Leitsatz (amtlich)
Zur Bestimmung des Gegenstandswertes bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, wenn die Leistung im Ermessen des Sozialleistungsträgers liegt.
Orientierungssatz
1. § 13 GKG ist ergänzend heranzuziehen, wenn in Verfahren aufgrund öffentlichrechtlicher Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und der Bundesanstalt für Arbeit die Gebühren nach § 116 Abs 2 Nr 2 BRAGebO nach dem Gegenstandswert berechnet werden und dieser gemäß § 8 Abs 2 S 2 BRAGebO nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.
2. Wird durch kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage eine Leistung begehrt, die im Ermessen der Bundesanstalt für Arbeit liegt und deren Höhe nicht feststeht, ist der Gegenstandswert auf die Hälfte der tatsächlich gewährten Leistung festzusetzen.
Normenkette
GKG § 13 Fassung: 1975-08-20; BRAGebO § 116 Abs 2 S 1 Nr 2 Fassung: 1975-08-20, § 8 Abs 2 S 2 Fassung: 1976-06-14, § 10 Fassung: 1975-08-20
Verfahrensgang
SG Münster (Entscheidung vom 09.11.1977; Aktenzeichen S 3 Ar 270/76) |
Gründe
Zwischen den Beteiligten war streitig, ob die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Eingliederungsbeihilfen gem § 54 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) deswegen zu Recht abgelehnt hat, weil nach ihrer Auffassung diese Leistung nur einem "neuen" Arbeitgeber zustand, was die Klägerin nicht sei. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid über die Gewährung von Eingliederungsbeihilfe zu erteilen. Das Arbeitsamt hat der Klägerin, nachdem die Sprungrevision der Beklagten keinen Erfolg hatte, als Eingliederungsbeihilfen einen Betrag von insgesamt rund 804.209,-- DM gezahlt.
Die Bevollmächtigten der Klägerin haben die Festsetzung des Gegenstandswerts beantragt und die Auffassung vertreten, dieser entspreche dem der Klägerin gewährten Betrag; zumindest sei er mit Dreivierteln dieser Summe anzusetzen. Die Beklagte hält die Festsetzung auf die Hälfte des gewährten Betrages für angemessen. Die Klägerin selbst hat keine Äußerung abgegeben.
In Übereinstimmung mit der Auffassung der Beklagten ist der Gegenstandswert auf die Hälfte des der Klägerin gewährten Betrages, das sind rund 402.105,-- DM, festzusetzen.
Nach § 116 Abs 2 Nr 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) in der Fassung des Gesetzes vom 20. August 1975 (BGBl I 2189) werden in Verfahren aufgrund öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und der Bundesanstalt für Arbeit die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet. Gem § 10 Abs 1 und 2 BRAGebO setzt das Gericht des Rechtszuges den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluß selbständig fest, wenn sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Gerichtsgebühren im Sozialgerichtsverfahren für die am Verfahren beteiligten Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts werden pauschal festgesetzt und sind nicht nach dem Gegenstandswert bestimmt (§§ 184 ff Sozialgerichtsgesetz -SGG-; VO vom 31. März 1955 - BGBl I 180). Da für die Gerichtsgebühren keine Wertvorschriften vorgesehen sind, bestimmt sich der Gegenstandswert gem § 8 Abs 1 letzter Satz BRAGebO nach Abs 2 dieser Vorschrift. Hiernach gelten die dort aufgeführten Vorschriften der Kostenordnung sinngemäß. Soweit sich der Gegenstandswert aus diesen Vorschriften nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen. In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert auf 4.000,-- DM, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht unter 300,-- DM und nicht über 1.000.000,-- DM anzunehmen.
Da sich aus den in § 8 Abs 2 Satz 1 BRAGebO genannten Vorschriften der Kostenordnung der Gegenstandswert im vorliegenden Falle nicht herleiten läßt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen; hierbei ist § 13 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ergänzend heranzuziehen, um Abweichungen gegenüber vergleichbaren Verfahren zu vermeiden (BSG SozR 1930 § 8 Nr 2; Lauterbach/Hartmann, Kostengesetze, 19. Aufl, § 116 Anm 3 B).
Nach § 13 Abs 1 GKG ist der Streitwert vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der bisherige Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 4.000,-- DM anzunehmen.
Eine Festsetzung des Gegenstandswertes entsprechend § 13 Abs 1 Satz 2 GKG gem § 8 Abs 2 Satz 2, 2. Halbs BRAGebO scheidet aus. Es handelt sich hier zwar um eine kombinierte Anfechtungsklage und Verpflichtungsklage; jedoch ist zu berücksichtigen, daß Streitgegenstand nicht abstrakt die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide war, sondern daß es sich hier nach der Natur der Sache um Ansprüche vermögensrechtlicher Art gehandelt hat. Die Klägerin hat geltend gemacht, daß sie durch die Ablehnung des von ihr begehrten Verwaltungsaktes in ihrer vermögensrechtlichen Stellung beeinträchtigt wurde. Die Bedeutung der Sache für die Klägerin ergibt sich daher nach dem wirtschaftlichen Interesse an der begehrten Entscheidung. Ein Anhaltspunkt hierfür sind im vorliegenden Falle die ihr nach Abschluß des Verfahrens ausgezahlten Leistungen.
Allerdings kann der Auffassung der Bevollmächtigten der Klägerin nicht gefolgt werden, dieser Betrag müsse als Gegenstandswert angesetzt werden. Im vorliegenden Falle kann nicht unbeachtet bleiben, daß über eine kombinierte Anfechtungsklage und Verpflichtungsklage zu entscheiden war, die auf die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gerichtet war. Es hätte daher durchaus sein können, daß die Beklagte den Antrag der Klägerin auch bei Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten oder aus tatsächlichen Gründen hätte ablehnen können. Darüber hinaus stand die Höhe der zu gewährenden Leistungen nicht fest. Sie konnten in Form von Zuschüssen oder als Darlehen gewährt werden. Auch hinsichtlich der Höhe der Zuschüsse hatte die Beklagte einen Ermessensspielraum (§§ 29, 30, 32 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Förderung der Arbeitsaufnahme vom 18. Dezember 1969 - ANBA 1970 90 ff). Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint es daher angemessen, den Gegenstandswert entsprechend der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung auf die Hälfte der tatsächlich gewährten Eingliederungsbeihilfen festzusetzen.
Fundstellen