Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 15.12.2016; Aktenzeichen L 5 KR 87/14) |
SG Lübeck (Aktenzeichen S 1 KR 845/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2016 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 15.12.2016 mit einem am 20.2.2017 per Telefax beim BSG eingegangenen, von ihm unterzeichneten Schreiben vom 19.2.2017 Beschwerde eingelegt. Das angefochtene Urteil ist ihm am 20.1.2017 zugestellt worden.
Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht eingelegt worden ist. Der Kläger konnte, worauf er in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden ist, die Beschwerde wirksam nur durch zugelassene Prozessbevollmächtigte einlegen lassen (§ 73 Abs 4 SGG). Gegen diesen Vertretungszwang bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Er dient nicht nur den Interessen des betroffenen Bürgers, der ohne qualifizierte juristische Sachkunde weder die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels in dritter Instanz noch dessen Zulassungsvoraussetzungen abschätzen kann, sondern auch der Funktionsfähigkeit des Revisionsgerichts, das von unsinnigen und ggf wenig sachgerecht vorbereiteten Verfahren entlastet werden soll (vgl BSG SozR 4-1500 § 73 Nr 5 RdNr 3 mwN; BSG Beschluss vom 17.12.2014 - B 10 ÜG 2/14 KL - SozR 4-1500 § 169 Nr 1 RdNr 11).
Der Vertretungszwang ist mit den Bestimmungen des Grundgesetzes ebenso vereinbar wie mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Dies haben mehrfach sowohl das BSG (BSG Beschluss vom 4.8.2016 - B 13 R 213/16 B - Juris RdNr 8; Beschlüsse vom 25.10.1957 - 8 RV 935/57 - SozR Nr 20 zu § 166 SGG und vom 21.1.1971 - 7 RAr 49/70 - SozR Nr 43 zu § 166 SGG) als auch das BVerfG (vgl nur BVerfG ≪Kammer≫ SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 13 mwN) entschieden. Art 6 Abs 3 Buchst c EMRK ist für die Sozialgerichtsbarkeit nicht einschlägig, sondern sichert in Strafverfahren, dass sich "jede angeklagte Person" verteidigen kann (BSG Beschluss vom 27.1.2005 - B 11a/11 AL 265/04 B - Juris).
Auch ein Verstoß gegen den durch Art 6 Abs 1 EMRK garantierten Anspruch auf Zugang zum Gericht ist im Vertretungszwang nicht zu sehen (BSG Beschlüsse vom 21.8.2003 - B 3 P 8/03 B - Juris RdNr 6, vom 27.1.2005 - B 11a/11 AL 265/04 B - Juris RdNr 7 und vom 3.5.2011 - B 9 SB 21/11 B - Juris RdNr 3). Dieser verletzt schließlich auch nicht Art 47 Abs 2 S 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGrdRCh), wonach sich jede Person vor Gericht beraten, verteidigen und vertreten lassen "kann". Denn diese Kann-Vorschrift versperrt den Mitgliedstaaten keinesfalls die Möglichkeit, vor ihren obersten Gerichtshöfen einen Vertretungszwang vorzuschreiben (BSG Beschluss vom 5.4.2011 - B 5 R 66/11 B - Juris und BFH Beschluss vom 22.7.2010 - V S 8/10 - BFH/NV 2010, 2095; auch vor dem EuGH besteht ein Vertretungszwang, vgl Art 19 Abs 3 Satzung EuGH sowie Art 119 Verfahrensordnung des Gerichtshofes).
Wegen Ablaufs der Monatsfrist des § 160a Abs 1 Satz 2 iVm § 64 Abs 2 SGG am 20.2.2017 kann dieser Mangel auch nicht mehr behoben werden.
Die Beschwerde ist deshalb gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10700276 |