Verfahrensgang
SG Dortmund (Entscheidung vom 23.04.2013; Aktenzeichen S 5 AS 180/09) |
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 16.11.2021; Aktenzeichen L 2 AS 1112/13) |
Tenor
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2021 werden als unzulässig verworfen.
Die Anträge der Kläger, ihnen zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt N beizuordnen, werden abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
1. Die Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, weil weder die als Zulassungsgrund behauptete Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) noch der als Zulassungsgrund geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in der erforderlichen Weise bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerden sind daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).
a) Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 160 RdNr 119).
Eine solche Divergenz haben die Kläger nicht aufgezeigt. Sie haben weder einen Rechtssatz im vorbeschriebenen Sinne des LSG noch einen solchen des BSG bezeichnet. Im Übrigen haben sie die insofern angeführte Begründung des LSG selbst als "alternativ" beschrieben, sodass - unabhängig von einer Divergenzlage - auch die Entscheidungserheblichkeit der entsprechenden Passagen des LSG nicht dargelegt ist.
b) Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung des § 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Kläger rügen, dass das LSG den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt hätte. Hiermit können sie indes schon deswegen nicht gehört werden, weil sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen lässt, dass die Kläger in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag gestellt oder aufrechterhalten haben; dies aber ist erforderlich (vgl hierzu BSG vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 51 f; BSG vom 18.9.2003 - B 9 SB 11/03 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 6; BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11; ferner etwa BSG vom 13.1.2020 - B 4 AS 10/20 B - juris RdNr 6; BSG vom 28.1.2021 - B 11 AL 44/20 B - juris RdNr 3; BSG vom 29.6.2021 - B 4 AS 96/21 B - juris RdNr 5). Zwar sind insofern abgesenkte Anforderungen zu stellen, weil die Kläger im Berufungsverfahren zuletzt nicht rechtskundig vertreten waren. Auch ein unvertretener Kläger muss aber dem Gericht in der mündlichen Verhandlung deutlich machen, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um welchen Sachverhalt weiter aufzuklären (zuletzt BSG vom 24.2.2022 - B 8 SO 22/21 BH - juris RdNr 6 mwN). Auch dass dies der Fall gewesen wäre, lässt sich der Nichtzulassungsbeschwerde nicht entnehmen. Diesen Anforderungen steht nicht entgegen, dass die Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend waren, denn das LSG hatte sie in seiner Ladung darauf hingewiesen, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann. Die Beschwerdebegründung behauptet nicht einmal, dass die Kläger einen Verlegungsantrag gestellt hätten.
2. Weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO), ist den Klägern auch keine PKH zu bewilligen. Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwaltes (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Meßling Söhngen Burkiczak
Fundstellen
Dokument-Index HI15274489 |