Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Orientierungssatz
Der bloße Umstand, daß sich ein Beteiligter in Strafhaft befindet, ist kein Entschuldigungsgrund für die Versäumung einer Frist.
Normenkette
SGG § 67 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 28.10.1994; Aktenzeichen L 14 J 13/93) |
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.11.1992; Aktenzeichen S 5 J 2093/91) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, denn sie ist verspätet eingelegt worden.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nach § 160a Abs 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Bundessozialgericht (BSG) einzulegen. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 1994 laut Empfangsbekenntnis (vgl § 5 Abs 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes <VwZG>) am 15. Dezember 1994 erhalten. Die Beschwerdefrist endete damit am 16. Januar 1995, denn der 15. Januar 1995 war ein Sonntag (vgl § 64 Abs 2 iVm Abs 3 SGG). Die Beschwerdeschrift vom 18. Januar 1995 ist aber erst am 20. Januar 1995, also verspätet, bei dem BSG eingegangen.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht. Nach § 67 Abs 1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist - hier die Beschwerdefrist - einzuhalten. Es sind keine Umstände ersichtlich, die ein Verschulden des Klägers bzw seines Prozeßbevollmächtigten, dessen Verschulden dem seinen gleichsteht (vgl BSG SozR 1500 § 67 Nr 20 mwN), hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdefrist ausschließen. Der Kläger hätte die Frist bei Anwendung derjenigen Sorgfalt einhalten können, die von einem gewissenhaft und sachgemäß Prozeßführenden erwartet werden muß (vgl dazu allg BSGE 38, 248). Soweit sein Prozeßbevollmächtigter geltend macht, die Wiedereinsetzung sei "aufgrund der Haft und der dadurch erschwerten Information" gerechtfertigt, hat er keinen hinreichenden Hinderungsgrund dargelegt. Der bloße Umstand, daß sich ein Beteiligter in Strafhaft befindet, ist kein Entschuldigungsgrund für die Versäumung einer Frist. Besuche von Rechtsanwälten in einer ihn betreffenden Rechtssache sind dem Gefangenen zu gestatten (vgl § 26 des Strafvollzugsgesetzes <StVollzG>). Der Gefangene hat das Recht, unbeschränkt Schreiben abzusenden und zu empfangen (vgl § 28 Abs 1 StVollzG); auch Ferngespräche und das Aufgeben von Telegrammen können ihm gestattet werden (vgl § 32 StVollzG). Er ist also unter normalen Umständen nicht gehindert, sich rechtzeitig mit seinem Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen und ihn mit der Einlegung eines Rechtsmittels zu beauftragen. Nur unter besonderen - hier nicht vorgetragenen und auch nicht ersichtlichen - Umständen, etwa der vom Beteiligten nicht zu vertretenden Unterbindung der Außenkontakte durch die Anstaltsleitung, könnte die Inhaftierung dazu führen, daß er ohne Verschulden verhindert ist, eine Frist einzuhalten.
Die unzulässige Beschwerde des Klägers mußte verworfen werden. Dies konnte in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG auch ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen