Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts. gemeinsame Klageerhebung durch mehrere Kläger mit unterschiedlichen Wohnsitzen am Sitz der Beklagten. Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. zeitliche Dimension
Orientierungssatz
Mit Blick auf die zeitliche Dimension der Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes ist es gerechtfertigt, das angerufene Gericht zum zuständigen Gericht zu bestimmen, wenn mehrere Kläger, die keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, gemeinsam Klage bei dem für die Beklagtenseite zuständigen Gericht erhoben haben, dieses Gericht zum Zeitpunkt der Zuständigkeitsbestimmung schon seit geraumer Zeit mit dem Rechtsstreit befasst ist und bereits zahlreiche Schriftsätze ausgetauscht worden sind.
Normenkette
SGG § 58 Abs. 2, 1 Nr. 5, § 57 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 74; ZPO § 62 Abs. 1; GG Art. 19 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
SG Düsseldorf (Beschluss vom 12.01.2021; Aktenzeichen S 44 R 757/18) |
Tenor
Das Sozialgericht Düsseldorf wird zum zuständigen Gericht bestimmt.
Gründe
I. Die Kläger streiten als Miterben ihrer Mutter um die Gewährung einer Regelaltersrente für ihren vor ihrer Mutter verstorbenen Vater. Der Kläger zu 1 wohnt im Ausland, der Kläger zu 2 in Hamburg. Mit Beschluss vom 12.1.2021 hat das SG Düsseldorf, bei dem die Kläger gemeinsam Klage erhoben haben, das BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit angerufen. Die Beteiligten hatten zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme, haben sich aber nicht geäußert.
II. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht liegen vor, weil eine gemeinsame örtliche Zuständigkeit weder nach den §§ 57 bis 57b SGG noch nach einer anderen gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung gegeben ist (§ 58 Abs 1 Nr 5 SGG). Das BSG ist als nächsthöheres gemeinschaftlich übergeordnetes Gericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen (§ 58 Abs 2 SGG), weil für die Kläger Sozialgerichte verschiedener Landessozialgerichtsbezirke zuständig sind. Für den Kläger zu 1 ist gemäß § 57 Abs 3 SGG das SG Düsseldorf örtlich zuständig, weil es in diesem Fall auf den Sitz der Beklagten in Düsseldorf ankommt. Für den Kläger zu 2 ist gemäß § 57 Abs 1 SGG das SG Hamburg örtlich zuständig.
Bei den als Miterben klagenden Klägern ist eine notwendige Streitgenossenschaft iS von § 74 SGG, § 62 Abs 1 ZPO jedenfalls nicht ausgeschlossen. Dies rechtfertigt die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands der notwendigen Streitgenossenschaft (BSG vom 22.11.2016 - B 4 SF 37/16 S - juris RdNr 3; BSG vom 30.3.2004 - B 7 SF 36/03 S - SozR 4-1500 § 58 Nr 2 RdNr 5 f).
Zum zuständigen Gericht ist das SG Düsseldorf zu bestimmen. Zwar spricht der Umstand, dass beide Kläger keinen Wohnsitz im Bereich des SG Düsseldorf haben, der Kläger zu 2 aber im Bereich des SG Hamburg, im Lichte der Grundregel des § 57 Abs 1 Satz 1 SGG dafür, das SG Hamburg zum zuständigen Gericht zu bestimmen. Im vorliegenden Fall überwiegt jedoch der Gesichtspunkt, dass die Kläger ihre Klagen gemeinsam beim SG Düsseldorf erhoben haben, der Rechtsstreit dort schon seit Mai 2018 anhängig ist und bereits zahlreiche Schriftsätze ausgetauscht worden sind. Mit Blick auf die zeitliche Dimension der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) wäre es untunlich, nun ein bislang mit dem Rechtsstreit nicht befasstes Gericht zum zuständigen Gericht zu erklären.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Fundstellen
Haufe-Index 14375250 |
NJW-Spezial 2021, 200 |