Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde
Orientierungssatz
Die Ausschlussregelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG gilt ausnahmslos (vgl BSG vom 31.1.1979 - 11 BA 129/78 = SozR 1500 § 160 Nr 34; BSG vom 21.4.1995 - 2 BU 35/95 -; BVerfG vom 12.4.1989 - 1 BvR 1425/88 = SozR 1500 § 160 Nr 69), also auch dann, wenn ein richterlicher Hinweis auf das Fehlen eines wirksamen Antrags nach § 109 SGG unterblieben ist.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3, §§ 109, 62; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 17.02.2005; Aktenzeichen L 7/8 V 25/99) |
SG Halle (Saale) (Urteil vom 27.11.1998; Aktenzeichen S 1 V 114/97) |
Tatbestand
Beklagter, Sozialgericht Halle und Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) haben den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) verneint. Das LSG hat sich zur Begründung seines Urteils vom 17. Februar 2005 im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Die von dem Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen seien keine Schädigungsfolgen; es fehle an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen diesen Erkrankungen und einem schädigenden Einfluss iS der in § 1 BVG benannten Tatbestände. Im Hinblick auf die Herz-Kreislauferkrankung, die Darmkatarrhe sowie die Gleichgewichtsstörungen fehle es an Brückensymptomen. Ebenso wenig lasse sich anhand von Tatsachen feststellen, dass der Kläger vor der Tuberkulose 1957 unter einer die Atemfunktion beeinträchtigenden Erkrankung gelitten habe, die auf Ereignisse während des Krieges oder in unmittelbarem Anschluss daran zurückgeführt werden könnten. Die Zeugenaussagen, die das Gegenteil belegen sollten, seien nicht glaubhaft. Vielmehr müsse nach den Angaben der Ärzte L., P. und R. davon ausgegangen werden, dass auch während der Phase, in der der Kläger unter Tuberkuloseüberwachung gestanden habe (bis 1951), keine Spuren einer Tuberkulose festgestellt worden seien. Eine infolge der Kriegsgefangenschaft herabgesetzte Minderung der Widerstandskraft sei für die Zeit von 1951 bis 1957 nicht wahrscheinlich. Die 1991 festgestellten Kopfschmerzen seien auf Migräne und nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Knochenbeule im linken Scheitelbereich zurück zu führen; im Übrigen fehle es auch insoweit an Brückensymptomen zwischen einer Schädigung während der Kriegsgefangenschaft - Hinweise auf eine mechanische Aussprengung aus einem vorher glatt verlaufenden Knochen gebe es nicht - und der erstmaligen medizinischen Dokumentation der Kopfschmerzen 1972. Hieran ändere auch die Zeugenaussage nichts, der Kläger habe bis 1949 unter Kopfschmerzen gelitten. Es bestünden zumindest keine Brückensymptome, die den Ursachenzusammenhang zwischen diesen und den im Januar 1991 auf ganz anderer Grundlage bestehenden Kopfschmerzen herstellen könnten. Hinsichtlich des geltend gemachten Gesichtsschädel- und Kieferbruchs sowie weiterer Gebissschäden fehle es bereits an einem Nachweis des schädigenden Ereignisses. Die wiederholten Angaben des Klägers seien diesbezüglich widersprüchlich, und aus den vom Kläger zur Verfügung gestellten medizinischen Unterlagen, der Gesundheitskarte, dem Entlassungsschein und dem Gesundheitsschein der deutschen Flüchtlingsbehörde, gingen keine Einträge über einschlägige Unfälle oder Knochenbrüche hervor. Auf der Grundlage des Gutachtens des Zahnarztes Dr. H. vom 17. Oktober 1996 sowie der Röntgenaufnahmen des Schädels aus dem Jahre 1992 sei der von Prof. Dr. V. hergestellte Ursachenzusammenhang nicht wahrscheinlich. Ähnliches gelte für die Wirbelsäulenveränderungen. Auch insoweit fehle es an glaubhaften Angaben zu Unfällen und Misshandlungen während der Kriegsgefangenschaft sowie an Brückensymptomen für den Zeitraum zwischen 1957 und 1980. Hinweise auf Spuren stumpfer Gewalt als Ursache für die Wirbelsäulenbeschwerden seien in den ärztlichen Unterlagen nicht vorhanden. Die Zulassung der Revision hat das LSG auf die Frage der Prozessfähigkeit des beklagten Landes beschränkt.
Mit seiner Beschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) wendet sich der Kläger dagegen, dass die Revision vom LSG nicht auch im Übrigen zugelassen worden ist. Er macht Verfahrensfehler des LSG in Form der Verletzung der §§ 103, 109, 62 und 128 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltend.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Der Senat kann es dahinstehen lassen, ob die Nichtzulassungsbeschwerde bereits im Hinblick auf eine Unwirksamkeit der vom LSG verfügten Beschränkung der Revisionszulassung unstatthaft ist; denn die Unzulässigkeit der Beschwerde ergibt sich jedenfalls daraus, dass ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) genügt.
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wird - wie hier - eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensangel vorliege, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Dem hat der Kläger nicht ausreichend Rechnung getragen.
Mit seinem Vorbringen, das LSG hätte den Anregungen des Sachverständigen Prof. Dr. V., weitere Ermittlungen vorzunehmen folgen und zur endgültigen Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen weitere Zeugen vernehmen müssen, legt der Kläger einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) nicht hinreichend dar. Hierzu muss die Beschwerdebegründung jedenfalls folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist und der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten worden ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, auf Grund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis der behaupteten Ergebnisse der unterlassenen Beweisaufnahmen von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45 und § 160a Nr 24, 34).
Es fehlt hier bereits an der erforderlichen Bezeichnung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags, den das LSG übergangen haben könnte. Der Kläger behauptet nicht, einen solchen gestellt zu haben, sondern macht lediglich geltend, mit Schreiben vom 1. Juni 2004 und 21. Dezember 2004 seine Bereitschaft zu weiteren Begutachtungen erklärt zu haben. Darüber hinaus ist er der Ansicht, durch Vorlage von schriftlichen Zeugenaussagen die betreffenden Zeugen benannt zu haben. Auch darin liegt keine Bezeichnung eines ordnungsgemäßen Beweisantrags.
Ferner macht der Kläger geltend, mit der im Schreiben vom 1. Juni 2004 erklärten Bereitschaft, sich einer weiteren Untersuchung durch Dr. L. zu unterziehen, habe er einen Antrag nach § 109 SGG gestellt, dem das LSG ebenfalls nicht nachgekommen sei. Abgesehen davon, dass bereits zweifelhaft sein könnte, ob die betreffende Formulierung einen Antrag nach § 109 SGG beinhaltet, kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf die Verletzung der Anhörung eines bestimmten Arztes gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Der Kläger hat in diesem Zusammenhang auch nicht hinreichend dargetan, in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden zu sein (Art 103 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫; §§ 62, 128 Abs 2 SGG). Er trägt vor, auf einen Hinweis des LSG, die Erklärung im Schreiben vom 1. Juni 2004 werde nicht als Antrag nach § 109 SGG aufgefasst, hätte er einen solchen gestellt. Damit macht er zwar vordergründig eine andere Tatsache geltend, als die der Übergehung eines Antrags nach § 109 SGG. In der Sache handelt es sich jedoch wiederum um die Rüge einer Verletzung des § 109 SGG. Sie wird daher von der ausdrücklichen Beschränkung in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG erfasst. Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, dass diese Ausschlussregelung ausnahmslos gilt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 34; Beschluss vom 21. April 1995 - 2 BU 35/95 -, JURIS; s auch BVerfG SozR 1500 § 160 Nr 69), also auch dann, wenn ein richterlicher Hinweis auf das Fehlen eines wirksamen Antrags nach § 109 SGG unterblieben ist.
Soweit der Kläger rügt, das LSG habe sich über das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. V. hinweggesetzt, indem es den prüfärztlichen Stellungnahmen des Beklagten und nicht der Auffassung des Prof. Dr. V. gefolgt sei, greift er die Beweiswürdigung des LSG (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) an. Hierbei handelt es sich von vornherein nicht um einen Grund, der zur Zulassung der Revision führen könnte (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG; vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 128 RdNr 16 zu der Frage einer Zulassung wegen Überschreitens der Grenzen der freien Beweiswürdigung).
Ebenso wenig erfüllt der Kläger die Darlegungserfordernisse im Hinblick auf die weitere Gehörsrüge (Art 103 Abs 1 GG; §§ 62, 128 Abs 2 SGG): Es sei die Aussage eines ihm unbekannt gebliebenen Zeugen verwendet worden. Insoweit wären zunächst Ausführungen dazu erforderlich gewesen, welchen erheblichen Vortrag das Gericht nicht zur Kenntnis genommen hat oder welches Vorbringen durch die Verfahrensweise des Gerichts verhindert worden ist und inwiefern das Urteil darauf beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; BSGE 69, 280, 284 = SozR 3-4100 § 128a Nr 5). Darüber hinaus muss ein Beschwerdeführer darlegen, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl BSG, Beschluss vom 5. Oktober 1998 - B 13 RJ 285/97 B; BSG, Beschluss vom 1. März 2004 - B 9 V 58/03 B; Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 7. Aufl, § 62 RdNr 11c).
Hier mangelt es bereits an dem Vorbringen, das LSG habe sich tragend auf die vom Kläger angeführte Zeugenaussage gestützt. Der Vortrag des Klägers lässt ferner Ausführungen dazu vermissen, alles ihm Zumutbare unternommen zu haben, um insoweit rechtliches Gehör zu erlangen. Insbesondere wird nicht deutlich, warum er nicht hat Akteneinsicht nehmen können, um die Identität des Zeugen zu erfahren.
Die danach nicht formgerecht begründete und mithin unzulässige Beschwerde ist nach § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen