Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung. Befreiung von der Versicherungspflicht bei Herabsetzung der Arbeitszeit. Gesetzlicher Fünf-Jahres-Zeitraum. Versicherungsfreiheitstatbestand. Verlust der langjährigen privaten Versicherung
Leitsatz (redaktionell)
Der Befreiungstatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V setzt voraus, dass der Befreiungswillige seit mindestens fünf Jahren wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei gewesen ist. Dieser Zeitraum muss unmittelbar vor der Herabsetzung der Arbeitszeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 Hs. 1 SGB V liegen, und die Versicherungsfreiheit muss gerade auf dem Versicherungsfreiheitstatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V beruhen (st.Rspr.; vgl. BSG, SozR 3-2500 § 8 Nr. 5). Dagegen reicht es nicht aus, dass irgendwann vorher Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V für fünf Jahre bestanden hat, oder dass Versicherungsfreiheit zwar in den letzten fünf Jahren, nicht jedoch nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bestanden hat.
Normenkette
SGB V § 5 Abs. 5, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 2. April 2003 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger war bis 1992 als selbstständiger Rechtsanwalt, von 1993 bis 1995 als Beamter und von 1996 bis 1997 mit einem Arbeitsentgelt über der Jahresarbeitsentgeltgrenze als Arbeitnehmer abhängig beschäftigt. Vom 1. April 1997 bis 31. März 1998 war er arbeitslos und auf Grund des Bezuges von Arbeitslosengeldes (Alg) Pflichtmitglied der Beklagten. Vom 1. April 1998 bis 7. März 1999 stand er in keinem Beschäftigungsverhältnis. In dieser Zeit war er, wie vor seiner Arbeitslosigkeit, privat krankenversichert. Im März 1999 beantragte er die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 8 Abs 1 Nr 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) für eine von ihm befristet vom 8. März bis 30. September 1999 ausgeübte Teilzeitbeschäftigung. Die beklagte Krankenkasse lehnte die Befreiung ab. Auf Grund der Unterbrechung vom 1. April 1997 bis 31. März 1998 sei der Kläger nicht seit mindestens fünf Jahren wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei gewesen. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Beschwerde eingelegt, mit der er eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht. Er meint, es sei zu klären, ob ihm das Recht auf eine Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 8 Abs 1 Nr 3 SGB V zustehe. Die Entscheidung der Beklagten sei nach dem Wortlaut der Vorschrift zwar gerechtfertigt, jedoch habe das LSG den Regelungszweck und Grundgedanken des § 8 SGB V verkannt. Danach solle langjährig privat Versicherten die einmal getroffene private Vorsorge trotz Arbeitslosigkeit oder anderen Umständen erhalten werden. Er sei bis auf die Zeit des Bezuges von Alg immer privat krankenversichert gewesen. Auch habe er nach Beendigung seiner Teilzeitbeschäftigung keinen Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung gehabt, weil die Voraussetzungen des § 9 SGB V nicht erfüllt gewesen seien.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den Erfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist erforderlich, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig und klärungsfähig ist, dh sie im Falle der Zulassung der Revision entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). – Hieran fehlt es.
Es ist bereits fraglich, ob die Beschwerde eine hinreichend konkrete Rechtsfrage formuliert hat. Jedenfalls hat die Beschwerde nicht dargelegt, dass und weshalb die gesetzliche Krankenversicherung eine Befreiung abhängig Beschäftigter von der Versicherungspflicht ohne weitere Voraussetzungen zulassen muss, sofern Beschäftigte in ihrem bisherigen Berufsleben – abgesehen von einer kurzen Zeit des Alg-Bezuges – privat krankenversichert waren. Ebenso wenig hat sie dargelegt, aus welchen Gründen der Kläger so zu behandeln sein könnte, als sei der am 1. April 1998 in Kraft getretene § 8 Abs 1a SGB V schon für eine Ende März 1998 beendete Arbeitslosigkeit anwendbar. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, ist die Entscheidungserheblichkeit nicht dargetan. Nach § 8 Abs 1 Nr 3 SGB V muss der Befreiungswillige nämlich seit mindestens fünf Jahren wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei gewesen sein. Dieser Zeitraum muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unmittelbar vor der Herabsetzung der Arbeitszeit nach § 8 Abs 1 Nr 3 Halbsatz 1 SGB V liegen, und die Versicherungsfreiheit muss gerade auf dem Versicherungsfreiheitstatbestand des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V beruhen (vgl BSG SozR 3-2500 § 8 Nr 5). Dagegen reicht es nicht aus, dass irgendwann vorher Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V für fünf Jahre bestanden hat, oder dass Versicherungsfreiheit zwar in den letzten fünf Jahren, nicht jedoch nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V bestanden hat, sondern zB nach § 5 Abs 5 SGB V (zum Ganzen vgl Peters in Kasseler Komm, § 8 SGB V RdNr 12, Stand November 2001). Hierauf geht die Beschwerde nicht ein.
Soweit der Kläger beanstandet, durch die Anordnung von Versicherungspflicht wegen Bezuges von Arbeitslosigkeit ohne Befreiungsmöglichkeit gehe sein langjähriger privater Versicherungsschutz verloren, weist der Senat auf § 5 Abs 10 SGB V hin. Nach dessen Satz 1 haben Versicherte, wenn eine Versicherung nach §§ 5, 9 oder 10 SGB V nicht zustande kommt oder eine Versicherung nach §§ 5 oder 10 SGB V vor Erfüllung der Vorversicherungszeiten für eine Versicherung nach § 9 SGB V endet, gegen ihr privates (Kranken-)Versicherungsunternehmen einen Anspruch auf Abschluss eines Versicherungsvertrages. Der Abschluss erfolgt ohne Risikoprüfung zu gleichen Tarifbedingungen, die zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden (vgl aaO Satz 2). Voraussetzung hierfür ist ua, dass der vorherige private Versicherungsvertrag für mindestens fünf Jahre vor seiner Kündigung ununterbrochen bestanden hat. Diese Regelung ist allerdings erst mit Wirkung vom 1. Januar 2000 in Kraft getreten (zum Ganzen vgl Peters, aaO, § 5 SGB V RdNr 187 ff, Stand August 2002) und somit vorliegend noch nicht anwendbar. Die vom Kläger sinngemäß beanstandete Rechtslage kann seither so nicht mehr eintreten. Der Kläger hätte daher in seiner Beschwerdebegründung darlegen müssen, dass und weshalb die von ihm zu einer alten Rechtslage aufgeworfene Rechtsfrage weiterhin grundsätzliche Bedeutung hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 19 mwN). Auch hieran fehlt es.
Von einer weiteren Begründung wird in entsprechender Anwendung von § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).
Fundstellen