Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsbegründung
Leitsatz (redaktionell)
Eine Revisionsbegründung erfüllt die zu stellenden Anforderungen schon deshalb nicht, wenn sie zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt keinerlei Angaben enthält und/oder wenn sich der Kläger in der Revisionsbegründung nicht ausreichend mit den rechtlichen Inhalten der angefochtenen Entscheidung, den dort zitierten Urteilen, Literaturhinweisen sowie dem Gedankengang des Landessozialgerichts auseinandergesetzt hat.
Normenkette
SGB I § 60 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 3, § 66 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; SGB II § 7 Abs. 1 S. 1; SGG §§ 169, 164 Abs. 2 Sätze 1, 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. September 2015 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen fehlender Mitwirkung.
Nach vorangegangenen Versagensbescheiden wegen fehlender Mitwirkung des Klägers (Bescheid vom 21.12.2010; Widerspruchsbescheid vom 28.1.2011) forderte der Beklagte diesen nach einem weiteren Leistungsantrag vom 17.2.2011 erneut zur Mitwirkung, insbesondere durch Vorlage von Kontoauszügen und aktuellen Vermögensnachweisen zur Situation hinsichtlich einer geerbten Immobilie, auf. Nachdem der Kläger weiterhin keine Unterlagen vorgelegt hatte, lehnte der Beklagte SGB II-Leistungen wiederum wegen fehlender Mitwirkung ab (Bescheid vom 21.4.2011; Widerspruchsbescheid vom 5.8.2011).
Nach Verbindung der sozialgerichtlichen Verfahren zu den Versagungsbescheiden hat das SG die Bescheide aufgehoben (Urteil vom 23.5.2013). Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.9.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Versagung der SGB II-Leistungen nach § 66 Abs 1 S 1 SGB I seien erfüllt. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs 1 S 1 Nr 1 und 3 SGB I bei der Klärung der Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 SGB II nicht nachgekommen, weil er in Bezug auf zuvor vorhandenes Vermögen und eine eingetretene Erbschaft nicht ausreichend dargelegt habe, dass er hilfebedürftig gewesen sei. Der Beklagte habe das ihm eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Der Kläger sei auch ordnungsgemäß schriftlich auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung hingewiesen worden. Dabei müsse nicht schon das Ausmaß der konkret beabsichtigten Versagung bzw die konkret beabsichtigte Entscheidung angegeben werden. Die Ermessensentscheidung habe erst nachfolgend nach der Belehrung zu erfolgen, was einer vorherigen Festlegung durch abschließende Konkretisierung entgegenstehe. Entscheidend für den notwendigen Inhalt einer Belehrung über die Folgen einer fehlenden Mitwirkung sei die damit verbundene Warnfunktion. Diesen Anforderungen genügten die Belehrungen des Beklagten unzweifelhaft.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 66 Abs 3 SGB I. Zur Begründung trägt er vor:
"Die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens streiten um die Rechtsmäßigkeit zweier Versagungsbescheide des Beklagten vom 21.12.2010 und 21.4.2011.
Zur Begründung der Revision nimmt der Kläger zunächst Bezug auf seine Ausführungen im Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren. Der Kläger rügt im Revisionsverfahren eine Verletzung des § 66 Abs 3 SGB I durch das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen.
Er hält an seiner Auffassung fest, nach der die angefochtenen Bescheide bereits deshalb aufzuheben sind, weil die diesen Bescheiden vorausgegangenen Rechtsfolgenbelehrungen den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung im Sinne der §§ 60 ff SGB I nicht genügen. Er sieht sich durch die auch vom Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf Seite 7 seiner Entscheidung zitierten Fundstellen darin bestätigt, dass es wohl der Rechtsprechung insbesondere des BSG entspricht, dass Wiederholungen des Gesetzeswortlauts der §§ 60 ff SGB I oder Belehrungen allgemeiner Art nicht ausreichend sind, insbesondere wegen der erheblichen Folgen, die mit einer Versagung von Leistungen nach dem SGB II einhergehen."
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. September 2015 aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist unzulässig (§ 169 SGG). Die Begründung vom 14.10.2015 entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Nach § 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG ist die Revision fristgerecht und unter Einhaltung bestimmter Mindesterfordernisse zu begründen. Die Begründung muss "einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben". Diese gesetzlich festgelegten Anforderungen hat das BSG in ständiger Rechtsprechung präzisiert. Danach muss, wenn mit der Revision - wie hier - die Verletzung einer Rechtsnorm gerügt wird, in der Begründung dargelegt werden, weshalb eine Vorschrift des materiellen Rechts im angefochtenen Urteil nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Die Angabe der verletzten Norm ist notwendig, aber allein noch nicht ausreichend. Vielmehr ist - im Sinne einer erkennbaren und notwendigen Befassung des Revisionsführers mit der angefochtenen Entscheidung - auszuführen, warum die Rechtsansicht der Vorinstanz nicht geteilt wird. Die Revisionsbegründung muss sich deshalb - zumindest kurz - auch mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen und erkennen lassen, dass und warum das LSG die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Rechts nicht oder nicht richtig angewandt hat (vgl BSG Vorlagebeschluss vom 16.5.2006 - B 4 RA 5/05 R - juris RdNr 21; BSG Urteil vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 16/06 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 9 f; BSG Beschluss vom 23.4.2013 - B 9 V 4/12 R - juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 1.7.2015 - B 7 AY 2/14 R - juris RdNr 9 f; BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - vorgesehen für SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 11; vgl zuletzt Urteil des Senats vom 26.7.2016 - B 4 AS 25/15 R - RdNr 10).
Neben einer kurzen Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgrundlagen erfordert eine ausreichende Darlegung der Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts auch eine zumindest kurze Darstellung der für die behauptete Rechtsverletzung maßgeblichen tatsächlichen Gesichtspunkte des entscheidungsrelevanten Lebenssachverhalts. Insofern ist in den Blick zu nehmen, dass die eigentliche Rechtsverletzung das Ergebnis der Anwendung einer fehlerhaft ausgelegten Norm auf den zugrundeliegenden Sachverhalt ist; denn erst das Ergebnis eines Subsumtionsschlusses kann Rechte des in der Vorinstanz unterlegenen Beteiligten "verletzen" (BSG Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - vorgesehen für SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 12 ff; BSG Beschluss vom 27.4.2016 - B 12 KR 17/14 R - juris; vgl zuletzt Urteil des Senats vom 26.7.2016 - B 4 AS 25/15 R - RdNr 11). Der Senat lässt dahinstehen, welche generellen Anforderungen, ggf orientiert an typischen Fallgestaltungen, an die Präzisierung des Sachverhalts bei einer geltend gemachten Rechtsverletzung zu stellen sind (vgl hierzu die Nachweise im Urteil des Senats vom 26.7.2016 - B 4 AS 25/15 R - RdNr 11).
Die hier zu beurteilende Revisionsbegründung erfüllt die zu stellenden Anforderungen schon deshalb nicht, weil sie zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt, insbesondere dem Inhalt der konkreten Mitwirkungsaufforderungen und dem umstrittenen Inhalt der Rechtsfolgenbelehrungen keinerlei Angaben enthält. Zudem ist die Revision auch deshalb unzulässig, weil sich der Kläger in der Revisionsbegründung nicht ausreichend mit den rechtlichen Inhalten der angefochtenen Entscheidung, den dort zitierten Urteilen, Literaturhinweisen sowie dem Gedankengang des LSG auseinandergesetzt hat. Das Berufungsgericht hat - entgegen dem allein wiedergegebenen Vortrag des Klägers - nicht zugrundegelegt, dass "Wiederholungen des Gesetzeswortlautes der §§ 60 ff SGB I oder Belehrungen allgemeiner Art" ausreichend sind, sondern - in einer mehrseitigen Begründung - abgeleitet, warum aus seiner Sicht in der Rechtsfolgenbelehrung nicht schon das Ausmaß der konkret beabsichtigten Versagung bzw die konkret beabsichtigte Entscheidung abschließend angegeben werden müssen.
Die unzulässige Revision ist ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 169 S 2 und 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10333536 |