Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbehaltung der Witwenabfindung
Orientierungssatz
Ist von der wiederaufgelebten Witwenrente der auf die Zeit ab Auflösung der neuen Ehe entfallende Teil einer anläßlich der neuen Eheschließung gezahlten Rentenabfindung selbst dann einzubehalten, wenn der Antrag auf Wiedergewährung der Rente erst später als 12 Monate nach Auflösung der neuen Ehe gestellt und deswegen die wiederaufgelebte Rente erst von einem späteren Zeitpunkt an gezahlt wird?
Normenkette
RVO § 1291 Abs 2 S 2; RVO § 1291 Abs 2 S 1
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 06.11.1986; Aktenzeichen L 10 J 347/86) |
Tatbestand
In der dem 5. Senat vorliegenden Revisionssache 5/4a RJ 51/87 ist - ebenso wie in der ebenfalls beim 5. Senat anhängigen Revisionssache 5/4a RJ 13/86 - streitig, ob gemäß § 1291 Abs 2 Satz 2 RVO idF des ArVNG (gleichlautend mit § 1291 Abs 2 Satz 4 RVO in der nach Art 14 HEZG am 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Fassung) eine Witwenabfindung für die Zeit nach Wiederaufleben des Anspruchs auf Rente unabhängig vom Zeitpunkt des Antrags auf Wiedergewährung der Witwenrente einbehalten werden darf.
Die Klägerin bezog ab Januar 1978 Witwenrente aus der Versicherung ihres ersten Ehemannes. Im Dezember 1979 ging sie eine zweite Ehe ein und erhielt von der Beklagten eine Abfindung in Höhe des fünffachen Jahresbetrages der bisher bezogenen Witwenrente. Diese Ehe ist seit dem 5. März 1982 rechtskräftig geschieden. Am 16. Oktober 1984 beantragte die Klägerin, ihr wieder Witwenrente aus der Versicherung ihres ersten Ehemannes zu gewähren. Diese Rente bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Juni 1985 ab 1. Oktober 1984 mit der Maßgabe, daß von der der Klägerin gewährten Abfindung 15.701,40 DM für die Zeit vom 1. April 1982 - dem Monat nach der Scheidung - bis zum 31. Dezember 1984 in Teilbeträgen von 200, -- DM monatlich einzubehalten seien. Der Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, nur die "für" die Zeit vom 1. Oktober - dem Monat der erneuten Antragstellung - bis zum 31. Dezember 1984 gezahlte Abfindung dürfe auf die wiedergewährte Rente angerechnet werden, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. September 1985).
Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen und das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteile vom 3. Juni und 6. November 1986). Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in den Urteilen vom 15. März und 5. Juli 1978 (SozR 2200 § 1291 Nrn 15 und 17) gestützt, wonach die Abfindung stets für die Zeit nach Auflösung der zweiten Ehe einzubehalten sei, auch wenn die Anrechnung infolge des "verspäteten" Rentenantrags zu keinem Vermögenszuwachs auf seiten der Klägerin führe.
Die Klägerin hat die vom BSG zugelassene Revision eingelegt und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und in Abänderung des angefochtenen Bescheids zu verurteilen, ihr die Witwenrente ab 1. Oktober 1984 "ohne Anrechnung der für die Zeit vom 1. April 1982 bis 30. September 1984 gewährten Abfindung in Höhe von monatlich 425,80 DM zu zahlen".
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie verweist auf die bisherige Rechtsprechung des BSG, hält es aber für vertretbar, diese Rechtsprechung aufzugeben.
Entscheidungsgründe
Der 4. Senat des BSG, bei dem die Revision zunächst unter dem Aktenzeichen 4a RJ 51/87 anhängig war, hat in der Parallelsache 4a RJ 51/87 mit Beschluß vom 18. Dezember 1986 beim 1. und 5b Senat angefragt, ob sie an ihrer Rechtsauffassung festhalten, daß nach § 1291 Abs 2 Satz 4 RVO eine bei Wiederverheiratung gezahlte Abfindung auch bei Beginn der wiederaufgelebten Witwenrente nach Ablauf des Abfindungszeitraumes (§ 1302 RVO) einbehalten werden darf. Auf die Begründung dieses Beschlusses wird verwiesen.
Der 1. Senat hat hierauf am 22. Juli 1987 beschlossen, an seiner den Urteilen vom 15. März 1978 - 1/5 RJ 84/77 - und vom 5. Juli 1978 - 1 RJ 34/87 - (SozR 2200 § 1291 Nrn 15 und 17) zugrundeliegenden Rechtsauffassung festzuhalten. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird ebenfalls Bezug genommen.
Der 5. Senat hat sodann am 29. September 1987 beschlossen, daß er an der dem Urteil vom 9. September 1983 - 5b RJ 34/82 - zugrundeliegenden Rechtsauffassung nicht festhält.
Der 5. Senat, der nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG für das Jahr 1988 nunmehr für die Entscheidungen der Revisionssachen 5/4a RJ 13/86 und 5/4a RJ 51/87 zuständig ist, hat in der Parallelsache 5/4a RJ 13/86 mit Beschluß vom 13. Juli 1988 gemäß § 42 SGG den Großen Senat des BSG angerufen, weil er in einer für seine Entscheidung erheblichen Rechtsfrage von der Entscheidung des 1. Senats vom 15. März 1978 aaO (bestätigt durch das weitere Urteil vom 5. Juli 1978 aaO) abweichen will.
Die Anrufung des Großen Senats des BSG nach § 42 SGG ist gleichermaßen im vorliegenden Fall geboten. Der 5. Senat möchte der Revision der Klägerin mit der Begründung stattgeben, daß nach seiner Auffassung infolge der erst im Oktober 1984 beantragten Rente eine Einbehaltung der Witwenabfindung iS des § 1291 Abs 2 Satz 2 RVO für die Zeit vorher nicht zulässig ist. Der vorgesehenen Entscheidung steht zwar nicht das Urteil des 12. Senats vom 18. September 1973 - 12 RJ 128/72 (SozR Nr 36 zu § 1291 RVO) entgegen, weil der 12. Senat nach der Geschäftsverteilung des BSG für das Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr zuständig ist.
Auch im vorliegenden Fall ist der 5. Senat an der vorgesehenen Entscheidung jedoch durch das Urteil des 1. Senats vom 15. März 1978 aaO (bestätigt durch das weitere Urteil des 1. Senats vom 5. Juli 1978 aaO) gehindert, wonach von der wiederaufgelebten Witwenrente der auf die Zeit ab Auflösung der neuen Ehe entfallende Teil einer anläßlich der neuen Eheschließung gezahlten Rentenabfindung selbst dann einzubehalten ist, wenn der Antrag auf Wiedergewährung der Rente erst später als 12 Monate nach Auflösung der neuen Ehe gestellt und deswegen die wiederaufgelebte Rente erst von einem späteren Zeitpunkt an gezahlt wird.
Zur Begründung seiner gegenteiligen Rechtsauffassung nimmt der 5. Senat Bezug auf seinen als Anlage beigefügten Vorlagebeschluß vom 13. Juli 1988 in der Parallelsache 5/4a RJ 13/86. Die dortigen Ausführungen unter Ziffer IV macht sich der 5. Senat auch für die vorliegende Anfrage vollinhaltlich zu eigen.
Fundstellen