Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 17.04.2023; Aktenzeichen L 8 U 36/20) |
SG Schleswig (Entscheidung vom 26.05.2020; Aktenzeichen S 22 U 27/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. April 2023 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit dem vorbezeichneten Urteil hat das LSG die Berufung des Klägers gegen die erstinstanzliche Entscheidung des SG (Urteil vom 26.5.2020) zurückgewiesen. Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG rügt der Kläger das Vorliegen von Verfahrensfehlern.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht formgerecht bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG, ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht, auf dem Mangel beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG nicht und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger rügt eine unzureichende Sachaufklärung (§ 103 SGG), indem er geltend macht, die Entscheidung des LSG leide an einem Verfahrensmangel, weil es den gestellten Beweisanträgen nicht ausreichend nachgekommen sei.
Um den Verfahrensmangel der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) ordnungsgemäß zu rügen, muss die Beschwerdebegründung (1.) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigen, die zur weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5.) erläutern, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann, das LSG also von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, wenn es das behauptete Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme gekannt hätte (stRspr; zB BSG Beschlüsse vom 9.6.2023 - B 2 U 7/23 B - juris RdNr 7, vom 27.9.2022 - B 2 U 42/22 B - juris RdNr 7, vom 11.3.2021 - B 9 SB 51/20 B - juris RdNr 9 und vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5, jeweils mwN).
Daran fehlt es hier. Der vor dem LSG anwaltlich vertretene Kläger bezeichnet bereits keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag, den er im Verfahren vor dem LSG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat. Der förmliche Beweisantrag hat Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die gerichtliche Aufklärungspflicht noch für defizitär hält. Diese Warnfunktion verfehlen "Beweisantritte" und Beweisgesuche, die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind (zB BSG Beschlüsse vom 11.9.2023 - B 2 U 5/23 B - juris RdNr 7, vom 14.7.2021 - B 6 KA 42/20 B - juris RdNr 7 und vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11, jeweils mwN). Um das Berufungsgericht ausreichend vor einer Verletzung seiner Amtsermittlungspflicht zu warnen, muss ein im Berufungsverfahren rechtskundig vertretener Beschwerdeführer - wie der Kläger - sein zuvor geäußertes Beweisbegehren deshalb in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG als prozessordnungsgemäßen Beweisantrag wiederholen und protokollieren lassen (§ 122 SGG iVm § 160 Abs 4 Satz 1 ZPO; vgl BSG Beschlüsse vom 18.10.2023 - B 9 V 9/23 B - juris RdNr 18, vom 20.10.2023 - B 1 KR 33/22 B - juris RdNr 8 und vom 15.6.2023 - B 12 BA 25/22 B - juris RdNr 16). Einen solchen konkreten, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnet die Beschwerde nicht. In der Beschwerdebegründung ist lediglich davon die Rede, dass in der Berufungsschrift ausführlich auf die Widersprüche der einzelnen ärztlichen Stellungnahmen hingewiesen und beantragt worden sei, hierzu weitere ärztliche Stellungnahmen einzuholen, sowie dass das LSG diesem Antrag nicht nachgekommen sei. Dass dieser Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten wurde - was nötig gewesen wäre -, behauptet der Kläger indes nicht. Aus seiner Beschwerde geht stattdessen hervor, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG einen Antrag nach § 109 SGG gestellt hat. Ein mit dieser Vorschrift begründeter Antrag enthält indes nicht automatisch einen die Verfahrensrüge (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) eröffnenden Beweisantrag nach § 103 SGG. Vielmehr ist dies bei rechtskundig vertretenen Beteiligten - wie dem Kläger - nur dann der Fall, wenn bei der Antragstellung eindeutig zum Ausdruck gebracht wird, dass der Antrag nach § 109 SGG zugleich auf eine weitere Beweiserhebung von Amts wegen nach § 103 SGG abzielt (BSG Beschlüsse vom 22.6.2004 - B 2 U 78/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 4 RdNr 6, vom 10.12.2019 - B 9 V 18/19 B - juris RdNr 8 und vom 10.7.2018 - B 13 R 64/18 B - juris RdNr 6). Dies lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen.
Soweit der Kläger eine Verletzung des § 109 SGG durch das LSG rügt, lässt er außer Acht, dass nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung dieser Vorschrift unter keinen Umständen gestützt werden kann (BSG Beschlüsse vom 24.1.2023 - B 2 U 119/22 B - juris RdNr 3 und vom 15.6.2022 - B 9 SB 10/22 B - juris RdNr 6). Dieser Ausschluss gilt ausnahmslos für jede fehlerhafte Anwendung des § 109 SGG(BSG Beschlüsse vom 12.5.2022 - B 2 U 169/21 B - juris RdNr 12, vom 27.3.2020 - B 9 SB 83/19 B - juris RdNr 14, vom 21.1.2020 - B 13 R 190/19 B - juris RdNr 7 und vom 27.6.2019 - B 5 R 1/19 B - juris RdNr 17) . Ob dieser Ausschluss uneingeschränkt auch für gleichzeitige Verstöße gegen das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren gilt, kann weiterhin offenbleiben (dazu BSG Beschluss vom 24.1.2023 - B 2 U 119/22 B - juris RdNr 4). Denn für einen solchen Verstoß ergibt sich nichts aus der Beschwerdebegründung des Klägers. Die darin gerügte Zurückweisung des Antrags als verspätet (§ 109 Abs 2 SGG) genügt für sich allein nicht, sondern fällt unter den von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG angeordneten Ausschluss der Verfahrensrüge (BSG Beschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 347/16 B - juris RdNr 15).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16721181 |