Leitsatz (amtlich)
Enthält die Revisionsbegründung nur allgemeine Rechtsausführungen und vertritt der Revisionskläger darin eine andere Rechtsauffassung, als sie das Berufungsgericht vertreten hat, so ist das Erfordernis, daß (spätestens) die Begründung einen "bestimmten Antrag" enthalten muß, nicht erfüllt.
Normenkette
SGG § 164 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1975-09-23
Tenor
Die Revision der Beklagten und Revisionsklägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Oktober 1975 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Gemäß § 164 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG vom 30. Juli 1974, BGBl I S. 1625) muß die Revisionsbegründung u. a. einen "bestimmten Antrag" enthalten. Dieses - zwingende - Formerfordernis ist von der Beklagten nicht erfüllt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat die genannte Vorschrift dahin ausgelegt, daß der Antrag spätestens bis zum Ablauf der - von der Zustellung des angefochtenen Urteils an laufenden und zwei Monate betragenden (§ 164 Abs. 2 Satz 1 SGG) - Revisionsbegründungsfrist gestellt sein muß (vgl. BSG SozR 1500 SGG § 164 Nr. 2). Weder in der Revisionsschrift der Beklagten vom 18. November 1975 noch in der Revisionsbegründung vom 18. Dezember 1975 ist jedoch ein (bestimmter) Antrag enthalten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kann in der Erklärung, daß gegen ein näher bezeichnetes Urteil Revision eingelegt wird, nicht zugleich ein Revisionsantrag erblickt werden (vgl. BSGE 1, 47; 1, 50). Neben einer derartigen Erklärung hat die Beklagte in ihrer Revisionsschrift lediglich zum Ausdruck gebracht, daß "die Revisionsbegründung nachgereicht wird". In ihrer Revisionsbegründung hat sich die Beklagte mit der Rechtsauffassung des Landessozialgerichts (LSG) auseinandergesetzt und demgegenüber eine andere Rechtsauffassung vertreten. Ein besonderer Revisionsantrag ist in der Begründung nicht einmal andeutungsweise enthalten. Zwar ist das Erfordernis des "bestimmten Antrages" weit auszulegen. Insbesondere ist es unschädlich, wenn der (sonst zureichende) Antrag in der Zukunfts- statt in der Gegenwartsform gestellt wird (vgl. BSG SozR SGG § 164 Nr. 13), oder wenn das Wort "Antrag" nicht wörtlich gebraucht, sondern nur erklärt wird, daß das Berufungsurteil "in vollem Umfang" angefochten wird (vgl. BSGE 1, 98). Allgemeine Rechtsausführungen in der Revisionsbegründung sind jedoch nicht geeignet, den Revisionsantrag zu ersetzen. Vielmehr muß eindeutig und abgrenzbar von den Rechtsausführungen zum Ausdruck gebracht sein, daß hier ein Revisionsantrag gemeint ist, aus dem sich der Umfang der Anfechtung bzw. das Ziel der Revision ergeben (vgl. BSG SozR SGG § 164 Nr. 50; siehe auch § 554 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Die Formstrenge des gerichtlichen Verfahrens und insbesondere des Revisionsverfahrens verlangt insoweit unmißverständliche und an den gesetzlichen Vorschriften ausgerichtete Erklärungen.
Durch die am 1. Januar 1975 in Kraft getretene und deshalb im Zeitpunkt der Revisionseinlegung und -begründung schon geltende Neufassung des § 164 SGG (vgl. Art. VI ÄndG zum SGG) ist zwar eine Änderung gegenüber dem früheren Rechtszustand insoweit eingetreten, als der bestimmte Antrag jetzt nicht schon in der Revisionsschrift, sondern erst in der Revisionsbegründung enthalten sein muß. Der Gesetzgeber hat sich zu dieser Änderung entschlossen, weil die bisherige Regelung im SGG von § 554 ZPO abwich und daher oftmals vergessen wurde, den Antrag schon in die Revisionsschrift aufzunehmen (vgl. BT-Drucks. 7/861). Hierin liegt aber nur eine Verschiebung des Zeitpunktes, in dem der Antrag (spätestens) vorliegen muß. Daraus, daß der Gesetzgeber das Antragserfordernis ausdrücklich beibehalten hat, kann nur der Schluß gezogen werden, daß auf die Stellung eines bestimmten Antrages - neben den sonstigen Erfordernissen der Revisionseinlegung und -begründung - nicht verzichtet werden kann. Der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 27. Oktober 1976 gestellte Revisionsantrag kann nicht berücksichtigt werden, weil dieser Schriftsatz erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist beim BSG eingegangen ist.
Die Revision der Beklagten entspricht daher nicht den zwingenden Formvorschriften des § 164 SGG. Sie ist gem. § 169 Satz 3 SGG durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen