Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnungsgesuch. Unzulässigkeit. Rrechtsmissbräuchlichkeit. Kollektivablehnung. Pauschalablehnung. Grundsätzliche Bedeutung. Fortsetzungsfeststellungsklage. Statthaftigkeit. Objektive Klagehäufung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Ablehnungsgesuch ist unzulässig, wenn es rechtsmissbräuchlich ist, so dass die abgelehnten Richter nicht gehindert sind, über das Gesuch unter Mitwirkung der abgelehnten Richter in der üblichen, nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgeschriebenen Besetzung zu entscheiden.
2. Ein Ablehnungsgesuch ist eine Kollektivablehnung und damit rechtsmissbräuchlich, wenn alle Richter des Gerichts pauschal abgelehnt werden, die mit dem Antrag befasst sind oder sein werden. Darin liegt eine Kollektivablehnung, die rechtsmissbräuchlich ist.
3. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist, wovon bei dem Streit um die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage und um die Statthaftigkeit der Berufung im Streit um die Minderung des Alg II-Anspruchs für die Dauer von drei Monaten in Höhe von 37,40 Euro nicht auszugehen ist.
4. Werden innerhalb eines Klageverfahrens Geld- oder Sachleistungen neben anderen Streitgegenständen im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemacht, ist die Zulässigkeit von Rechtsmitteln hinsichtlich jedes Streitgegenstandes grundsätzlich eigenständig zu beurteilen.
Normenkette
SGG § 73 Abs. 4, § 73a Abs. 1 S. 1, §§ 144, 160 Abs. 2, § 169 S. 1, § 202 S. 1; ZPO §§ 114, 121
Verfahrensgang
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 02.11.2016; Aktenzeichen L 10 AS 2391/13) |
SG Berlin (Entscheidung vom 22.08.2013; Aktenzeichen S 66 AS 25135/12) |
Tenor
Das Gesuch des Antragstellers, alle mit dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. November 2016 - L 10 AS 2391/13 - befassten Richter am Bundessozialgericht wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig, weil es rechtsmissbräuchlich ist. Daher ist der Senat nicht gehindert, über das Gesuch unter Mitwirkung der abgelehnten Richter in der üblichen, nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgeschriebenen Besetzung zu entscheiden (stRspr, vgl etwa BSG Beschluss vom 19.1.2010 - B 11 AL 13/09 C - SozR 4-1500 § 60 Nr 7 RdNr 8). Der Kläger hat alle Richter am BSG pauschal abgelehnt, die mit dem Antrag auf Bewilligung von PKH für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil des LSG befasst sind oder sein werden. Darin liegt eine Kollektivablehnung, die rechtsmissbräuchlich ist (vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 20.7.2007 - 1 BvR 2228/06 - NJW 2007, 3771, 3772; BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a SB 18/06 B - SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 8; BSG Beschluss vom 14.9.2010 - B 5 R 21/10 BH; BFH Beschluss vom 25.8.2009 - V S 10/07 - NJW 2009, 3806, 3807; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 60 RdNr 10b).
Dem Antrag auf Bewilligung von PKH kann nicht stattgegeben werden. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die angestrebte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakte nicht ersichtlich.
Insbesondere kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht zu. Sie ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist, wovon bei dem Streit hier um die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage und um die Statthaftigkeit der Berufung (§ 144 SGG) im Streit um die Minderung des Alg II-Anspruchs für die Dauer von drei Monaten in Höhe von 37,40 Euro nicht auszugehen ist.
Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Schließlich ist nach Durchsicht der Verfahrensakten nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Insbesondere ist auch unter Berücksichtigung des Antragsvorbringens nicht zu erkennen, dass das LSG das für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse zu Unrecht als nicht gegeben angesehen hat (zu den Voraussetzungen insoweit nur BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 195/11 R - BSGE 113, 70 = SozR 4-4200 § 15 Nr 2, RdNr 16). Ebenso liegt ein Verfahrensmangel nicht darin, dass das LSG hinsichtlich der Absenkungen des Alg II des Klägers für drei Monate dessen Berufung als unzulässig verworfen und sie hinsichtlich des Feststellungsantrags als zulässig angesehen hat; werden innerhalb eines Klageverfahrens Geld- oder Sachleistungen neben anderen Streitgegenstände im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemacht, ist die Zulässigkeit von Rechtsmitteln hinsichtlich jedes Streitgegenstandes grundsätzlich eigenständig zu beurteilen (vgl BSG Beschluss vom 18.4.2016 - B 14 AS 150/15 BH - SozR 4-1500 § 144 Nr 9 mwN). Ebenfalls nicht durchgreifend ist die Rüge der nicht vorschriftsgemäßen Besetzung des LSG (absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG) unter Berufung auf die Ablehnung aller Richter des LSG, weil sie nach den aufgezeigten Maßstäben rechtsmissbräuchlich ist und der Senat des LSG deshalb nicht gehindert war, über die Berufung des Klägers unter Mitwirkung der abgelehnten Richter zu entscheiden. Nicht zu beanstanden ist weiter ein Hinweis in der Ladung auf die aus Sicherheitsgründen erforderliche Einlasskontrolle, die den Grundsatz der Öffentlichkeit nach § 169 Satz 1 GVG iVm § 202 Satz 1 SGG nicht verletzt (vgl OVG Berlin-Brandenburg Urteil vom 26.10.2010 - 10 B 2/10, juris RdNr 55 ff; BVerwG Beschluss vom 17.5.2011 - 7 B 17/11, NJW 2011, 2530, juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 18.3.2014 - B 14 AS 70/13 BH - RdNr 5). Soweit der Kläger schließlich die Dauer des Verfahrens rügt, begründet das keinen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10895420 |