Verfahrensgang
SG Chemnitz (Entscheidung vom 02.05.2023; Aktenzeichen S 8 SB 15/21) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 30.05.2024; Aktenzeichen L 8 SB 63/23) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. Mai 2024 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grads der Behinderung (GdB) von mindestens 50.
Auf der Grundlage eines im Klageverfahren eingeholten orthopädischen Sachverständigengutachtens gab der Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend ab, dass der GdB bei dem Kläger auf 40 angehoben werde. Nach dessen Annahme durch den Kläger verurteilte das SG den Beklagten sinngemäß zur Feststellung eines GdB von 50 für die Zeit ab dem 22.9.2022 (Gerichtsbescheid vom 2.5.2023). Auf die Berufung des Beklagten hob das LSG die erstinstanzliche Entscheidung auf und wies die Klage ab (Urteil vom 30.5.2024). Bei der hier erforderlichen Bildung eines Gesamt-GdB ergebe sich kein höherer Wert als 40.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und ausschließlich mit einem Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) als Verfahrensmangel begründet.
II
1. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Kläger hat den von ihm geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
a) Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden.
Bereits den sich daraus ergebenden Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Denn sie lässt eine geordnete und aus sich heraus verständliche Wiedergabe des der Entscheidung des LSG zugrunde liegenden Sachverhalts als unverzichtbare Grundlage für die rechtliche Beurteilung des Vorliegens des geltend gemachten Zulassungsgrunds durch das BSG als Beschwerdegericht vermissen (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 18.1.2023 - B 9 V 29/22 B - juris RdNr 7 mwN). Der entscheidungserhebliche Sachverhalt, wie ihn das LSG festgestellt hat, lässt sich dem Beschwerdevortrag nicht hinreichend entnehmen. Der genaue Verfahrensablauf sowie Inhalt und Gegenstand der angefochtenen Bescheide sind ebenso wenig erkennbar wie die maßgebende Begründung des angefochtenen Urteils. Es ist nicht Aufgabe des BSG, sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren selbst die relevanten Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil des LSG oder aus den Akten herauszusuchen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 22.4.2024 - B 9 SB 5/24 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 6.8.2019 - B 9 V 14/19 B - juris RdNr 4 f mwN).
b) Unabhängig davon hat der Kläger aber auch einen Verstoß des LSG gegen seine Pflicht zur Amtsermittlung aus § 103 SGG nicht hinreichend bezeichnet.
Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen, muss sie zunächst einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Dafür muss jedenfalls ein bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertretener Beteiligter aufzeigen, dass es sich um einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gemäß § 160 Abs 2 Nr 3, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO gehandelt hat. Dies setzt eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache voraus. Diese ist möglichst präzise und bestimmt zu bezeichnen, und es ist zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte. Nur ein solcher Vortrag versetzt die Vorinstanz in die Lage, die Entscheidungserheblichkeit des Antrags zu prüfen. Unbestimmte oder unsubstantiierte Beweisanträge brauchen dem Gericht dagegen keine Beweisaufnahme nahezulegen (zum Ganzen BSG Beschluss vom 29.4.2020 - B 9 V 33/19 B - juris RdNr 5 mwN). Darüber hinaus ist in der Sachaufklärungsrüge aufzuzeigen, warum sich das LSG ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu einer weiteren Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Dazu bedarf es der Darlegung, warum das Gericht objektiv gehalten gewesen ist, den Sachverhalt weiter aufzuklären und den beantragten Beweis zu erheben (BSG Beschluss vom 22.4.2024 - B 9 SB 5/24 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 22.9.2022 - B 9 SB 8/22 B - juris RdNr 12 mwN).
Auch diese Darlegungsanforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung. Der schon im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Kläger verweist lediglich darauf, er habe mehrfach beantragt, den erstinstanzlichen Gutachter zu seinem vom LSG bezweifelten Ergebnis, dem gebildeten Gesamt-GdB von 50, anzuhören bzw ein aktuelles Gutachten/Ergänzungsgutachten von diesem anfertigen zu lassen oder ihn zumindest in der mündlichen Verhandlung zu befragen. Dies lässt die substantiierte Darstellung vermissen, welche tatsächlichen Umstände zum Gesundheitszustand des Klägers weitere Ermittlungen nötig gemacht haben sollten. Nur solche Darlegungen könnten indes aufzeigen, weshalb das Berufungsgericht sich zu der beantragten weiteren Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen und weshalb die Entscheidung des Berufungsgerichts auf diesem Mangel beruhen können soll (vgl BSG Beschluss vom 11.7.2023 - B 9 SB 4/23 B - juris RdNr 12). Demgegenüber hat der Kläger lediglich pauschal vorgetragen, dass sein Gesundheitszustand aufgrund der bestehenden Funktionsstörungen einen GdB von mindestens 50 bedinge. Damit hat er aber nur das aus seiner Sicht gewünschte Verfahrensergebnis als Schlussfolgerung aus möglichen Beweisergebnissen und einer rechtlichen Bewertung mitgeteilt, ohne jedoch - wie erforderlich - hinreichend präzise und detailliert anzugeben, aus welchen Tatsachen dieses Ergebnis herzuleiten und mit sachverständiger Hilfe zu bewerten war. Dabei lässt die Beschwerdebegründung insbesondere außer Betracht, dass der vom LSG zu beurteilende Gesamt-GdB des Klägers auf mehreren Einzel-GdB verschiedener Funktionssysteme im Sinne von Teil A Nr 2 Buchst e der (in der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung geregelten) Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) beruht. Insoweit hätte es einer Abgrenzung von beweiserheblicher Tatsachenfeststellung und tatrichterlicher Bewertung bedurft.
Abgesehen von diesen Bedenken, ob der anwaltlich vertretene Kläger im Berufungsverfahren überhaupt einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt hat, ist auch sein Vortrag, diesen bis zuletzt vor dem LSG aufrechterhalten zu haben, nicht hinreichend substantiiert (zu den Anforderungen BSG Beschluss vom 23.8.2024 - B 9 SB 22/24 B - juris RdNr 7). Um das Berufungsgericht ausreichend vor einer Verletzung seiner Amtsermittlungspflicht zu warnen, muss ein im Berufungsverfahren anwaltlich vertretener Beschwerdeführer - wie der Kläger - sein zuvor geäußertes Beweisbegehren in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG als förmlichen Beweisantrag wiederholen und protokollieren lassen (§ 122 SGG iVm § 160 Abs 4 Satz 1 ZPO; vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 2.2.2022 - B 9 SB 47/21 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 14.5.2021 - B 9 SB 71/20 B - juris RdNr 8). Dass der Kläger einen solchen Beweisantrag in der vom LSG durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Protokoll aufrechterhalten hat, trägt er nicht vor. Er legt in der Beschwerdebegründung auch nicht dar, hieran gehindert gewesen zu sein. Ebenso wenig behauptet der Kläger, dass das LSG einen Beweisantrag in dem angefochtenen Urteil wiedergegeben habe (vgl BSG Beschluss vom 10.5.2024 - B 9 SB 7/24 B - juris RdNr 8 mwN).
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Kaltenstein |
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Röhl |
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B. Schmidt |
Fundstellen
Dokument-Index HI16721143 |