Orientierungssatz
1. Das Rechtsmittel der Berufung steht nur demjenigen zu, der Beteiligter der Vorinstanz war (vgl BVerwG 1971-08-26 VIII C 44.70 = BVerwGE 38, 290 und VGH Mannheim 1975-01-29 X 999/74 = DÖV 1975, 646). Der Berufungskläger ist im erstinstanzlichen Verfahren kein Beteiligter nach SGG § 69 gewesen, obwohl ihn das SG nach SGG § 75 Abs 2 Alt 1 zum Verfahren hätte beiladen müssen. Die Beiladung wäre sogar noch nach Erlaß des Urteils möglich gewesen, allerdings nur solange wie das Verfahren rechtshängig war. Der Berufungskläger ist auch nicht dadurch zum Beteiligten geworden, daß nach RVO § 639 Abs 1 S 2 der Ablauf von Fristen, die ohne Verschulden des ersatzpflichtigen Unternehmers verstrichen sind, nicht gegen ihn wirken. Diese Vorschrift verleiht dem Unternehmer nicht die Eigenschaft eines Beteiligten am sozialgerichtlichen Verfahren, sondern setzt sie voraus.
2. Dadurch, daß das Urteil des SG formell rechtskräftig geworden ist, erleidet der Berufungskläger keinen Nachteil. Die Aufhebung des Bescheides und die Feststellung, daß das Ereignis kein Arbeitsunfall iS des RVO § 539 Abs 2 ist, hat gegenüber dem Berufungskläger keine Wirkung. Da er an dem Verfahren nicht wirksam beteiligt war, ist das Urteil des SG ihm gegenüber nicht bindend (SGG § 141 Abs 1).
Normenkette
SGG § 69 Fassung: 1953-09-03, § 75 Abs. 2 Alt. 1, § 151 Fassung: 1974-07-30, § 141 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; RVO § 639 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Die Beschwerde des Berufungsklägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 12. Juli 1978 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Durch Bescheid vom 26. März 1976 erkannte die Beklagte an, daß die Klägerin am 2. Dezember 1972 im Unternehmen (nicht gewerbsmäßige Reittierhaltung) des F. M. (Berufungskläger) einen Arbeitsunfall erlitten hat. Die Klägerin sei gemäß § 539 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) wie eine nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO Versicherte tätig gewesen. Gegen den nur der Klägerin zugestellten Bescheid hat diese bei dem Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid vom 26. März 1976 aufzuheben und festzustellen, daß das Ereignis vom 2. Dezember 1972 kein Arbeitsunfall im Sinne der RVO ist. Das SG hat diesem Antrag entsprochen (Urteil vom 25. Oktober 1977).
Gegen das der Klägerin und der Beklagten am 15. und 17. November 1977 zugestellte Urteil hat M., den die Klägerin wegen der Folgen des Unfalls vom 2. Dezember 1972 seit Mai 1975 vor dem Landgericht Hannover (Az.: 2 O 135/75) auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, am 13. Januar 1978 bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen Berufung eingelegt mit dem Antrag, das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das LSG hat die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil vom 12. Juli 1978). Der Berufungskläger sei zur Einlegung der Berufung nicht berechtigt, da er an dem Rechtsstreit der Klägerin gegen die Beklagte nicht beteiligt gewesen sei. Er könne sich auch nicht auf § 639 RVO stützen, wonach der Unternehmer statt des Verletzten die Feststellung betreiben könne, ob ein Arbeitsunfall vorgelegen habe und von welchem Träger der Unfallversicherung Leistungen zu gewähren seien. In einem solchen Fall erfordere die Berufung des Unternehmens eine Beschwer des Verletzten. Die Klägerin sei aber durch das Urteil des SG nicht beschwert. Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Dagegen wendet sich der Berufungskläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Er macht geltend, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob der Unternehmer nach § 639 RVO nur im Interesse des Verletzten tätig werden könne. Seiner Ansicht nach wolle diese Vorschrift dem Unternehmer die Befugnis verleihen, im eigenen Interesse an einem Verfahren mitzuwirken, das sich mit der Frage beschäftige, ob ein Arbeitsunfall vorgelegen habe. Er könne daher auch verspätet Berufung einlegen, da nach § 639 RVO der Ablauf von Fristen, die ohne sein Verschulden verstrichen seien, nicht gegen ihn wirke.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (Nr 3). In der Begründung der Beschwerde muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Es kann dahinstehen, ob die von dem Berufungskläger aufgeworfene Rechtsfrage dem Rechtsstreit eine grundsätzliche Bedeutung gibt. Denn nach der Lage der Sache ist auch bei einer Zulassung der Revision eine Klärung der Rechtsfrage nicht zu erwarten, weil nämlich die Berufung des Berufungsklägers gegen das Urteil des SG vom 25. Oktober 1977 schon aus einem anderen Grund unzulässig war.
Das Rechtsmittel der Berufung steht nur demjenigen zu, der Beteiligter der Vorinstanz war (BVerwGE 38, 290; VGH Mannheim DÖV 1975, 646). Nach § 69 SGG sind Beteiligte an einem gerichtlichen Verfahren der Kläger, der Beklagte und der Beigeladene. Der Berufungskläger ist im erstinstanzlichen Verfahren weder Kläger, Beklagter noch Beigeladener gewesen, obwohl ihn das SG nach § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG zum Verfahren hätte beiladen müssen. Die Beiladung wäre sogar noch nach Erlaß des Urteils möglich gewesen, allerdings nur solange wie das Verfahren rechtshängig war (vgl Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 75 Anm 2, S.258/8-25; Meyer-Ladewig, SGG, § 75 Anm 14). Als der Schriftsatz des Berufungsklägers vom 12. Januar 1978 am 13. Januar 1978 bei dem LSG einging, war das Urteil des SG bereits rechtskräftig. Das Urteil des SG vom 25. Oktober 1977 ist den Beteiligten am 15. und 17. November 1977 zugestellt worden. Die Berufungsfrist war somit nach § 151 Abs 1 und 2 SGG iVm § 64 SGG spätestens am 19. Dezember 1977 abgelaufen und das Urteil formell rechtskräftig. Der Berufungskläger ist auch nicht dadurch zum Beteiligten geworden, daß nach § 639 Abs 1 Satz 2 RVO der Ablauf von Fristen, die ohne Verschulden des ersatzpflichtigen Unternehmers verstrichen sind, nicht gegen ihn wirken. Diese Vorschrift verleiht dem Unternehmer nicht die Eigenschaft eines Beteiligten am sozialgerichtlichen Verfahren, sondern setzt sie voraus.
Dadurch, daß das Urteil des SG vom 25. Oktober 1977 formell rechtskräftig geworden ist, erleidet der Berufungskläger keinen Nachteil. Die Aufhebung des Bescheides vom 26. März 1976 und die Feststellung, daß das Ereignis vom 2. Dezember 1972 kein Arbeitsunfall im Sinne des § 539 Abs 2 RVO ist, hat gegenüber dem Berufungskläger keine Wirkung. Da er an dem Verfahren nicht wirksam beteiligt war, ist das Urteil des SG ihm gegenüber nicht bindend (§ 141 Abs 1 SGG).
Soweit der Berufungskläger in dem am 2. November 1978 bei dem BSG eingegangenen Schriftsatz vom 1. November 1978 seine Nichtzulassungsbeschwerde darauf stützt, daß die Entscheidung des LSG von zwei Urteilen des BSG abweicht, ist dieses Vorbringen verspätet. Die Frist zur Begründung der Beschwerde war, da das Urteil des LSG dem Berufungskläger am 7. August 1978 zugestellt worden ist, bereits am 9. Oktober 1978 abgelaufen (§ 160a Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 64 SGG).
Da sonstige Beschwerdegründe nicht vorgetragen sind, mußte die Beschwerde zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen