Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 02.07.2018; Aktenzeichen S 32 R 3302/16) |
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 29.04.2022; Aktenzeichen L 2 R 550/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. April 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger will eine verfassungsrechtliche Prüfung der seines Erachtens sachwidrigen Ungleichbehandlung der Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) gegenüber den Beamten, Wahlbeamten und Bundestagsabgeordneten in ihren jeweiligen Alterssicherungssystemen erreichen.
Der am geborene Kläger, ein Rechtsanwalt, unterlag die längste Zeit seines Berufslebens nicht der Versicherungspflicht in der GRV. Die Beklagte gewährte ihm wegen der bei ihr vorgemerkten rentenrechtlichen Zeiten (ua Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung; Pflichtbeitragszeiten aus der durchgeführten Nachversicherung der Zeit des juristischen Vorbereitungsdienstes; vier Monate Beitragszeiten aufgrund freiwilliger Versicherung) ab März 2015 Regelaltersrente iHv anfänglich 227 Euro monatlich (Bescheid vom 5.2.2015; Neufeststellungsbescheid vom 10.3.2015; Widerspruchsbescheid vom 22.11.2016).
Das SG hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 2.7.2018), das LSG die Berufung des Klägers mit Urteil vom 29.4.2022 zurückgewiesen. Die angegriffenen Bescheide seien rechtmäßig. Gegen die von der Beklagten angewandten Berechnungsvorschriften, insbesondere die Rentenformel (§ 64 SGB VI), bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die streitbefangene Rentengewährung biete aber letztlich keinen Anlass für eingehende verfassungsrechtliche Erwägungen. Die niedrige Rentenhöhe ergebe sich vor allem daraus, dass der Kläger nur in minimalem Umfang Beitragsleistungen zur GRV erbracht habe.
Der Kläger hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 30.7.2022 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet wird. Sie ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen.
a) Der Kläger legt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dar. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund gestützt, muss in der Beschwerdebegründung dargetan werden, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Die Beschwerdebegründung wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Der Kläger formuliert darin die Rechtsfragen,
"ob es mit den Artikeln 3 und 1 Grundgesetz vereinbar ist, dass
1.) die finanziellen Unterschiede zwischen den verschiedenen Alterssicherungssystemen in Deutschland -tendenziell- zunehmen,
2.) ausweislich des Versorgungsberichts der Bundesregierung und einer Kleinen Anfrage an das Bundesinnenministerium Bundesbeamte mit 3148 € Pensionszahlung im Jahr 2019 monatlich fast das dreifache der durchschnittlichen Altersrente (brutto) der Beklagten mit 1100 € generieren,
3.) die Rentner der Beklagten mit geringen Renten -am unteren Ende der Skala der Ruheständler- eine deutlich kürzere Lebenszeit zur Verfügung haben als Pensionisten, ehemalige Abgeordnete und Minister, die am oberen Ende der Skala ein Vielfaches! an Altersversorgung im Vergleich zu den Rentnern der Beklagten mit geringen Renten erhalten".
Der Kläger wirft damit schon keine abstrakten Rechtsfragen zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen auf, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschluss vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5, jeweils mwN). Er bezeichnet keine Norm, die bei Festsetzung seiner Altersrente zur Anwendung gekommen sei und - ggf im Zusammenspiel mit anderen Normen - gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG), die Menschenwürdegarantie (Art 1 Abs 1 GG) oder andere Verfassungsnormen und -prinzipien verstoßen könnten.
Falls der Kläger mit seinem Gesamtvorbringen sinngemäß Fragen zur Verfassungsmäßigkeit von § 64 SGB VI und den darin vorgegebenen Berechnungselementen aufwerfen will, wäre jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit derartiger Rechtsfragen nicht ausreichend dargetan. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist (stRspr vgl bereits BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). In der Beschwerdebegründung muss deshalb unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgebracht werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung getroffen wurde oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die nunmehr maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl zB BSG Beschluss vom 6.4.2021 - B 5 RE 16/20 B - juris RdNr 6 mwN). Leitet eine Beschwerde einen Revisionszulassungsgrund aus einer Verletzung von Normen des GG ab, muss sie zudem unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr; zB bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 11 mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Der Kläger trägt ausführlich und unter Auswertung verschiedener Quellen dazu vor, dass die Altersrenten aus der GRV in existenzgefährdender Weise nicht auskömmlich seien und inwiefern sie unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz festgesetzt würden. Damit legt er aber letztlich nur dar, unter welchen Gesichtspunkten er die Rentenfestsetzung in der GRV für verfassungsrechtlich problematisch hält. Die Beschwerde zeigt hingegen nicht ausreichend auf, dass die - hier unterstellten - Rechtsfragen zur Auslegung von § 64 SGB VI (weiterer) höchstrichterlicher Klärung bedürfen. Der Kläger stellt zwar pauschal die Grenzen dar, die der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) dem Gesetzgeber setzt. In diesem Zusammenhang nennt er auch ua die Entscheidungen des BVerfG vom 6.3.2002 (2 BvL 17/99 - Rentenbesteuerung) und vom 23.5.2008 (2 BvR 1081/07 - Pensionsalter, Lebensarbeitszeit) sowie die darin in Bezug genommenen weiteren Entscheidungen des BVerfG. Er befasst sich aber nicht näher mit der umfangreichen Rechtsprechung zur möglichen Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Beziehern einer Rente aus der GRV gegenüber Beziehern von Leistungen aus anderen Altersversorgungssystemen. Er setzt sich insbesondere nicht damit auseinander, dass es sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der GRV und der Beamtenversorgung seit jeher um getrennte Systeme handelt, die sich strukturell in so erheblicher Weise unterscheiden, dass eine Vergleichbarkeit hinsichtlich ihrer Leistungen iS von Art 3 Abs 1 GG von vornherein nicht besteht (vgl bereits BVerfG Beschluss vom 11.4.1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 - juris RdNr 41; aus jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 10.10.2018 - B 13 R 20/16 R - BSGE 127, 11 = SozR 4-2600 § 56 Nr 9, RdNr 31 mit umfangreichen Nachweisen; vgl auch BVerwG Urteil vom 1.9.2005 - 2 C 15.04 - BVerwGE 124, 178 - juris RdNr 22). Der Kläger geht ebenso wenig auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Garantie der Menschenwürde (Art 1 Abs 1 GG) ein, die seines Erachtens von der Rentenfestsetzung in der GRV berührt ist.
Dass der Kläger die angegriffene Entscheidung offensichtlich für falsch hält, vermag eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zu rechtfertigen (stRspr; vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 24.3.2021 - B 13 R 14/20 B - juris RdNr 13 mwN).
b) Ausdrücklich macht der Kläger keinen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend. Sollte er mit seinem Vorbringen, das LSG habe im angegriffenen Urteil Feststellungen getroffen, die nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen seien, eine Verkennung des Streitgegenstands (§ 123 SGG) rügen wollen, wäre ein solcher Verfahrensmangel nicht anforderungsgerecht bezeichnet (vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 8.5.2019 - B 14 AS 86/18 B - juris RdNr 5 mwN). Gleiches gilt, falls der Kläger einen Verstoß gegen die Begründungspflicht (§ 128 Abs 1 Satz 2 und § 136 Abs 1 Nr 6 SGG) rügen will, weil das LSG die begehrte verfassungsrechtliche Prüfung letztlich nicht durchgeführt habe (vgl zu den insoweit bestehenden Darlegungsanforderungen zB BSG Beschluss vom 1.12.2020 - B 12 KR 48/20 B - juris RdNr 9 mwN). Auch eine Sachaufklärungsrüge, weil das LSG Feststellungen zu entscheidungserheblichen Punkten unterlassen habe, wäre nicht anforderungsgerecht erhoben (vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 11).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15414166 |