für den Streitzeitraum in der mündlichen Verhandlung durch das Gericht im Beisein des Klägers gesichtet wird. Zudem sind sämtliche andere Krankenkassen, die den Zusatzbeitrag erhoben haben, bezüglich ihrer Zahlungsausfälle zu untersuchen, z.B., indem diese zunächst vom Gericht angeschrieben werden und ggf. anschließend in der mündlichen Verhandlung ihre eigene Buchführung für den Streitzeitraum vorzulegen haben." Diesen Beweisantrag habe er auch in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten, indem er ausweislich der Sitzungsniederschrift beantragt habe: "Die Beklagte soll konkret über den Einnahmeausfall (Soll/Ist) Auskunft erteilen, diese Auskunft notfalls durch Vorlage der Buchführung oder entsprechender Unterlagen, wo diese Zahlen ersichtlich sind, belegen." Zu Unrecht sei das LSG diesem Antrag nicht nachgekommen. Insbesondere handele es sich nicht um einen Ausforschungsbeweisantrag. Da die Beweisaufnahme seine Behauptung eines "Zahlungsausfalls" bzw "Vollzugsdefizits nahe 100 %" belegt hätte, hätte er in der Sache auch Erfolg gehabt.
Der Kläger hat damit eine unzureichende Sachaufklärung durch das LSG mit Blick auf § 160 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 iVm § 103 SGG nicht in einer Weise dargestellt, dass sich der Verfahrensmangel bei Zugrundelegung der Angaben der Beschwerdebegründung allein aus dieser schlüssig ergibt. Eine solche Rüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl. BSG SozR 4-1500 § 160a Nr. 3 RdNr. 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr. 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr. 6 mwN).
Der Senat kann offenlassen, in welchem Umfang der Beschwerdevortrag des Klägers die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt. Für einen schlüssigen Vortrag zum Vorliegen einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht fehlt es jedenfalls an der Darlegung, dass sich das LSG zu einer Beweiserhebung über die Behauptung des Klägers, dass bei der Erhebung des Zusatzbeitrags der Beklagten das "Vollzugsdefizit" bzw. der "Zahlungsausfall" "nahe 100 %" liege, von seinem rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen. Denn der Kläger legt nicht dar, auf welche konkreten Erkenntnisquellen er diese Behauptung stützt. Das aber hätte der Kläger in seiner Beschwerdebegründung aufzeigen müssen. Denn stellt ein Beteiligter für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts lediglich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" auf, brauchen die Tatsacheninstanzen solchen Beweisantritten nicht nachzugehen. Zu Ermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte besteht aber auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen keine Verpflichtung (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 9.10.2007 - 2 BvR 1268/03 - Juris RdNr. 19; BSG Beschluss vom 5.2.2009 - B 13 RS 85/08 B - Juris RdNr. 18).
Soweit der Kläger einen "Sachaufklärungsmangel wegen Nichtermittlung des Finanzbedarfs der Beklagten" geltend macht (S 9 der Beschwerdebegründung), hat er bereits keinen bis zuletzt beim LSG aufrechterhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS des § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG bezeichnet (zu diesem Erfordernis allgemein zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr. 9).
b) Weiter macht der Kläger die Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG) geltend. Eine solche Verletzung liegt insbesondere dann vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 25, 137, 140) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl. BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine unerwartete Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung mehrerer vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr; BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133, 144 f; 98, 218, 263; BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 4 S 23; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr. 6 RdNr. 18 mwN). Andererseits liegt keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, wenn die Problematik bereits Gegenstand von Äußerungen der Beteiligten des streitigen Verfahrens war (vgl. zB BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 12.7.2006 - BVerfGK 8, 376; vgl. auch BSG Beschluss vom 20.8.2008 - B 13 R 217/08 B - Juris RdNr. 9) oder selbst in das Verfahren eingeführt wurde.
Der Kläger rügt (S 7 ff der Beschwerdebegründung), "ein Dialog" über den von ihm behaupteten Zahlungsausfall habe in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht stattgefunden. Auch sei das LSG überhaupt nicht darauf eingegangen, dass und warum es keine Amtsermittlungspflicht hinsichtlich des von ihm geltend gemachten Vollzugsdefizits gesehen habe. Vor der Entscheidung sei er vom Berufungsgericht nicht darauf hingewiesen worden, dass es seinen "Beweisantrag bezüglich der Zahlungsausfälle bzw. Vollzugsdefizite" als unzulässigen Beweisausforschungsantrag ansehe. Zudem habe das LSG sich nicht mit seinem Vorbringen beschäftigt, dass die Nichtheranziehung des Arbeitgebers zum Zusatzbeitrag ein "Verstoß gegen die Halbteilung von Sozialversicherungsbeiträgen" darstelle.
Damit hat der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG) und auch die zugleich gerügte Verletzung der richterlichen Hinweispflichten, die sich für das sozialgerichtliche Verfahren aus § 106 Abs. 1 bzw. § 112 Abs. 2 S 2 SGG ergeben, nicht substantiiert dargetan. Denn zum einen ist schon nach seinem eigenen Vortrag die von ihm aufgeworfene Problematik Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, und zum anderen gebietet Art 103 Abs. 1 GG die vom Kläger gewünschten Hinweise über die Rechtsauffassung des Gerichts noch vor der Entscheidung grundsätzlich nicht (stRspr., vgl. BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - Juris RdNr. 26; BVerfG ≪Senat≫ Beschluss vom 5.11.1986 - 1 BvR 706/85 - BVerfGE 74, 1, 6; BSG Beschluss vom 23.4.2009 - B 13 R 15/09 B - Juris RdNr. 7; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl. 2010, RdNr. 590). Dass insofern eine besondere Situation vorgelegen hätte, die zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung ausnahmsweise einen vorherigen Hinweis des Gerichts auf seine Rechtsauffassung geboten hätte, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Der Kläger trägt keine Umstände vor, aufgrund derer er davon hätte überzeugt sein dürfen, dass das LSG von einem verfassungswidrigen Vollzugsdefizit ausgehen würde. Dass sich das Berufungsgericht nicht seiner Rechtsauffassung hinsichtlich der Rechts- bzw Verfassungswidrigkeit des von der Beklagten erhobenen Zusatzbeitrags angeschlossen hat, begründet keine Überraschungsentscheidung. Der Kläger verkennt, dass das Prozessgrundrecht auf rechtliches Gehör nur gebietet, dass das Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht. Es verpflichtet das Gericht aber nicht zur ausdrücklichen und ausführlichen Bescheidung eines jeden Vorbringens der Beteiligten in den Urteilsgründen (BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 16; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr. 11 mwN) und gibt einem Beteiligten auch keinen Anspruch darauf, mit seinem Vorbringen auch in der Sache Erfolg zu haben, letztlich also "erhört" zu werden (vgl. BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr. 13 mwN).
c) Wenn der Kläger beanstandet, der Tatbestand des angegriffenen Urteils sei unvollständig (S 9 f der Beschwerdebegründung), übersieht er, dass Unrichtigkeiten des Tatbestandes mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht als Verfahrensfehler geltend gemacht werden können (stRspr, zB BSG Beschluss vom 2.9.2014 - B9 V 17/14 B - Juris RdNr. 7 mwN).
d) Soweit der Kläger das Fehlen von Entscheidungsgründen rügt, weil das LSG die Gründe für die unterbliebene Sachaufklärung bezüglich der Zahlungsausfälle/Vollzugsdefizite nicht dargelegt habe (S 9 f der Beschwerdebegründung), hat er einen Verstoß gegen die aus § 128 Abs 1 S 2 iVm § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG folgende Begründungspflicht nicht ausreichend bezeichnet.
Nach § 128 Abs. 1 S 2 SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das bedeutet, dass aus den Entscheidungsgründen ersichtlich sein muss, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Dafür muss das Gericht aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl. BVerfG SozR 1500 § 62 Nr. 16; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr. 11). Auch braucht es nicht zu Fragen Stellung nehmen, auf die es nach seiner Auffassung nicht ankommt. Dass das angefochtene Urteil zum vom Kläger geltend gemachten Vollzugsdefizit überhaupt keine Ausführungen enthält, behauptet er nicht. Eine Entscheidung ist aber nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat. Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten (BSG Beschluss vom 22.1.2008 - B 13 R 144/07 B - Juris RdNr. 7 mwN). Wenn der Kläger meinen sollte, eine sachgerechte Entscheidung sei ohne weitere Sachaufklärung über den Umfang des von ihm behaupteten Vollzugsdefizits nicht möglich gewesen, rügt er aber nicht einen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 128 Abs. 1 S 2 iVm § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG, sondern eine fehlende Sachaufklärung des LSG (§ 103 SGG). Eine solche Sachaufklärungsrüge hat der Kläger - wie oben ausgeführt - aber nicht in einer der Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise dargetan.
e) Soweit der Kläger die "formale Nichtigkeit des angefochtenen Bescheids vom 18.02.2010 durch Versendung mittels Infopost" rügt (S 8 f der Beschwerdebegründung), wird damit kein Verfahrensfehler auf dem Weg zur Entscheidung des Berufungsgerichts geltend gemacht (sog "error in procedendo"). Vielmehr wird hierdurch ein Fehler in der materiellen Rechtsanwendung ("error in iudicando") gerügt, der als solcher nicht geeignet ist, die Revisionszulassung zu eröffnen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 160 RdNr. 16a).
f) Die Rüge des Klägers, das LSG habe sich "überhaupt keine Gedanken über die Revisionsgründe" gemacht und dadurch sein rechtliches Gehör verletzt (S 10 der Beschwerdebegründung), ist nicht nachvollziehbar. Denn er nimmt in seiner Beschwerdebegründung selbst Bezug auf S 7 des angefochtenen Urteils. Dort aber hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Revision wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht zugelassen werde. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass selbst wenn das LSG - anders als vorliegend erfolgt - einen Urteilsausspruch über die Zulassung bzw. Nichtzulassung der Revision unterlassen hätte, dies kein die Zulassung der Revision rechtfertigender wesentlicher Verfahrensmangel gewesen wäre (vgl. BSG SozR 1500 § 160 Nr. 52).
2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr. 16 mwN - stRspr; vgl. auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr. 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
a) Soweit der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG vom 9.3.2004 (2 BvL 17/02 - BVerfGE 110, 94 = NJW 2004, 1022) vorträgt, es sei "von solch einem verfassungswidrigen strukturellen Vollzugsdefizit bei der Beitragserhebung richtigerweise" auszugehen (S 11 der Beschwerdebegründung), hat er bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen (Bundes-)Norm (vgl. § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl. allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 -B5R 8/10 B- BeckRS 2010, 69786 RdNr. 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr. 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr. 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl. 2011, Kap IX, RdNr. 181). Allein die Darstellung der eigenen Rechtsansicht reicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Grundsatzrüge nicht aus. Soweit der Kläger sich auf das Urteil des BVerfG vom 9.3.2004 beruft, legt er zudem - anders als erforderlich - nicht dar, ob und inwieweit diese zum Abgabenrecht ergangene Entscheidung, mit dem die Besteuerung von privaten Spekulationsgeschäften bei Wertpapieren in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 für verfassungswidrig erklärt wurde, auf das Beitragsrecht zu übertragen sei, und zeigt im Übrigen auch nicht auf, welchen Voraussetzungen nach dieser Entscheidung des BVerfG im Einzelnen objektiv gegeben sein müssten, um ein "strukturelles Vollzugsdefizit" annehmen zu können. Aber selbst wenn ein solches Vollzugsdefizit zu bejahen wäre, müsste in der Beschwerdebegründung dargelegt werden, dass dieses konkrete Auswirkungen auf die Beitragsforderung gegenüber dem Kläger hatte. Auch hieran fehlt es. Vielmehr rügt der Kläger mit seiner pauschalen Behauptung, es sei vorliegend - schon wegen Nichtbestreitens der beklagten Krankenkasse - von einem strukturellen Vollzugsdefizit auszugehen, die - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Hierauf kann aber - wie oben bereits ausgeführt - eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässig gestützt werden.
b) Des Weiteren hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob ein per Infopost versandter 'Bescheid', der tatsächlich dem Adressaten auch zuging, noch einen vollzugsfähigen Verwaltungsakt darstellt, wenn ein Bekanntgabewille diesbezüglich fehlt". Auch hier hat der Kläger keine Rechtsfrage iS des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG formuliert. Zudem legt er nicht dar, ob Entsprechendes vom LSG im angegriffenen Urteil überhaupt in der in der Frage unterstellten Weise festgestellt worden ist, die Fragestellung - ihre Qualität als Rechtsfrage unterstellt - also klärungsfähig ist. Überdies hat der Kläger auch die Klärungsbedürftigkeit des von ihm aufgeworfenen Problemkreises nicht ansatzweise aufgezeigt. Er behauptet nicht einmal, dass sich die Fragestellung nicht bereits aus dem Gesetz oder mit der zu dem hier problematisierten Themenkomplex des Zustandekommens eines Verwaltungsakts bereits ergangenen Rechtsprechung des BSG beantworten ließe.
c) Entsprechendes gilt für die vom Kläger formulierte Frage (S 12 der Beschwerdebegründung), "ob eine rückwirkende Satzungsänderung und erst eine rückwirkende Genehmigung des Bundesversicheramtes eine unzulässige verfassungswidrige Rückwirkung darstellt". Die Darstellung der eigenen Rechtsansicht ohne substanzvolle Auseinandersetzung mit einschlägiger, teilweise auch vom LSG im angefochtenen Urteil zitierter Rechtsprechung des BVerfG zur aufgeworfenen Rückwirkungsproblematik reicht - wie oben bereits ausgeführt - nicht aus, um die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellung aufzuzeigen.
d) Soweit der Kläger vorträgt, das LSG habe die "Wirtschaftlichkeitsprüfung der Beklagten und damit zusammenhängend die Notwendigkeit eines Zusatzbeitrages nicht geprüft" (S 12 der Beschwerdebegründung), formuliert er - anders als erforderlich - bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage.
e) Des Weiteren hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob ein Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit wegen des Sonderkündigungsrechts trotz § 175 Abs. 4 SGB V vorliegt, weil der die Krankenkasse wechselnde Versicherte kein weiteres Sonderkündigungsrecht mehr besitzt" (S 12 f der Beschwerdebegründung). Der Kläger verzichtet jedoch auf jegliche Ausführungen sowohl zur Klärungsbedürftigkeit als auch zur Klärungsfähigkeit der formulierten Frage. Allein die bloße Behauptung, diese sei noch nicht geklärt, entspricht nicht ansatzweise den oben genannten Darlegungsanforderungen einer Grundsatzrüge.
f) Substantiierte Ausführungen schon zur Klärungsbedürftigkeit fehlen auch bei den weiteren vom Kläger aufgeworfenen Fragestellungen (S 13 der Beschwerdebegründung),
"ob ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG vorliegt, wenn nicht alle Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erheben",
"ob der Zusatzbeitrag einen unzulässigen Sonderbeitrag darstellt",
"ob ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip vorliegt, wenn einzelne Krankenkassen, wie die Beklagte, einen Zusatzbeitrag erhebt, unabhängig vom Einkommen des Beitragspflichtigen".
Unabhängig davon, dass der Kläger auch hier keine hinreichend konkreten Rechtsfragen iS des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG formuliert hat, versäumt er bei seinen punktuellen Ausführungen zur - vermeintlichen - Verfassungswidrigkeit des von der Beklagten erhobenen Zusatzbeitrags - anders als erforderlich - unter Einbeziehung und substantiierter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, die hierin entwickelten Anforderungen, insbesondere an die von ihm geltend gemachte Gleichheitsprüfung am Maßstab des Art 3 Abs. 1 GG darzustellen und im Wege einer streng hieran orientierten Prüfung konkret aufzuzeigen, woraus sich die Verfassungswidrigkeit vorliegend ergeben soll (vgl. dazu allgemein zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 160a RdNr. 14e mwN).
g) Schließlich hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob der schlichte Abdruck der Rechtsgrundlage auf der Rückseite eines Bescheides zwischen vielem Kleingedrucktem dem § 175 Abs. 4 Satz 5 f. SGB V genügt" (S 14 der Beschwerdebegründung). Damit hat der Kläger abermals bereits keine klärungsfähige Rechtsfrage formuliert. Denn hierzu hätte er aufzeigen müssen, dass gerade ausgehend von dem für das Revisionsgericht verbindlich festgestellten Sachverhalt (§ 163 SGG) notwendig über die vom Kläger formulierte Frage zu entscheiden sein wird und an welcher konkreten Stelle dies zu erfolgen hat. Die Begründung schweigt bereits dazu, ob der von ihm in der Frage unterstellte Inhalt des Bescheids ("zwischen vielem Kleingedruckten", "floskelartige Hinweise") mit dem vom LSG festgestellten Inhalt identisch ist.
Sofern der Kläger sich auf eine Divergenz in den vom ihm zitierten Entscheidungen der Instanzgerichte beruft (S 14 der Beschwerdebegründung), bezeichnet er keine Abweichung iS des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Denn diese besteht nur, wenn das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht.
3. Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger entsprechend seiner Bitte um einen richterlichen Hinweis, falls weiterer Sachvortrag erforderlich sei, vorab auf die Unzulänglichkeit seines Vortrags aufmerksam zu machen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs. 4 SGG. § 106 Abs. 1 SGG gilt insoweit nicht. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß zu begründen (BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - Juris RdNr. 7; BSG Beschluss vom 28.1.2014 - B 13 R 31/13 R - Juris RdNr. 10 mwN).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs. 4 S 2 Halbs. 2 SGG; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise vgl. BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 8.12.2010 - 1 BvR 1382/10 - NJW 2011, 1497).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen