Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Begründung. Behauptung. Rechtsfrage. Grundsätzliche Bedeutung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache liegt nur vor, wenn die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.

2. Es mag u.U. ein Klärungsbedarf auch einmal mit der Behauptung schlüssig dargetan sein, es gebe noch keine Rechtsprechung des Revisionsgerichts oder anderer oberster Gerichtshöfe des Bunds zu einer gestellten Rechtsfrage.

 

Normenkette

SGG § 160a Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 29.05.2002; Aktenzeichen L 8 LW 1/02)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2002 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger ist nach § 27 Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) als ehemaliger Landwirt weiter versichert. Die Beklagte lehnte es ab, ihn auf seine 1998 ausgesprochene „Kündigung” hin von der Versicherungspflicht zu befreien, weil die bis zum 31. Dezember 1995 laufende Frist für einen Befreiungsantrag (vgl § 84 Abs 2 Satz 2 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte ≪ALG≫) nicht eingehalten sei. Das Landessozialgericht (LSG) hat das klageabweisende Urteil erster Instanz bestätigt. Es hat eine Wiedereinsetzung des Klägers in die versäumte Antragsfrist ebenso verneint wie einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Er hält (sinngemäß) folgende Rechtsfragen für grundsätzlich bedeutsam:

  1. Ist die Beklagte durch Versendung ihres (ihm nicht zugegangenen) Hinweisschreibens vom 29. Dezember 1994 sowie Informationen in ihrem Mitteilungsblatt „Sicher Leben” ihren Hinweis-, Mitteilungs- und Beratungspflichten als Versicherungsträger hinsichtlich § 84 Abs 2 ALG ausreichend nachgekommen?
  2. Gilt der Grundsatz der „formellen Publizität” verkündeter Gesetze auch dann, wenn das Gesetz eine gewissermaßen als Übergangsregelung wirkende einjährige Antragsfrist enthält?

Die Beschwerde ist unzulässig.

Der Senat lässt offen, ob die Beschwerde – wie in § 166 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gefordert – von einem postulationsfähigen Bevollmächtigten eingelegt worden ist. Insoweit bestehen Zweifel, ob der zunächst von dem Kläger bevollmächtigte E. … L. … als Mitarbeiter des W. … -L. … -L. … bereits im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde am 7. August 2002 nach der Satzung des Verbandes oder Kraft Vollmacht (der zuständigen Verbandsorgane) zur Prozessvertretung vor dem Bundessozialgericht (BSG) befugt gewesen ist. Dazu ist nunmehr zwar eine von dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten des Verbandes unterzeichnete, auf den 1. August 2002 datierte Vollmacht vorgelegt worden. Dort ist aber bereits das Aktenzeichen des vorliegenden Verfahrens (B 10 LW 14/02 B) aufgeführt, welches erst am 7. August 2002 vergeben worden ist.

Jedenfalls genügt die Begründung der Beschwerde – durch die jetzt zusätzlich Prozessbevollmächtigten – nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht formgerecht dargelegt ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Die Beschwerde stützt sich allein auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Dieser Zulassungsgrund liegt nur vor, wenn die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich hier stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger hat nicht aufgezeigt, dass sich die von ihm formulierten Rechtsfragen anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG nicht beantworten lassen. Zu Frage 2 macht die Beschwerde insoweit überhaupt keine Angaben, zu Frage 1 heißt es lediglich, sie sei vom BSG „in dieser Form noch nicht entschieden”. Zwar mag ein Klärungsbedarf uU auch einmal mit der Behauptung schlüssig dargetan sein, es gebe noch keine Rechtsprechung des Revisionsgerichts (und ggf der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes) zu der gestellten Rechtsfrage. Hier genügte eine solche Behauptung des Klägers aber nicht, zumal er praktisch selbst einräumt, dass es zu dem Umfang der Informationspflichten von Versicherungsträgern schon Rechtsprechung des BSG gibt. Zum Einen hätte er konkret darlegen müssen, in welcher anderen Form die Frage höchstrichterlich bereits entschieden worden ist und weshalb für die hier relevante Konstellation trotz der vorliegenden Rechtsprechung noch Klärungsbedarf verblieben ist. Zum Anderen hätte sich der Kläger mit der vom LSG im angegriffenen Urteil zu dieser Frage zitierten Rechtsprechung des BSG auseinandersetzen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1176608

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