Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 118 a Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 23. Juli 1979 (BGBl. I 1189) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

 

Tatbestand

I

In dem vor dem Bundessozialgericht (BSG) anhängigen Revisionsverfahren kommt es streitentscheidend darauf an, ob der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. bis 27. Januar 1980 gemäß § 118 a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl. I 1189) ruht.

Die 1949 geborene Klägerin nahm 1969 mit dem Ziel, die Lehrbefähigung für die Sekundarstufe II zu erwerben, ein Universitätsstudium auf, das sie 1975 aus familiären Gründen aufgab. Von November 1975 bis zum 31. Dezember 1979 war die Klägerin als Kontoristin beschäftigt, und zwar bis Ende Februar 1976 mit 24,5 Stunden, bis Ende 1978 40 Stunden und ab 1. Januar 1979 21 Stunden wöchentlich; die Arbeitsstelle verlor die Klägerin aus Rationalisierungsgründen. Ab 1. März 1980 ist sie als Texterfasserin mit 22 und ab August 1980 mit 26 Wochenstunden beschäftigt.

Zum Sommersemester 1978 schrieb sich die Klägerin bei der Pädagogischen Hochschule R. und zum Sommersemester 1979 bei der Universität E. mit dem Ziel ein, die Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I zu erwerben. Auf die Mindeststudiendauer von 6 Semestern wurden ihr Vorstudienzeiten angerechnet, und zwar für die Fächer Erziehungswissenschaft 3 Semester, Erdkunde 4 Semester und Deutsch 5 Semester. Im Sommersemester 1979 belegte die Klägerin 17 und im Wintersemester 1979/80 18 Wochenstunden an Vorlesungen, Übungen und Seminaren.

Den Antrag der Klägerin, ihr ab 1. Januar 1980 Alg zu gewähren, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 7. Dezember 1979, Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 1980). Ebenso lehnte die Beklagte den Alg-Antrag ab, den die Klägerin am 4. Februar 1980 gestellt hat, nachdem sie am 28. Januar 1980 arbeitsunfähig erkrankt war (Bescheid von Ende Februar 1980). Nachdem die Beklagte erklärt hatte, sie werde sich auf die Bindungswirkung dieses Bescheides nicht berufen, sofern das anhängige Verfahren erfolgreich für die Klägerin verlaufe, hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Dezember 1979 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1980 verurteilt, der Klägerin ab 1. Januar 1980 Alg in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe zu gewähren (Urteil vom 26. Mai 1981). Die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 28. Oktober 1982).

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, soweit darin wegen des Studiums das Ruhen des Alg gemäß § 118 a AFG für die Zeit ab 1. Januar 1980 festgestellt worden sei. Nach Wortlaut, Wortsinn sowie nach den Gesetzesmaterialien zu dieser Vorschrift sei zwar bei der Beurteilung der Frage, ob die Arbeitskraft eines Studenten durch das Studium voll in Anspruch genommen werde, nicht auf die individuellen Verhältnisse des arbeitslosen Studenten abzustellen, sondern abstrakt auf die Belastung, der ein Student von der Art des Antragstellers in dessen Ausbildungssituation üblicherweise ausgesetzt sei. Das bedeute jedoch nicht, daß der Alg-Anspruch von Studenten, die sich in einem Ausbildungsstadium befinden, das anderen Studenten im allgemeinen nicht die Zeit lasse, eine Beschäftigung von mehr als kurzfristiger Dauer auszuüben, ausnahmslos ruhe. Die Studenten, deren Ausbildung gegenüber dem üblichen Studienablauf solche Besonderheiten aufweise, daß sie mit dem Regelstudium nicht mehr vergleichbar seien und deren Studium eine ständige versicherungspflichtige Beschäftigung wegen der Besonderheiten im allgemeinen erlaube, habe der Gesetzgeber vom Alg-Bezug nicht ausschließen wollen. Ein solcher Ausnahmefall liege hier vor. Der Klägerin seien nicht nur Zeiten des Vorstudiums angerechnet worden, vielmehr habe sie hierdurch Kenntnisse erworben, so daß sie von Anfang an ihr Studium so habe einrichten können, daneben eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung auszuüben. Das Studium habe die Klägerin jedenfalls Anfang 1980 mit weniger als 40 Stunden in Anspruch genommen, wofür ihre Beschäftigung vor und nach der Arbeitslosigkeit spreche. Es sei kein sachlich zu rechtfertigender Grund dafür vorhanden, solche Studenten schlechter zu stellen als Personen, die ein Ergänzungs- oder Vertiefungsstudium durchführten; bei diesen Studenten beruhe der Umfang der zeitlichen Inanspruchnahme ebenfalls wesentlich auf einer individuellen Gestaltung des Studiums.

Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 118 a AFG. Diese Vorschrift habe die bisherige Regelung des § 118 Abs. 2 AFG in erweiterter Form übernommen. Entscheidendes Kriterium für das Ruhen des Alg sei, ob die Ausbildung die Arbeitskraft eines Schülers oder Studenten im allgemeinen voll in Anspruch nehme. Maßgeblich sei hierbei die Stundenzahl, die ein normaler Student ohne besondere Qualifikationen entsprechend der Ausgestaltung des jeweiligen Ausbildungsganges in Ansatz bringen müsse. Bei einem Hochschulstudium sei stets davon auszugehen, daß die Arbeitskraft eines Studenten voll in Anspruch genommen werde, insbesondere, wenn die Unterrichtsveranstaltungen in der für Arbeitnehmer üblichen Arbeitszeit lägen. Die besonderen Fähigkeiten oder bereits erworbenen Qualifikationen eines Studenten, die es ihm erlaubten, den Besuch der angebotenen Unterrichtsveranstaltungen oder die übliche Vor- und Nacharbeit einzuschränken, müßten außer Betracht bleiben, wie sich zwingend aus dem Ausdruck „im allgemeinen” ergebe. Diese Regelung sei vor allem auf die Besonderheiten der Hochschulausbildung abgestellt, da es einem Hochschulstudenten im allgemeinen nicht verwehrt sei, den Besuch von Unterrichtsveranstaltungen einzuschränken und stattdessen das Eigenstudium zu intensivieren oder auch das Studium zu verlängern. Von diesem üblichen Studienablauf seien die Unterrichtsgänge zu unterscheiden, die nicht die ganze Arbeitskraft beanspruchten und die deshalb typischerweise berufsbegleitend durchgeführt würden. Diese berufsbegleitenden Studien nähmen regelmäßig hinsichtlich der Lage der Unterrichtsveranstaltungen auf die übliche Arbeitszeit für Arbeitnehmer Rücksicht und planten die Veranstaltungen von vornherein für Zeiten außerhalb der üblichen Arbeitszeit ein. Das LSG versuche nun, eine weitere Kategorie von Studenten einzuführen. Aufgrund von Vorstudien erworbene Kenntnisse führten jedoch nicht zwingend zu einer Verkürzung der Semesterwochenstunden, so daß sich der Studienablauf nicht auf eine bestimmte zu absolvierende Stundenzahl beschränke. Auch gebe es keine Gruppe mit übereinstimmendem Studienablauf. Dieser gestalte sich vielmehr auch in den Anrechnungsfällen individuell. Hänge somit letztlich der tatsächliche Studienablauf von normalen und vorgebildeten Studenten von Intelligenz, Begabung, Arbeitsweise und ähnlichem ab, ergebe sich, daß zwischen normalen und vorgebildeten Studenten nicht habe differenziert werden sollen; vielmehr habe der Gesetzgeber für alle Studenten ein Ruhen des Anspruchs nach § 118 a AFG gewollt. Auch eine Auslegung dahin, daß § 118 a AFG lediglich die widerlegbare Vermutung enthalte, daß der Student nicht verfügbar sei, sei nunmehr nicht möglich. Das Urteil des LSG könne daher nur dann aufrechterhalten werden, wenn die Vorschrift wegen des vollständigen Ausschlusses der Studenten vom Alg-Bezug verfassungswidrig sei.

Die Beklagte beantragt,

die ergangenen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verweist auf das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, es könne nicht darauf ankommen, ob die Hochschule abends oder tagsüber besucht werde. Entscheidend könne allein sein, ob bei ordnungsgemäßer Durchführung des Studiums noch ausreichend Zeit bleibe, um eine versicherungspflichtige Arbeit durchzuführen. Hierbei sei zu beachten, daß es in Nordrhein-Westfalen keine Studienregelzeit gebe, so daß der Klägerin es freigestanden habe, zu Lasten des Studiums einer Arbeit nachzugehen und dadurch die Studienzeitdauer zu erhöhen. Voraussetzung für die Zulassung zur Staatsprüfung sei, daß pro Studienfach und Pädagogik insgesamt 40 Semesterwochenstunden belegt würden. Wegen der Vorstudienzeit seien der Klägerin in Germanistik 34, in Geographie 28 und in Pädagogik 18 Wochenstunden anerkannt worden. Darüber hinaus seien die abzuleistenden Praktika bereits außerhalb des Studiums absolviert worden. Daher habe die Klägerin für die gesamte Studienzeit von Sommersemester 1979 bis Sommersemester 1982 40 Wochenstunden zu belegen, was rein rechnerisch 5 bis 6 Wochenstunden pro Semester bedeutet habe. Mithin sei die Klägerin nicht denjenigen Studenten gleichzustellen, die ein Regelstudium durchführten.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).

 

Entscheidungsgründe

II

1. Der Senat hat nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen, weil er die Vorschriften des § 118 a Abs. 1 AFG i.d.F. des 5. AFG-ÄndG für verfassungswidrig hält und es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Gültigkeit der Vorschrift ankommt.

Wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, erfüllt die Klägerin dem Grunde nach die Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg nach § 100 Abs. 1 AFG. Sie war arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, hatte die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt (§§ 101, 103, 104, 105 AFG).

Der Revision der Beklagten wäre gleichwohl stattzugeben, wenn § 118 a Abs. 1 AFG geltendes Recht ist. Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf Alg während der Zeit, in der der Arbeitslose Schüler oder Student einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte ist, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft eines Schülers oder Studenten im allgemeinen voll in Anspruch nimmt. Die Klägerin war in der Zeit, für die sie Alg beansprucht, Studentin eines allgemeinen auf den Erwerb der Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I gerichteten Studienganges. Ein solcher Studiengang nimmt die Arbeitskraft eines Studenten im allgemeinen voll in Anspruch.

2. Die Entscheidung über die Gültigkeit des § 118 a Abs. 1 AFG ist nicht deshalb entbehrlich, weil die darin angeordnete Rechtsfolge des Ruhens eines Anspruchs durch verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift für Sachverhalte wie dem des vorliegenden Falles vermieden werden könnte.

Der § 118 a AFG ist mit Wirkung ab 1. August 1979 durch das 5. AFG-ÄndG in das Gesetz eingefügt worden. Er hat den seit 1. Oktober 1975 geltenden § 118 Abs. 2 AFG ersetzt, der das Ruhen eines Anspruchs auf Alg während der Zeit anordnete, in welcher der Arbeitslose als ordentlicher Studierender eine Hochschule oder eine sonstige der wissenschaftlichen oder fachlichen Ausbildung dienende Schule besucht (vgl. § 5 Nr. 2 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten –KVSG– vom 24. Juni 1975 – BGBl. I 1536). Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung den § 118 Abs. 2 AFG i.d.F. des KVSG dahin ausgelegt, daß er die gesetzliche Vermutung dafür aufstelle, ein ordentlich Studierender stehe durch den damit verbundenen Besuch der Hochschule der Arbeitsvermittlung nach § 103 AFG nicht zur Verfügung, der einzelne Antragsteller könne diese Vermutung jedoch widerlegen (BSGE 46, 89 = SozR 4100 § 118 Nr. 5; BSG vom 10. Oktober 1978 – 7 RAr 6/78 = SozSich 1979, 22; BSG vom 7. August 1979 – 7 RAr 28/78).

Der Senat sieht sich nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift nicht in der Lage, dem § 118 a AFG eine entsprechende Auslegung zu geben. Der Wortlaut stellt für den Eintritt der Rechtsfolge einerseits auf die Eigenschaft des Antragstellers ab, Student oder Schüler einer der genannten Ausbildungsstätten zu sein, andererseits darauf, ob eine derartige Ausbildung die Arbeitskraft von Schülern oder Studenten regelmäßig voll in Anspruch zu nehmen pflegt. Dies kommt in der Formulierung des 2. Halbsatzes von § 118 a Abs. 1 AFG zum Ausdruck, wenn danach Bedingung ist, daß die Arbeitskraft eines Schülers oder Studenten im allgemeinen voll in Anspruch genommen ist. Die individuelle Ausbildungssituation des jeweiligen Antragstellers scheidet demnach für die rechtliche Beurteilung grundsätzlich aus. Nicht der Umfang seiner zeitlichen Belastung durch seine jeweilige konkrete Ausbildungssituation soll maßgebend sein, sondern eine auf generelle Erfahrungssätze abgestellte Beurteilung des Zeit- und Arbeitsaufwandes, den ein „Normal”-Schüler oder -Student für einen erfolgreichen, regelmäßigen Besuch der Ausbildungsstätte benötigt.

Dieser schon nach dem Wortlaut deutliche Inhalt des § 118 a Abs. 1 AFG wird durch die verlautbarten Motive bestätigt. Im Regierungsentwurf eines 5. AFG-ÄndG heißt es hierzu (BT-Drucks 8/2624 S. 28): „Die Vorschrift übernimmt die bisherige Regelung des § 118 Abs. 2 AFG in geänderter und erweiterter Fassung. Sie stellt klar, daß Schüler und Studierende in einer schulischen Ausbildung, die ihre Arbeitskraft im allgemeinen voll in Anspruch nimmt, während dieser Zeit nicht zum Kreise der durch die Arbeitslosenversicherung geschützten Arbeitnehmer gehören und deshalb kein Arbeitslosengeld erhalten. Die Arbeitskraft eines Schülers oder Studenten wird durch die Ausbildung voll in Anspruch genommen, wenn nach den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen oder der allgemeinen Erfahrung die Ausbildung einschließlich der Vorbereitungszeit 40 Wochenstunden erfordert. Unerheblich ist, ob der Schüler oder Student in der Lage ist, daneben noch eine Arbeitnehmertätigkeit von mehr als kurzzeitiger Dauer auszuüben, etwa weil er wegen seiner besonderen Fähigkeiten nur eine überdurchschnittliche kurze Vorbereitungszeit benötigt oder weil er die Ferien nicht für die Ausbildung oder für die Erholung nutzen will.”

Folge dieses Inhalts des § 118 a Abs. 1 AFG ist es, daß bei seiner Gültigkeit ein dem Grunde nach bestehender Anspruch eines Studenten auf Alg unabhängig von seiner individuellen Ausbildungssituation ruht. Student ist, wer an einer Hochschule immatrikuliert ist. Die Ruhenswirkung tritt zwar möglicherweise nicht bei jeder Art von Studiengang ein; denkbar wäre etwas anderes, z.B. für Ergänzungs-, Aufbau- und ähnliche Studiengänge. Auch mag ein Unterschied gelten zwischen ordentlich Studierenden und Gasthörern. Bei Vollstudiengängen, wie hier dem des Lehrerstudiums, muß jedenfalls davon ausgegangen werden, daß dadurch die Arbeitskraft eines ordentlich Studierenden im Sinne des § 118 a AFG voll in Anspruch genommen wird. Dies entspricht nicht nur allgemeinen Erfahrungssätzen, sondern auch der Regelung im Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), dessen § 2 Abs. 5 Satz 1 der § 118 a Abs. 1 AFG nachgebildet worden ist.

3. Aufgrund dieser Rechtslage erscheint es dem Senat ferner nicht möglich, ordentlich Studierende eines Vollstudienganges hinsichtlich der Auswirkungen des § 118 a AFG danach unterschiedlich zu beurteilen, wie sie ihr Studium gestalten, weil individuelle Besonderheiten des einzelnen Falles ohnehin ausscheiden. Davon geprägte Sachverhalte entziehen sich aber auch einer Typisierung. Es läßt sich nämlich für sie, wenn sie innerhalb eines auf den regelmäßigen Abschluß, zumeist in Form der Prüfung, gerichteten Vollstudienganges liegen, nicht die Regel aufstellen, daß gerade in dieser Zeit die Arbeitskraft eines „Normal”-Studenten im allgemeinen nicht voll in Anspruch genommen wird. Es ist daher ohne Bedeutung, ob die Klägerin einem „Regel-Studenten” entspricht oder nicht. Diese vom LSG vorgenommene Unterscheidung stellt nicht auf generelle Erfahrungssätze, sondern zusätzlich auf die individuelle Situation des jeweiligen Antragstellers ab, sie würdigt alle Umstände des konkreten Einzelfalles, insbesondere, ob die Klägerin aufgrund ihrer Vorstudien darauf verzichtet, bestimmte Lehrveranstaltungen zu wiederholen. Gerade die Prüfung aller Umstände des konkreten Einzelfalles sollte mit § 118 a AFG ausgeschlossen werden.

Aus diesen Gründen kann es auch keine Rolle spielen, in welchem Abschnitt des Studienganges (Anfangssemester, Prüfungssemester, Wiederholungssemester u.ä.) der Student sich befindet. Dem entspricht der Wortlaut der Vorschrift, der nicht auf die Inanspruchnahme durch einen bestimmten Abschnitt der Ausbildung, sondern auf die Inanspruchnahme durch die schulische Ausbildung als solcher abstellt. Eine Differenzierung nach Studienabschnitten widerspräche außerdem dem gesetzgeberischen Anliegen, Schüler und Studenten während einer schulischen Ausbildung, die ihre Arbeitskraft im allgemeinen voll in Anspruch nimmt, generell während dieser Zeit aus dem Kreis der durch die Arbeitslosenversicherung geschützten Arbeitnehmer auszuschließen. Entsprechend entfällt die Ruhenswirkung, wie schon die Begründung des Regierungsentwurfs deutlich gemacht hat, nicht in veranstaltungsfreien Zeiten, die wie Semester- und Schulferien in den Lauf der Ausbildung zweckgerichtet eingebettet sind.

Es ist daher für die Rechtsfolge aus § 118 a Abs. 1 AFG unmaßgeblich, daß die Klägerin Alg für eine Zeit begehrt, in der sie wegen bestehender Studienverpflichtungen möglicherweise nicht gehindert war, eine marktübliche Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen.

Der § 118 a AFG schließt den Arbeitslosen immer dann und grundsätzlich ohne Ausnahmen vom Alg-Bezug aus, wenn und solange er im Rahmen eines Vollstudienganges ordentlicher Student einer Hochschule ist und der eingeschlagene Studiengang nicht abgebrochen oder planmäßig, d.h. in der Regel mit dem Bestehen der Abschlußprüfung, beendet ist. Bei Gültigkeit der Vorschrift trifft diese Rechtsfolge deshalb auch die Klägerin.

4. Aus dieser Rechtswirkung des § 118 a AFG ergibt sich seine Unvereinbarkeit mit Art. 3 GG.

a) Art. 3 GG verbietet u.a., wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liegt vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einem anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfGE 55, 72, 88; 60, 123, 133 ff). Ob und in welchem Ausmaß der Gleichheitssatz bei der Ordnung bestimmter Materien dem Gesetzgeber Differenzierungen erlaubt, hängt dabei wesentlich von der Natur des jeweils infrage stehenden Sachbereichs ab (BVerfGE 29, 402, 411). Auch bei der im Rahmen der gewährenden Verwaltung bestehenden weiteren Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers als bei staatlichen Eingriffen wird deren verfassungsrechtliche Grenze überschritten, wenn sich für die Differenzierung ein vernünftiger, der Natur der Sache entsprechender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht mehr finden läßt (BVerfGE 49, 260, 271; 280, 283).

b) § 118 a AFG wird diesen Anforderungen inhaltlich nicht gerecht. Die Ungleichbehandlung als solche liegt auf der Hand. Bei keiner anderen Gruppe als bei Studenten (und Schülern) wird die Erfüllung eines dem Grunde nach bestehenden Alg-Anspruchs von der Nichtzugehörigkeit zu einer allein vom Status her bestimmten Gruppe abhängig gemacht. Soweit es das Merkmal der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung (§ 103 AFG) anbelangt, kommt es ausschließlich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles an. Tatsächliche und rechtliche Bindungen schließen ganz allgemein den Anspruch nicht aus, wenn daneben noch eine marktübliche Beschäftigung ausgeübt werden kann (§ 103 Abs. 1 Satz 2 AFG). Dabei braucht die Dauer der Arbeitszeit nicht einmal den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu entsprechen. Lediglich hinsichtlich Lage und Verteilung einer vom üblichen abweichenden Arbeitszeit (die allerdings mehr als kurzzeitig sein muß, § 102 AFG), auf die sich ein Arbeitsloser erlaubt beschränken darf, muß er sich im Rahmen marktüblicher Arbeitszeiten halten (vgl. Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand: Juni 1982, Anm. 5 zu § 103 m.w.N.). Die Frage der Verfügbarkeit richtet sich systematisch mithin weitgehend nach den Verhältnissen des einzelnen Falles. Daß dabei besonderen Lebenslagen ebenso Rechnung getragen wird (vgl. § 103 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AFG) wie sozialpolitischen Anliegen zur (zeitweisen) Ausdehnung des Versicherungsschutzes selbst auf Personen, die objektiv nicht mehr vermittelbar sind (vgl. § 105 a AFG), macht deutlich, daß dem Gesetz für diese Anspruchsvoraussetzung sowohl eine generalisierende wie eine gruppenspezifische Betrachtungsweise fremd ist.

Die dem AFG innewohnende Systematik der Abhängigkeit des Leistungsanspruchs von der individuellen Sachlage des einzelnen Antragstellers wird auch im Rahmen der Ruhensvorschriften nicht durchbrochen. So ruht der Anspruch nach § 116 AFG nur, wenn die Arbeitslosigkeit des Antragstellers durch Beteiligung an einem Arbeitskampf eingetreten ist oder wenn sich von dem Arbeitskampf mittelbar Auswirkungen auf die für ihn geltenden Arbeitsbedingungen ergeben können, bzw. die Gewährung von Leistungen an ihn Rückwirkungen auf den Arbeitskampf auslösen würden. Selbst wenn man diese Rechtsfolge hier als Wirkung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Arbeitslosen ansehen wollte und nicht nur als die gleichartige Beurteilung von für mehrere gleichzeitig vorliegenden Individualverhältnissen, fände dieses seine sachliche Berechtigung in dem der Beklagten auferlegten Neutralitätsgebot (§ 116 AFG; vgl. BSGE 40, 190 ff). – Nach § 117 AFG hängt das Ruhen des Anspruchs vom Zufließen oder Zustehen von Lohnleistungen oder Abfindungen im Einzelfall ab. Das hier tragende Prinzip der Vermeidung von Doppelleistungen an den jeweils einzelnen Arbeitslosen wird in § 118 Abs. 1 AFG fortgeführt, wenn dort die Ruhenswirkung davon abhängt, daß dem Arbeitslosen ein anderweitiger Anspruch auf bestimmte andere Lohnersatzleistungen zuerkannt ist.

§ 118 a Abs. 1 AFG weicht von diesen Prinzipien, insbesondere dem letztgenannten, dem er aber gerade nachgebildet worden ist, ab. Er verneint im Ergebnis die Verfügbarkeit von Studenten für die Arbeitsvermittlung. Zwar enthält auch § 118 Abs. 1 AFG Elemente eines vermuteten Fehlens oder jedenfalls einer vermuteten Beeinträchtigung der Verfügbarkeit des arbeitslosen Antragstellers (vgl. BSGE 46, 89, 94 = SozR 4100 § 118 Nr. 5 m.w.N.). Der Hauptzweck dieser Vorschrift ist aber die Verhinderung von doppeltem Leistungsbezug; deshalb ruht der Anspruch auf Alg nach § 118 Abs. 1 AFG nur, wenn andere den Unterhalt sicherstellende Leistungen zur Auszahlung zuerkannt sind (vgl. BSG SozR 4100 § 118 Nr. 10). Der § 118 a Abs. 1 AFG hat diese Funktion nicht. Er ist in diesem Sinne keine Ruhensvorschrift, sondern eine (falsch formulierte) den Anspruch ausschließende Gesetzesnorm. Bei der Schaffung des § 118 Abs. 2 AFG a.F. durch das KVSG schwebte die eigentliche Funktion des § 118 AFG dem Gesetzgeber noch vor. Denn in der Begründung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Entwurf eines KVSG wird ausgeführt, daß der Lebensunterhalt von Studenten durch die Leistungen nach dem BAföG gesichert werden solle (BT-Drucks 7/3640 S. 8). Diese Absicht hatte sich schon im Gesetzestext des § 118 Abs. 2 AFG a.F. nicht niedergeschlagen, sie wurde mit dem 5. AFG-ÄndG vollends aufgegeben; denn die Neuregelung sollte klarstellen, daß die von der Vorschrift erfaßten Schüler und Studenten nicht (mehr) zum Kreis der durch die Arbeitslosenversicherung geschützten Arbeitnehmer gehören (können).

Die dargestellte Systematik des AFG könnte unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 GG allenfalls eine Ruhensregelung rechtfertigen, die vom tatsächlichen Bezug von BAföG-Leistungen abhängt. Das ist aber und sollte wohl auch nicht geschehen. Abgesehen davon, daß der Gesetzgeber für den Fall der Konkurrenz von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit und wegen Ausbildung gerade die ersteren für vorrangig einzusetzen erklärt hat (vgl. § 21 Abs. 3 Nr. 4 BAföG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensverordnung vom 21. August 1974 – BGBl. I 2078 – i.d.F. der Verordnung vom 16. Juli 1975 – BGBl. I 1924 –), stehen BAföG-Leistungen ohnedies nicht allen Studierenden zu (vgl. z.B. § 10 Abs. 3 BAföG).

c) Hinsichtlich des Erwerbs von Anwartschaften auf Alg sind Studenten grundsätzlich nicht in einer anderen Lage als andere Personen, wenn sie eine beitragspflichtige Beschäftigung ausüben. Ein Student hat das Recht zu studieren, aber keine diesbezügliche Pflicht, er ist grundsätzlich frei in der Gestaltung seines Studiums (akademische Freiheit). Das bedeutet, daß er sein Studium mit verschiedener Intensität betreiben darf. Für einen Studenten besteht kein Beschäftigungsverbot. Die Tatsache der Immatrikulation an einer Hochschule allein steht der Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen (vgl. BSGE 44, 164, 167 = SozR 4100 § 134 Nr. 3); auch während des Studiums kann eine abhängige, entgeltliche Beschäftigung ausgeübt werden, die unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 168 AFG beitragspflichtig ist. Vielfach sind Beschäftigungen von Studenten zwar versicherungsfrei (vgl. dazu BSGE 50, 25); daraus ergeben sich dann aber auch keine Folgerungen im Verhältnis zur Beklagten, denn der beitragsfrei beschäftigte Student erwirbt keinen Alg-Anspruch (§ 104 Abs. 1 AFG). Jedenfalls läßt sich für die Lebenswirklichkeit nicht der Grundsatz rechtfertigen, daß durch die Immatrikulation und die Aufnahme eines Studiums, welches im allgemeinen die Arbeitskraft eines Studenten voll in Anspruch nimmt, die Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg ausnahmslos entfallen, insbesondere die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung i.S. des § 103 AFG beeinträchtigt wird oder gar stets in Wegfall gerät.

d) Die objektive Ungleichbehandlung von Studenten mit einem Grundanspruch auf Alg gegenüber allen sonstigen Antragstellern in Form des unterschiedslosen Ruhens des Anspruchs läßt sich nicht durch ausreichende Sacherwägungen rechtfertigen. Zum einen kann es sich bei dem Kreis von Anspruchsinhabern im Verhältnis zur Gesamtzahl von Studenten nur um eine verhältnismäßig kleine Zahl handeln. Immerhin setzt der Anspruch auf Alg eine nicht unbeachtliche Zeit beitragspflichtiger Beschäftigung voraus (§ 104 AFG). Zum anderen ist es aber gerade für diesen Kreis von Anspruchsinhabern typisch, daß er vor oder während des Studiums wegen besonderer Lebenslage auf Arbeitseinkommen angewiesen war, wie der Senat der Vielzahl der bei ihm wegen der Anwendung des § 118 a AFG anhängigen Verfahren entnimmt. Solchen Anspruchsinhabern die dem Grunde nach zustehende Lohnersatzleistung Alg trotz Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung nur wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe „Student” vollständig vorzuenthalten, ist auch mit dem Sozialstaatsprinzip schwerlich vereinbar. Wenn jedenfalls die Gründe, die für die ungleiche Behandlung sprechen, nicht so bedeutsam sind, den völligen Ausschluß dieser Arbeitnehmer im Bereich der Arbeitslosenversicherung zu rechtfertigen und gerade das Sozialstaatsprinzip für eine Gleichbehandlung spricht, wird das Maß des verfassungsrechtlich Zulässigen überschritten. Denn ein Abweichen von der vom Gesetz selbst gewählten Sachgesetzlichkeit kann vor dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG nur dann Bestand haben, wenn das Gewicht der für die Abweichung sprechenden Gründe der Intensität der getroffenen Ausnahmeregelung entspricht (BVerfGE 13, 331, 340; 15, 313, 318). Das BVerfG hat deshalb auch schon den vollständigen Ausschluß der bei ihren Eltern beschäftigten Arbeitnehmer vom Schutz der Arbeitslosenversicherung als mit Art. 3 GG unvereinbar erklärt (BVerfGE 18, 366, 372).

Dasselbe gilt für § 118 a AFG. Um eine sachlich ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung durch eingeschriebene Studenten zu vermeiden, bedurfte es nicht der in dieser Vorschrift enthaltenen generellen Sanktion gegenüber der gesamten Gruppe der Studenten. § 118 Abs. 2 AFG i.d.F. des KVSG trug dem in der vom Senat gefundenen Auslegung hinreichend Rechnung. Der dabei die Beklagte treffende Verwaltungsaufwand kann schon deshalb kein ausreichendes Sachargument für die in § 118 a AFG enthaltene Ungleichbehandlung ergeben, weil es ohnedies zu den Sachaufgaben der Arbeitsämter gehört, die Verfügbarkeit jedes Antragstellers für die Arbeitsvermittlung zu prüfen, bevor sie Alg bewilligt. Im übrigen wird dieser Aufwand durch die Auslegung des § 118 Abs. 2 AFG a.F. durch den Senat sogar noch verringert, da sich für den Studenten im Ergebnis hinsichtlich der Abwendung einer Ruhenswirkung danach die Darlegungs- und Beweislast umkehrt.

Der absolute Ausschluß von Studenten vors Schutz der Arbeitslosenversicherung erscheint auch aus anderen Gründen sachlich schwer verständlich. Daß Studenten bei bestimmten Gestaltungen von Beschäftigungsverhältnissen während des Studiums als versicherungs- und beitragspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung erachtet und ihnen demgemäß trotz Studiums die Eigenschaft von Arbeitnehmern zuerkannt wird, wurde bereits unter Hinweis auf BSGE 50, 25 erwähnt (vgl. dazu auch die Zusammenstellung der Besprechungsergebnisse der Versicherungsträger zu Anwendung der §§ 172 Abs. 1 Nr. 5, 1228 Abs. 1 Nr. 3 RVO, § 4 Abs. 1 Nr. 4 AVG, abgedruckt bei Beuster, Die Versicherungspflicht, 2. Auflage, S. 163 ff). Ihnen sodann bei unveränderter Bereitschaft und feststellbarer Fähigkeit, derartige Beschäftigungen weiter auszuüben, im Ergebnis diese Eigenschaft abzusprechen, wenn es um die Leistungsgewährung geht, kann ungeachtet des weitergehende Zweckes der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung umso weniger überzeugen, als es sich die Beklagte andererseits durch Einrichtung spezieller Job-Vermittlungsstellen für Schüler und Studenten zur Aufgabe gemacht hat, deren offenbar auch als marktgerecht erkannte persönliche Bedürfnisse nach Arbeitsmöglichkeiten jeglicher Art sachgerecht zu befriedigen. Der Senat vermag aber keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, daß die Beklagte sich bei dieser Tätigkeit etwa nur auf die Vermittlung beitragsfreier Beschäftigungen beschränkt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1600586

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