Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Antrag. Ablehnung. Befangenheit
Leitsatz (redaktionell)
Ein Antrag auf Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bei dem Gericht anzubringen, dem der Richter angehört, und kann überdies nur bis zum vollständigen Abschluss der entsprechenden Instanz zulässig gestellt werden.
Normenkette
SGG § 60 Abs. 1, §§ 62, 153 Abs. 4, § 160 Abs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1, § 169 Sätze 2-3; ZPO § 44 Abs. 1; SGB VI § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Lüneburg (Entscheidung vom 30.10.2017; Aktenzeichen S 14 R 201/14) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 05.05.2020; Aktenzeichen L 1 R 41/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. Mai 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für seine Tätigkeit als selbstständiger Tennislehrer ab 1.10.2009 und die Nachforderung von Beiträgen.
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Beschluss vom 5.5.2020 die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG Lüneburg vom 30.10.2017 zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. In der Beschwerdebegründung wird keiner der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG genannten Zulassungsgründe nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Kläger formuliert schon keine aus sich heraus verständliche Rechtsfrage zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen, an denen das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschlüsse vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15 und vom 4.4.2016 - B 13 R 43/16 B - RdNr 6; Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Seinen in der Beschwerdebegründung wörtlich zitierten Eingaben an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags ist zwar das Begehren des Klägers zu entnehmen, "dass jeder Selbstständige von der Rentenversicherungsanstalt oder einer sonstigen staatlichen Behörde vor Beginn seiner selbstständigen Tätigkeit darauf hingewiesen wird, dass er der Renten Versicherungspflicht unterliegt". Eine Rechtsfrage zur Auslegung von revisiblem Recht, insbesondere von § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI ergibt sich daraus jedoch nicht. Auch die weiteren Voraussetzungen zur Darlegung einer Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung erfüllt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Die Beschwerdebegründung befasst sich nicht ansatzweise mit der bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer Versicherungspflicht als selbstständiger Lehrer (ua BSG Urteil vom 23.4.2015 - B 5 RE 23/14 R - BSGE 118, 294 = SozR 4-2600 § 2 Nr 20 RdNr 14 mwN und zur Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht BVerfG ≪Kammer≫ Nichtannahmebeschlüsse vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 = SozR 4-2600 § 2 Nr 10 und vom 2.4.2009 - 1 BvR 2405/06 - juris).
Mit seinem weiteren Vorbringen bezeichnet der Kläger auch nicht hinreichend einen möglichen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Soweit er vorträgt, es habe "kein fairer Vergleichsvorschlag eines unparteiischen Gerichts" vorgelegen, das Gericht habe seine Anträge auf Fristverlängerung "nicht beachtet" und er lehne alle drei Richter des Berufungssenats wegen Befangenheit ab, ist ein Antrag auf Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 60 Abs 1 SGG iVm § 44 Abs 1 ZPO bei dem Gericht anzubringen, dem der Richter angehört, und kann überdies nur bis zum vollständigen Abschluss der entsprechenden Instanz zulässig gestellt werden (vgl BSG Beschluss vom 12.2.2019 - B 5 R 2/19 B - juris RdNr 29 mwN). Sollte der Kläger mit der wörtlichen Wiedergabe eines Schriftsatzes an das LSG vom 2.6.2020 unter dem Betreff: "hier: Befangenheitsantrag" die nicht ordnungsgemäße Besetzung des Berufungsgerichts nach einem bereits in der Berufungsinstanz vorgebrachten Ablehnungsgesuch rügen wollen, geht daraus ebenfalls kein möglicher Verfahrensfehler hervor. Der Kläger trägt nicht vor, dass er einen solchen Befangenheitsantrag ordnungsgemäß und vor allem rechtzeitig vor dem LSG gestellt hat. Aus den Prozessakten ergibt sich, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers den angegriffenen Beschluss bereits am 6.5.2020 erhalten hat. Sonstige Gründe, die zu einer nicht ordnungsgemäßen Besetzung des LSG führen könnten (vgl zB BSG Beschluss vom 23.9.2020 - B 5 RE 7/20 B), ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht.
Soweit der Kläger schließlich geltend macht, das LSG habe "in einer Blitzaktion das Urteil durch Beschluss verkündet" und es sei ihm verwehrt worden, "eventuell in einer mündlichen Verhandlung einem Vergleich zuzustimmen", bezeichnet er ebenfalls nicht hinreichend einen Verfahrensmangel. Sein Vortrag genügt weder den Anforderungen an die Darlegung einer möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 62 SGG und Art 103 Abs 1 GG(vgl dazu zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; aus jüngerer Zeit BSG Beschluss vom 27.1.2020 - B 5 RE 3/19 B - juris RdNr 14) noch eines Verstoßes gegen § 153 Abs 4 SGG(vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 153 RdNr 16) . Der Kläger verweist auf den Inhalt zweier Telefongespräche mit dem Richter am LSG Dr. S., in denen eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits erörtert worden sei. Aus der Beschwerdebegründung ergeben sich schon keine Gründe, aus denen es dem Kläger hätte verwehrt gewesen sein können, sich unmittelbar nach den bereits am 3.3.2020 und 4.3.2020 stattgefundenen Telefonaten oder spätestens innerhalb der mit Schreiben des Berichterstatters vom 30.3.2020 gesetzten Frist bis zum 30.4.2020 ausreichend Gehör zu verschaffen. Bis zur Entscheidung des LSG durch Beschluss vom 5.5.2020 hätte dafür noch genügend Zeit bestanden, auch nach seiner Bitte um "eine angemessene Fristverlängerung" während der Pandemie aufgrund der "Schwierigkeiten in der jetzigen Situation" (Schreiben vom 25.3.2020 und 9.4.2020). Aus dem weiteren Vortrag des Klägers, der Berichterstatter habe ihn "gegoogelt", die Ergebnisse der Internetsuche aber auf Nachfrage nicht übermittelt, erschließt sich dem Senat aus der Beschwerdebegründung schon nicht, welche Verfahrensvorschriften dadurch verletzt sein könnten.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14263636 |