Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 118 a Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 23. Juli 1979 (BGBl. I 1189) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

 

Tatbestand

I

In dem vor dem Bundessozialgericht (BSG) anhängigen Revisionsverfahren kommt es streitentscheidend darauf an, ob der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) gem. § 118 a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) i.d.F. des Fünften Änderungsgesetzes (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl. I 1189) ruht.

Der 1950 geborene Kläger studierte seit dem Wintersemester 1972/73 Rechtswissenschaften an der …-Universität in M.. Er finanzierte sein Studium überwiegend durch Lohnarbeit. Zuletzt war er vom 1. Oktober 1976 bis 31. Dezember 1980 bei einer Gebäudereinigungsfirma als Kraftfahrer beschäftigt, und zwar mit einer Arbeitszeit von durchschnittlich 25 Stunden in der Woche in der Zeit zwischen 15.00 Uhr und 21.00 Uhr. Das Beschäftigungsverhältnis wurde seitens des Arbeitgebers wegen Rückgangs des Kundenkreises zum Jahresende 1980 gekündigt. Zu diesem Zeitpunkt stand der Kläger im 17. Fachsemester. Er legte danach das Staatsexamen ab, und zwar im April 1981 die schriftliche und am 30. September 1981 die mündliche Prüfung. Seit 1. November 1981 befindet sich der Kläger im Vorbereitungsdienst für das zweite juristische Staatsexamen.

Den Antrag des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) vom 29. Dezember 1980 lehnte die Beklagte ab. Ausgehend von den Angaben im Antragsformular, daß er nur für eine Teilzeitarbeit in der Zeit von 15.00 Uhr–21.00 Uhr in Betracht komme, weil er studiere, sah die Beklagte den Kläger nicht als verfügbar i.S. des § 103 AFG an (Bescheid vom 30. Januar 1981; Widerspruchsbescheid vom 14. April 1981).

Mit der Klage hiergegen hat der Kläger vorgetragen, bei seinen Angaben im Antragsformular habe es sich nur um die Äußerung eines unverbindlichen Vermittlungswunsches gehandelt. Er habe damit keineswegs eine längere oder anders gelagerte Arbeitszeit ablehnen wollen und mit Rücksicht auf seine Examensvorbereitung auch nicht brauchen. Beides hätte die Beklagte erkennen müssen. Er sei bereit, nachmittags oder nachts bis zu acht oder mehr Stunden zu arbeiten. Insoweit stünden ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung.

Durch Urteil vom 16. September 1981 hat das Sozialgericht Mainz (SG) die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide insoweit verurteilt, dem Kläger Alg ab 13. Mai 1981 zu gewähren. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Kläger bis zum Eingang der Klagebegründung am 13. Mai 1981 wegen Beschränkung seiner Arbeitsbereitschaft auf eine nach der zeitlichen Lage unüblichen Arbeitszeit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Nach diesem Zeitpunkt sei er als uneingeschränkt verfügbar anzusehen. Die Ruhensregelung des § 118 a AFG komme nicht zur Anwendung, da der Kläger die darin enthaltene Vermutung seiner Nichtverfügbarkeit widerlegt habe.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) unter entsprechender Abänderung des SG-Urteils und der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alg ab 24. Juni 1981 zu gewähren (Urteil vom 19. März 1982). Es hat die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Dem SG sei beizupflichten, daß der Kläger wegen Beschränkung seiner Arbeitsbereitschaft der Arbeitsvermittlung zunächst nicht zur Verfügung gestanden habe. Mit der Erklärung in der Klageschrift, zur Übernahme einer Vollzeitarbeit bereit zu sein, sei jedoch die Verfügbarkeit des Klägers i.S. des § 103 APG begründet worden. Diese Rechtsfolge sei allerdings erst mit Wirkung ab 24. Juni 1981 eingetreten, dem Tag des Zugangs der Klagebegründung bei der Beklagten. Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen seien erfüllt.

§ 118 a AFG i.d.F. des 5. AFG-ÄndG stehe dem Leistungsanspruch nicht entgegen. Trotz anderslautender Begründung im Regierungsentwurf des 5. AFG-ÄndG müsse auch § 118 a AFG so verstanden werden, daß er nur die gesetzliche Vermutung der Nichtverfügbarkeit von Schülern und Studenten als Folge ihres Ausbildungsverhältnisses enthalte, die in besonders gelagerten Fälle eine Widerlegung zulasse. Dies sei jedenfalls aus rechtsstaatlichen und verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich. Ein solcher Fall sei hier gegeben. Nach Ablegung der schriftlichen Prüfung hätte der Kläger keine zeitaufwendigen Klausurarbeiten mehr zu leisten gehabt und Vorlesungen erfahrungsgemäß nur noch in geringem Umfang besuchen müssen. Er habe deshalb seine Vorbereitung für das mündliche Examen auf Freiräume konzentrieren können, die ihm die Möglichkeit zu Lohnarbeit in dem erklärten Umfang ließ. Schließlich habe der Kläger sogar neben seinem Studium zuletzt mehr als drei Jahre eine Teilzeitarbeit ausüben können, die er unfreiwillig verloren habe. Jedenfalls habe der Kläger auch unter dem Gesichtspunkt der Arbeitszeitordnung neben seiner Examensvorbereitung noch einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen können, die – wie das LSG im einzelnen ausführt – trotz der vom Kläger angegebenen Lage der Arbeitszeit als arbeitsmarktüblich anzusehen sei.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 118 a AFG. Sie führt mit näherer Begründung aus, daß § 118 a AFG nach Wortlaut und Zweck nur auf den Arbeitsaufwand abstelle, der nach objektiven Maßstäben für den Besuch einer Ausbildungsstätte maßgebend sei. Bei einem Hochschulstudium sei stets davon auszugehen, daß die Arbeitskraft eines Studierenden voll in Anspruch genommen werde. Infolgedessen sei der Arbeitslose immer dann und ohne Ausnahmen vom Alg-Bezug ausgeschlossen, wenn er Student einer Hochschule ist. Auf den individuellen Arbeitsaufwand komme es nicht an, für Prüfungen im Einzelfall lasse der Wortlaut des § 118 a AFG keinen Raum. Infolgedessen sei auch die Auffassung des LSG nicht haltbar, § 118 a AFG lasse die Widerlegung einer bloßen Vermutung der Nichtverfügbarkeit zu, selbst wenn die tatsächliche Verfügbarkeit von Studenten in besonders gelagerten Einzelfällen nicht zu bestreiten sei.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil und das Urteil des SG insoweit aufzuheben, als darin der Klage stattgegeben worden ist und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung macht er sich im wesentlichen die Gründe des angefochtenen Urteils zu eigen.

 

Entscheidungsgründe

II

1. Der Senat hat nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen, weil er die Vorschrift des § 118 a Abs. 1 AFG i.d.F. des 5. AFG-ÄndG für verfassungswidrig hält und es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Gültigkeit der Vorschrift ankommt.

Wie das LSG festgestellt hat und zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist, erfüllte der Kläger für die noch im Streit befindliche Zeit ab 24. Juni 1981 dem Grunde nach die Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg nach § 100 Abs. 1 AFG. Er war arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, hatte die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt (§§ 101, 103, 104, 105 AFG). Insbesondere bestehen an der Verfügbarkeit des Klägers nach § 103 AFG keine rechtlichen Zweifel, da er jedenfalls ab 24. Juni 1981 bereit und in der Lage war, eine vollschichtige Arbeit auszuüben, die – wie das LSG unangegriffen festgestellt hat – auch hinsichtlich der Lage der in Betracht kommenden Arbeitszeit üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes entsprach.

Der Revision der Beklagten wäre gleichwohl im wesentlichen stattzugeben, wenn § 118 a Abs. 1 AFG geltendes Recht ist. Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf Alg während der Zeit, in der der Arbeitslose Schüler oder Student einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte ist, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft eines Schülers oder Studenten im allgemeinen voll in Anspruch nimmt. Der Kläger war in der Zeit ab 24. Juni 1981 Student der Rechtswissenschaften. Er hat nach den Feststellungen des LSG am 30. September 1981 das erste juristische Staatsexamen endgültig abgelegt. Ob er noch für die Zeit danach bis zur Aufnahme des Vorbereitungsdienstes ab 1. November 1981 Student einer Hochschule war oder nicht, hat das LSG nicht festgestellt, von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht. Käme es für seinen Anspruch auf Alg für die Zeit vom 1. bis 31. Oktober 1981 infolge Anwendbarkeit von § 118 a Abs. 1 AFG hierauf an, müßte der Senat den Rechtsstreit insoweit an das LSG zurückverweisen. Eine Entscheidung des Senats unter Anwendung von § 118 a Abs. 1 AFG würde dadurch aber schon deshalb nicht entbehrlich, weil es sich um einen einheitlichen Anspruch für die Zeit ab 24. Juni 1981 handelt; im übrigen müßte der Senat auch im Falle der Zurückverweisung die Gültigkeit des § 118 a Abs. 1 AFG unterstellen, da es bei seiner Ungültigkeit einer Zurückverweisung nicht bedürfte. Trotz nicht vollständig ausreichenden Feststellungen des LSG über den Status des Klägers im Oktober 1981 kommt es mithin für die Entscheidung des Senats über die Revision insgesamt auf die Gültigkeit des § 118 a Abs. 1 AFG an, so daß es der Vorlage bedarf (vgl BVerfGE 24, 119 ff).

2. Die Entscheidung über die Gültigkeit des § 118 a Abs. 1 AFG ist nicht deshalb entbehrlich, weil die darin angeordnete Rechtsfolge des Ruhens eines Anspruchs durch verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift für Sachverhalte wie dem des vorliegenden Falles vermieden werden könnte.

Der § 118 a AFG ist mit Wirkung ab 1. August 1979 durch das 5. AFG-ÄndG in das Gesetz eingefügt worden. Er hat den seit 1. Oktober 1975 geltenden § 118 Abs. 2 AFG ersetzt, der das Ruhen eines Anspruchs auf Alg während der Zeit anordnete, in welcher der Arbeitslose als ordentlicher Studierender eine Hochschule oder eine sonstige der wissenschaftlichen oder fachlichen Ausbildung dienende Schule besucht (vgl. § 5 Nr. 2 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten –KVSG– vom 24. Juni 1975 – BGBl. I 1536). Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung den § 118 Abs. 2 AFG i.d.F. des KVSG dahin ausgelegt, daß er die gesetzliche Vermutung dafür aufstelle, ein ordentlich Studierender stehe durch den damit verbundenen Besuch der Hochschule der Arbeitsvermittlung nach § 103 AFG nicht zur Verfügung, der einzelne Antragsteller könne diese Vermutung jedoch widerlegen (BSGE 46, 89 = SozR 4100 § 118 Nr. 5; BSG vom 10. Oktober 1978 – 7 RAr 6/78 = SozSich 1979, 22; BSG vom 7. August 1979 – 7 RAr 28/78).

Der Senat sieht sich nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift nicht in der Lage, dem § 118 a AFG eine entsprechende Auslegung zu geben. Der Wortlaut stellt für den Eintritt der Rechtsfolge einerseits auf die Eigenschaft des Antragstellers ab, Student oder Schüler einer der genannten Ausbildungsstätten zu sein, andererseits darauf, ob eine derartige Ausbildung die Arbeitskraft von Schülern oder Studenten regelmäßig voll in Anspruch zu nehmen pflegt. Dies kommt in der Formulierung des 2. Halbsatzes von § 118 a Abs. 1 AFG zum Ausdruck, wenn danach Bedingung ist, daß die Arbeitskraft eines Schülers oder Studenten im allgemeinen voll in Anspruch genommen ist. Die individuelle Ausbildungssituation des jeweiligen Antragstellers scheidet demnach für die rechtliche Beurteilung grundsätzlich aus. Nicht der Umfang seiner zeitlichen Belastung durch seine jeweils konkrete Ausbildungssituation soll maßgebend sein, sondern eine offenbar auf generelle Erfahrungssätze abgestellte Beurteilung des Zeit- und Arbeitsaufwandes, den ein „Normal”-Schüler oder -Student für einen erfolgreichen, regelmäßigen Besuch der Ausbildungsstätte benötigt.

Dieser schon nach dem Wortlaut deutliche Inhalt des § 118 a Abs. 1 AFG wird durch die verlautbarten Motive bestätigt. Im Regierungsentwurf eines 5. AFG-ÄndG heißt es hierzu (BT-Drucks 8/2624 S. 28): „Die Vorschrift übernimmt die bisherige Regelung des § 118 Abs. 2 AFG in geänderter und erweiterter Fassung. Sie stellt klar, daß Schüler und Studierende in einer schulischen Ausbildung, die ihre Arbeitskraft im allgemeinen voll in Anspruch nimmt, während dieser Zeit nicht zum Kreise der durch die Arbeitslosenversicherung geschützten Arbeitnehmer gehören und deshalb kein Arbeitslosengeld erhalten. Die Arbeitskraft eines Schülers oder Studenten wird durch die Ausbildung voll in Anspruch genommen, wenn nach den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen oder der allgemeinen Erfahrung die Ausbildung einschließlich der Vorbereitungszeit 40 Wochenstunden erfordert. Unerheblich ist, ob der Schüler oder Student in der Lage ist, daneben noch eine Arbeitnehmertätigkeit von mehr als kurzzeitiger Dauer auszuüben, etwa weil er wegen seiner besonderen Fähigkeiten nur eine überdurchschnittliche kurze Vorbereitungszeit benötigt oder weil er die Ferien nicht für die Ausbildung oder für die Erholung nutzen will.”

Folge dieses Inhalts des § 118 a AFG ist es, daß bei seiner Gültigkeit der dem Grunde nach bestehende Anspruch eines Studenten auf Alg unabhängig von seiner individuellen Ausbildungssituation ruht. Student ist, wer an einer Hochschule immatrikuliert ist. Die Ruhenswirkung tritt zwar möglicherweise nicht bei jeder Art von Studiengang ein; denkbar wäre etwas anderes z.B. für Ergänzungs-, Aufbau- u.ä. Studiengänge. Auch mag ein Unterschied gelten zwischen ordentlich Studierenden und Gasthörern. Bei Vollstudiengängen, wie hier dem der Rechtswissenschaften, muß jedenfalls davon ausgegangen werden, daß dadurch die Arbeitskraft eines ordentlich Studierenden i.S. des § 118 a AFG voll in Anspruch genommen wird. Dies entspricht nicht nur allgemeinen Erfahrungssätzen, sondern auch der Regelung im Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), dessen § 2 Abs. 5 Satz 1 der § 118 a Abs. 1 AFG nachgebildet worden ist. Im vorliegenden Fall ist dies im übrigen aus dem Zusammenhang der Feststellungen des LSG zu entnehmen, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG).

3. Aufgrund dieser Rechtslage erscheint es dem Senat ferner nicht möglich, ordentlich Studierende eines Vollstudienganges hinsichtlich der Auswirkungen des § 118 a AFG danach unterschiedlich zu beurteilen, wie sie ihr Studium gestalten, weil individuelle Besonderheiten des einzelnen Falles ohnehin ausscheiden. Davon geprägte Sachverhalte entziehen sich aber auch einer Typisierung. Es läßt sich nämlich für sie, wenn sie innerhalb eines auf den regelmäßigen Abschluß, zumeist in Form der Prüfung, gerichteten Vollstudienganges liegen, nicht die Regel aufstellen, daß gerade in dieser Zeit die Arbeitskraft eines „Normal”-Studenten im allgemeinen nicht voll in Anspruch genommen wird.

Aus diesen Gründen kann es auch keine Rolle spielen, in welchem Abschnitt des Studienganges (Anfangssemester, Prüfungssemester, Wiederholungssemester u.ä.) der Student sich befindet. Dem entspricht der Wortlaut der Vorschrift, der nicht auf die Inanspruchnahme durch einen bestimmten Abschnitt der Ausbildung, sondern auf die Inanspruchnahme durch die schulische Ausbildung als solche abstellt. Eine Differenzierung nach Studienabschnitten widerspräche außerdem dem gesetzgeberischen Anliegen, Schüler und Studenten während einer schulischen Ausbildung, die ihre Arbeitskraft im allgemeinen voll in Anspruch nimmt, generell während dieser Zeit aus dem Kreis der durch die Arbeitslosenversicherung geschützten Arbeitnehmer auszuschließen. Entsprechend entfällt die Ruhenswirkung, wie schon die Begründung des Regierungsentwurfs deutlich gemacht hat, nicht in veranstaltungsfreien Zeiten, die wie Semester- und Schulferien in den Lauf der Ausbildung zweckgerichtet eingebettet sind. Es ist daher für die Rechtsfolge aus § 118 a Abs. 1 AFG unmaßgeblich, daß der Kläger Alg für eine Zeit begehrt, in der er wegen bestehender Studienverpflichtungen möglicherweise nicht gehindert war, eine marktübliche Beschäftigung aufzunehmen.

Der § 118 a AFG schließt den Arbeitslosen immer dann und grundsätzlich ohne Ausnahmen vom Alg-Bezug aus, wenn und solange er im Rahmen eines Vollstudienganges ordentlicher Student einer Hochschule ist und der eingeschlagene Studiengang nicht abgebrochen oder planmäßig, d.h. in der Regel mit dem Bestehen der Abschlußprüfung, beendet ist. Bei Gültigkeit der Vorschrift trifft diese Rechtsfolge deshalb auch den Kläger.

4. Aus dieser Rechtswirkung des § 118 a AFG ergibt sich seine Unvereinbarkeit mit Art. 3 GG.

a) Art. 3 GG verbietet u.a., wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liegt vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einem anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfGE 55, 72, 88; 60, 123, 133 ff). Ob und in welchem Ausmaß der Gleichheitssatz bei der Ordnung bestimmter Materien dem Gesetzgeber Differenzierungen erlaubt, hängt dabei wesentlich von der Natur des jeweils infrage stehenden Sachbereichs ab (BVerfGE 29, 402, 411). Auch bei der im Rahmen der gewährenden Verwaltung bestehenden weiteren Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers als bei staatlichen Eingriffen wird deren verfassungsrechtliche Grenze überschritten, wenn sich für die Differenzierung ein vernünftiger, der Natur der Sache entsprechender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht mehr finden läßt (BVerfGE 49, 260, 271; 280, 283).

b) § 118 a AFG wird diesen Anforderungen inhaltlich nicht gerecht. Die Ungleichbehandlung als solche liegt auf der Hand. Bei keiner anderen Gruppe als bei Studenten (und Schülern) wird die Erfüllung eines dem Grunde nach bestehenden Alg-Anspruchs von der Nichtzugehörigkeit zu einer allein vom Status her bestimmten Gruppe abhängig gemacht. Soweit es das Merkmal der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung (§ 103 AFG) anbelangt, kommt es ausschließlich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles an. Tatsächliche und rechtliche Bindungen schließen ganz allgemein den Anspruch nicht aus, wenn daneben noch eine marktübliche Beschäftigung ausgeübt werden kann (§ 103 Abs. 1 Satz 2 AFG). Dabei braucht die Dauer der Arbeitszeit nicht einmal den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu entsprechen. Lediglich hinsichtlich Lage und Verteilung einer vom Üblichen abweichenden Arbeitszeit (die allerdings mehr als kurzzeitig sein muß, § 102 AFG), auf die sich ein Arbeitsloser erlaubt beschränken darf, muß er sich im Rahmen marktüblicher Arbeitszeiten halten (vgl. Hennig/Kühl/Heuer, Komm z AFG, Stand Juni 1982, Anm. 5 zu § 103 m.w.N.). Die Frage der Verfügbarkeit richtet sich systematisch mithin weitgehend nach den Verhältnissen des einzelnen Falles. Daß dabei besonderen Lebenslagen ebenso Rechnung getragen wird (vgl. § 103 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AFG) wie sozialpolitischen Anliegen zur (zeitweisen) Ausdehnung des Versicherungsschutzes selbst auf Personen, die objektiv nicht mehr vermittelbar sind (vgl. § 105 a AFG), macht deutlich, daß dem Gesetz für diese Anspruchsvoraussetzung sowohl eine generalisierende wie eine gruppenspezifische Betrachtungsweise fremd ist.

Die dem AFG innewohnende Systematik der Abhängigkeit des Leistungsanspruchs von der individuellen Sachlage des einzelnen Antragstellers wird auch im Rahmen der Ruhensvorschriften nicht durchbrochen. So ruht der Anspruch nach § 116 AFG nur, wenn die Arbeitslosigkeit des Antragstellers durch Beteiligung an einem Arbeitskampf eingetreten ist oder wenn sich von dem Arbeitskampf mittelbar Auswirkungen auf die für ihn geltenden Arbeitsbedingungen ergeben können, bzw die Gewährung von Leistungen an ihn Rückwirkungen auf den Arbeitskampf auslösen würden. Selbst wenn man diese Rechtsfolge hier als Wirkung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Arbeitslosen ansehen wollte und nicht nur als die gleichartige Beurteilung von für mehrere gleichzeitig vorliegenden Individualverhältnissen, fände dieses seine sachliche Berechtigung in dem der Beklagten auferlegten Neutralitätsgebot (§ 116 AFG; vgl. BSGE 40, 190 ff). – Nach § 117 AFG hängt das Ruhen des Anspruchs vom Zufließen oder Zustehen von Lohnleistungen oder Abfindungen im Einzelfall ab. Das hier tragende Prinzip der Vermeidung von Doppelleistungen an den jeweils einzelnen Arbeitslosen wird in § 118 Abs. 1 AFG fortgeführt, wenn dort die Ruhenswirkung davon abhängt, daß dem Arbeitslosen ein anderweitiger Anspruch auf bestimmte andere Lohnersatzleistungen zuerkannt ist.

§ 118 a AFG weicht von diesen Prinzipien, insbesondere dem letztgenannten, dem er aber gerade nachgebildet worden ist, ab. Es stellt im Ergebnis die nicht widerlegbare Vermutung der Nichtverfügbarkeit von Studenten für die Arbeitsvermittlung auf. Zwar enthält auch § 118 Abs. 1 AFG Elemente eines vermuteten Fehlens oder jedenfalls einer vermuteten Beeinträchtigung der Verfügbarkeit des arbeitslosen Antragstellers (vgl. BSGE 46, 89, 94 = SozR 4100 § 118 Nr. 5 m.w.N.); der Hauptzweck dieser Vorschrift ist aber die Verhinderung vom doppelten Leistungsbezug. Deshalb ruht der Anspruch auf Alg nach § 118 Abs. 1 AFG nur, wenn andere, den Unterhalt sicherstellende Leistungen zur Auszahlung zuerkannt sind (vgl. BSG SozR 4100 § 118 Nr. 10). Der § 118 a AFG hat diese Funktion nicht. Er ist in diesem Sinne keine Ruhensvorschrift, sondern eine (falsch formulierte) den Anspruch ausschließende Vorschrift. Bei Schaffung des § 118 Abs. 2 AFG a.F. durch das KVSG schwebte die eigentliche Funktion des § 118 AFG dem Gesetzgeber noch vor. Denn in der Begründung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Entwurf eines KVSG wird ausgeführt, daß der Lebensunterhalt von Studenten durch die Leistungen nach dem BAföG gesichert werden solle (BT-Drucks 7/3640 S. 8). Diese Absicht hatte sich schon im Gesetzestext des § 118 Abs. 2 AFG a.F. nicht niedergeschlagen, sie wurde mit dem 5. AFG-ÄndG vollends aufgegeben; denn die Neuregelung sollte klarstellen, daß die von der Vorschrift erfaßten Schüler und Studenten nicht (mehr) zum Kreis der durch die Arbeitslosenversicherung geschützten Arbeitnehmer gehören (können).

Die dargestellte Systematik des AFG könnte unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 GG allenfalls eine Ruhensregelung rechtfertigen, die vom tatsächlichen Bezug von BAföG-Leistungen abhängt. Das ist aber und sollte wohl auch nicht geschehen. Abgesehen davon, daß der Gesetzgeber für den Fall der Konkurrenz von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit und wegen Ausbildung gerade die ersteren für vorrangig einzusetzen erklärt hat (vgl. § 21 Abs. 3 Nr. 4 BAföG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensverordnung vom 21. August 1974 – BGBl. I 2078 – i.d.F. der Verordnung vom 16. Juli 1975 – BGBl. I 1924 –), stehen BAföG-Leistungen ohnedies nicht allen Studierenden zu (vgl. z.B. § 10 Abs. 3 BAföG).

c) Hinsichtlich des Erwerbs von Anwartschaften auf Alg sind Studenten grundsätzlich nicht in einer anderen Lage als andere Personen, wenn sie eine beitragspflichtige Beschäftigung ausüben. Ein Student hat das Recht zu studieren, aber keine diesbezügliche Pflicht, er ist grundsätzlich frei in der Gestaltung seines Studiums (akademische Freiheit). Das bedeutet, daß er sein Studium mit verschiedener Intensität betreiben darf. Für einen Studenten besteht kein Beschäftigungsverbot. Die Tatsache der Immatrikulation an einer Hochschule allein steht der Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen (vgl BSGE 44, 164, 167 = SozR 4100 § 134 Nr. 3); auch während des Studiums kann eine abhängige, entgeltliche Beschäftigung ausgeübt werden, die unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 168 AFG beitragspflichtig ist. Vielfach sind Beschäftigungen von Studenten zwar versicherungsfrei (vgl. dazu BSGE 50, 25); daraus ergeben sich dann aber auch keine Folgerungen im Verhältnis zur Beklagten, denn der beitragsfrei beschäftigte Student erwirbt keinen Alg-Anspruch (§ 104 Abs. 1 AFG). Jedenfalls läßt sich für die Lebenswirklichkeit nicht der Grundsatz rechtfertigen, daß durch die bloße Immatrikulation in ein Studienfach, welches im allgemeinen die Arbeitskraft eines Studenten voll in Anspruch nimmt, die Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg ausnahmslos entfallen, insbesondere die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung i.S. des § 103 AFG beeinträchtigt wird oder gar stets in Wegfall gerät.

d) Die objektive Ungleichbehandlung von Studenten mit einem Grundanspruch auf Alg gegenüber allen sonstigen Antragstellern in Form des unterschiedslosen Ruhens des Anspruchs läßt sich nicht durch ausreichende Sacherwägungen rechtfertigen. Zum einen kann es sich bei dem Kreis von Anspruchsinhabern im Verhältnis zur Gesamtzahl von Studenten nur um eine verhältnismäßig kleine Zahl handeln. Immerhin setzt der Anspruch auf Alg eine nicht unbeachtliche Zeit beitragspflichtiger Beschäftigung voraus (§ 104 AFG). Zum anderen ist es aber gerade für diesen Kreis von Anspruchsinhabern typisch, daß er vor oder während des Studiums wegen besonderer Lebenslage auf Arbeitseinkommen angewiesen war, wie der Senat der Vielzahl der bei ihm wegen der Anwendung des § 118 a AFG anhängigen Verfahren entnimmt. Solchen Anspruchsinhabern die dem Grunde nach zustehende Lohnersatzleistung Alg trotz Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung nur wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe „Student” vollständig vorzuenthalten, ist auch mit dem Sozialstaatsprinzip schwerlich vereinbar. Wenn jedenfalls die Gründe, die für die ungleiche Behandlung sprechen, nicht so bedeutsam sind, den völligen Ausschluß dieser Arbeitnehmer im Bereich der Arbeitslosenversicherung zu rechtfertigen und gerade das Sozialstaatsprinzip für eine Gleichbehandlung spricht, wird das Maß des verfassungsrechtlich Zulässigen überschritten. Denn ein Abweichen von der vom Gesetz selbst gewählten Sachgesetzlichkeit kann vor dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG nur dann Bestand haben, wenn das Gewicht der für die Abweichung sprechenden Gründe der Intensität der getroffenen Ausnahmeregelung entspricht (BVerfGE 13, 331, 340; 15, 313, 318). Das BVerfG hat deshalb auch schon den vollständigen Ausschluß der bei ihren Eltern beschäftigten Arbeitnehmer vom Schutz der Arbeitslosenversicherung als mit Art. 3 GG unvereinbar erklärt (BVerfGE 18, 366, 372).

Dasselbe gilt für § 118 a AFG. Um eine sachlich ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung durch eingeschriebene Studenten zu vermeiden, bedurfte es nicht der in dieser Vorschrift enthaltenen generellen Sanktion gegenüber der gesamten Gruppe der Studenten. § 118 Abs. 2 AFG i.d.F. des KVSG trug dem in der vom Senat gefundenen Auslegung hinreichend Rechnung. Der dabei die Beklagte treffende Verwaltungsaufwand kann schon deshalb kein ausreichendes Sachargument für die in § 118 a AFG enthaltene Ungleichbehandlung ergeben, weil es ohnedies zu den Sachaufgaben der Arbeitsämter gehört, die Verfügbarkeit jedes Antragstellers für die Arbeitsvermittlung zu prüfen, bevor sie Alg bewilligt. Im übrigen wird dieser Aufwand durch die Auslegung des § 118 Abs. 2 AFG a.F. durch den Senat sogar noch verringert, da sich für den Studenten im Ergebnis hinsichtlich der Abwendung einer Ruhenswirkung danach die Darlegungs- und Beweislast umkehrt.

Der absolute Ausschluß von Studenten vom Schutz der Arbeitslosenversicherung erscheint auch aus anderen Gründen sachlich schwer verständlich. Daß Studenten bei bestimmten Gestaltungen von Beschäftigungsverhältnissen während des Studiums als versicherungs- und beitragspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung erachtet und ihnen demgemäß trotz Studiums die Eigenschaft von Arbeitnehmern zuerkannt wird, wurde bereits unter Hinweis auf BSGE 50, 25 erwähnt (vgl. dazu auch die Zusammenstellung der Besprechungsergebnisse der Versicherungsträger zur Anwendung der §§ 172 Abs. 1 Nr. 5, 1228 Abs. 1 Nr. 3 RVO, § 4 Abs. 1 Nr. 4 AVG, abgedruckt bei Beuster, Die Versicherungspflicht, 2. Auflage, S. 163 ff). Ihnen sodann bei unveränderter Bereitschaft und feststellbarer Fähigkeit, derartige Beschäftigungen weiter auszuüben, im Ergebnis diese Eigenschaft abzusprechen, wenn es um die Leistungsgewährung geht, kann ungeachtet des weitergehenden Zweckes der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung umso weniger überzeugen, als es sich die Beklagte andererseits durch Einrichtung spezieller Job-Vermittlungsstellen für Schüler und Studenten zur Aufgabe gemacht hat, deren offenbar auch als marktgerecht erkannte persönliche Bedürfnisse nach Arbeitsmöglichkeiten jeglicher Art sachgerecht zu befriedigen. Der Senat vermag aber keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, daß die Beklagte sich bei dieser Tätigkeit etwa nur auf die Vermittlung beitragsfreier Beschäftigungen beschränkt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1600583

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