Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 24.01.2017; Aktenzeichen L 8 SF 110/14 EK) |
SG München (Entscheidung vom 06.03.2013; Aktenzeichen S 30 V 9/07) |
Tenor
Das Gesuch des Klägers auf Ablehnung der Vorsitzenden Richterin am Bundessozialgericht Dr. R. und der Richter am Bundessozialgericht O. und Dr. R. wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Januar 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 24 600 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In der Hauptsache begehrt der Kläger Entschädigung wegen überlanger Dauer der Verfahren S 30 (33) VK 9/07 vor dem SG München und L 15 VK 3/13 vor dem Bayerischen LSG. Das Ausgangsverfahren begann im Dezember 2004 mit einer Klage auf Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und endete mit Gerichtsbescheid vom 6.3.2013 durch Klageabweisung. Das anschließende Berufungsverfahren endete am 25.9.2014 durch Urteil (zugestellt am 24.10.2014). Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das BSG mit Beschluss vom 5.3.2015 als unzulässig verworfen (B 9 V 58/14 B).
Mit seiner am 12.3.2014 erhobenen Entschädigungsklage macht der Kläger eine Entschädigung in Höhe der gesetzlich bestimmten Beträge geltend und begehrt die Beiladung der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 75 Abs 1 S 2 SGG. Das Entschädigungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Beiladung der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt, weil es sich vorliegend entgegen der Begründung des Klägers nicht um eine Angelegenheit des sozialen Entschädigungsrechts nach § 75 Abs 1 S 2 SGG handele. Die Entschädigungsklage sei unbegründet, sodass der Kläger keinen Anspruch auf Entschädigung habe. Vor dem SG sei die von Art 23 S 2 Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) im Altfall des Klägers geforderte Verzögerungsrüge nicht im Sinne dieser Vorschrift unverzüglich - innerhalb von drei Monaten - nach Inkrafttreten des ÜGG am 3.12.2011 erhoben worden, selbst wenn man zugunsten des Klägers die "Untätigkeitsbeschwerde" vom 27.4.2012 als Verzögerungsrüge iS von § 198 Abs 3 S 1 GVG werte. Für Zeiträume vor dieser Verzögerungsrüge bestehe daher weder ein Entschädigungsanspruch noch ein Anspruch auf Feststellung einer überlangen Verfahrensdauer.
Im zweitinstanzlichen Verfahren habe der Kläger die insoweit maßgebliche Verzögerungsrüge am 1.7.2013 verfrüht erhoben. In diesem Zeitpunkt hätten angesichts eines erst 3-monatigen Verfahrenslaufs noch keine objektiven Gründe bestanden, die bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung einer überlangen Verfahrensdauer hätten wecken können.
Für einen Anspruch auf Entschädigung sei daher insgesamt nur der Zeitraum ab Erhebung der Verzögerungsrüge in der ersten Instanz am 27.4.2012 bis zur Beendigung dieser Instanz durch Gerichtsbescheid vom 6.3.2013 maßgeblich. Denn die Zeiten vor der Verzögerungsrüge seien präkludiert und die Zeiten der zweiten Instanz ebenfalls nicht zu berücksichtigen, da es an einer wirksamen Verzögerungsrüge fehle. Da nach der Rechtsprechung des BSG eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Monaten je Instanz als regelmäßig angemessen angesehen werde und diese Zeitspanne vorliegend erheblich unterschritten werde, bestehe kein Anspruch auf Entschädigung. Auch ein Anspruch auf Feststellung einer unangemessenen Verfahrensverzögerung bestehe nicht (Urteil vom 24.1.2017).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner am 8.3.2017 beim BSG eingegangenen Beschwerde, für die er PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Der Kläger rügt eine grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens, Divergenz und Verfahrensmängel. Ferner beantragt er die Beiladung der Bundesrepublik Deutschland nach § 75 Abs 1 S 2 SGG.
Mit weiterem Schreiben vom 18.5.2017 reicht er per Fax einen "Befangenheitsantrag … nach § 60 SGG iVm § 41 Nr. 7 und nach § 42 Abs. 1 ZPO" gegen die "Vorsitzende Richterin Frau Dr. R. … sowie die Richter O. und Dr. R. " ein.
II
1. Das Befangenheitsgesuch des Klägers ist offensichtlich unzulässig. Es hindert deshalb den Senat auch nicht, über die Beschwerde unter Mitwirkung abgelehnter Richter zu entscheiden (vgl BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 7). Nach § 60 SGG iVm § 42 Abs 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten. Nach § 60 SGG iVm § 45 Abs 1 ZPO entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Es ist allerdings anerkannt, dass abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs 1 ZPO der Spruchkörper ausnahmsweise in alter Besetzung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen entscheidet. Hierzu zählt ua die pauschale Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers (vgl BVerfG NJW 2007, 3771; BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 8; BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 7; BFH NJW 2009, 3806 mwN).
So liegt es hier. Der Kläger hat in seinem Schreiben vom 18.5.2017 - wiederholt - sämtliche Richter des Senats abgelehnt, ohne konkrete Anhaltspunkte vorzubringen, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf eine Befangenheit der Mitglieder des Spruchkörpers hindeuten. Anhaltspunkte für eine Befangenheit ergeben sich insbesondere nicht aus seinem Vorbringen hinsichtlich seiner gerichtlichen Verfahren in der Vergangenheit. Dies gilt im Ergebnis ebenso hinsichtlich der Begründung des Befangenheitsantrags mit § 41 Nr 7 ZPO wegen einer Mitwirkung der abgelehnten Richter in den beanstandeten Verfahren, auf deren Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird. Für eine derartige Mitwirkung und damit für einen Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.
2. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). Weder die Beschwerdebegründung noch die Aktenlage lassen bei der gebotenen summarischen Prüfung die erforderliche Erfolgsaussicht erkennen. Hinreichende Erfolgsaussicht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg von einem Prozessbevollmächtigten geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im Beschwerdeverfahren keiner ersichtlich.
Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). In diesem Sinne sind im vorliegenden Verfahren keinerlei Rechtsfragen ersichtlich, die eine grundsätzliche Bedeutung beinhalten könnten. Das LSG hat sich erkennbar an der Rechtsprechung des BSG orientiert und diese zu den jeweiligen Problemkreisen zitiert. Dementsprechend ist auch nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Entscheidungsrelevante Verfahrensmängel sind in diesem Sinne nicht ersichtlich. Der Kläger macht zwar pauschal Verfahrensmängel geltend, rügt aber letztlich die Wertungen durch das LSG insbesondere in Bezug auf seine Verzögerungsrüge und die nicht erfolgte Beiladung der Bundesrepublik Deutschland. Damit verweist der Kläger zum einen lediglich auf die seiner Auffassung nach fehlerhafte Auslegung des materiellen Rechts, nämlich bei der Verzögerungsrüge als materielle Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs (vgl BSG SozR 4-1710 Art 23 Nr 1 RdNr 27). Darin liegt weder ein Verfahrensmangel noch die Erhebung einer ordnungsgemäßen Grundsatzrüge zur Frage des anwendbaren Rechts. Soweit er darüber hinaus anführt, das LSG habe die Abweisung seiner Ansprüche für die Vergangenheit nicht hinreichend begründet, und damit sinngemäß den Verfahrensmangel fehlender Entscheidungsgründe (§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG) benennen wollte, räumt der Kläger selbst ein, dass das LSG seine Entscheidung begründet habe, wenn auch nur mit wenigen Worten. Entscheidungsgründe fehlen allerdings nicht schon dann, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung einer bündigen Kürze befleißigt und nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abgehandelt hat. Ebenso wenig ist die Begründungspflicht bereits dann verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und zum tatsächlichen Geschehen aus der Sicht eines Dritten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sind (vgl BSG Beschluss vom 24.2.2006 - B 9a SB 22/05 B). Letztlich übersieht der Kläger auch hinsichtlich seines Begehrens der Beiladung der Bundesrepublik Deutschland nach § 75 Abs 1 S 2 SGG, dass das Entschädigungsklageverfahren nicht mehr die Fortsetzung des Ausgangsverfahrens darstellt und damit keine Angelegenheit des sozialen Entschädigungsrechts iS von § 75 Abs 1 S 2 SGG ist. Schließlich ist auch nichts für eine sinngemäß angedeutete erfolgreiche Besetzungsrüge der Instanzgerichte ersichtlich.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang zusätzlich eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) rügt, wird bereits nicht klar, welches Vorbringen durch das LSG übergangen oder verhindert worden sein sollte. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass das LSG willkürlich entschieden haben könnte unter Verletzung des Gebots des effektiven Rechtsschutzes oder des Rechtsstaatsprinzips.
3. Die Beschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG), weil sie nicht durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist (§ 73 Abs 4 iVm § 160a Abs 1 S 1 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
5. Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3 S 1, § 47 Abs 1 bis 3 GKG und berücksichtigt, dass der Kläger den Beginn des zu entschädigenden Zeitraums im Antrag der Klageschrift vom 12.3.2014 auf den 6.3.1994 bestimmt hat, ohne das Ende des Zeitraums konkret festzulegen. Unter Zugrundelegung des Zustellzeitpunktes des Urteils des LSG im Ausgangsverfahren (L 15 VK 3/13) vom 24.10.2014 ergibt sich ein Entschädigungszeitraum vom 6.3.1994 bis 24.10.2014 unter Berücksichtigung der vom Kläger begehrten Entschädigung in gesetzlicher Höhe von 1200 Euro pro Jahr. Somit ergibt sich ein monatlicher Betrag von 100 Euro für 246 Monate, insgesamt von 24 600 Euro.
Fundstellen
Dokument-Index HI11205254 |