Verfahrensgang

SG Chemnitz (Entscheidung vom 12.03.2020; Aktenzeichen S 13 R 903/18)

Sächsisches LSG (Urteil vom 05.10.2021; Aktenzeichen L 4 R 241/20)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 5. Oktober 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte lehnte den im Februar 2018 gestellten Rentenantrag des 1966 geborenen Klägers mit Bescheid vom 3.5.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.10.2018 ab. Das SG hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte sowie ein internistisches Gutachten des S, Chefarzt der Klinik C gGmbH, eingeholt. Mit Gerichtsbescheid vom 12.3.2020 hat es die Klage unter Verweis auf das Gutachten abgewiesen. Der Kläger könne noch zumindest mittelschwere körperliche Arbeiten vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Das LSG hat aktuelle Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte sowie eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen S eingeholt. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Arzt für Chirurgie - Unfallchirurgie, Rettungsmedizin, Sozialmedizin K ein weiteres Gutachten erstellt und ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestätigt. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 5.10.2021). Ein Anspruch auf die begehrte Rente bestehe nicht. Der Kläger sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Dies ergebe sich zur Überzeugung des Senats aus der durchgeführten Beweisaufnahme.

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und macht als Zulassungsgrund einen Verfahrensmangel geltend (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Der geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision wurde nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird die Beschwerdebegründung vom 18.1.2022 nicht gerecht. Der Kläger rügt, das LSG habe den Einfluss verschiedener Befunde, insbesondere das Auftreten von Schwindelattacken sowie Übelkeit und Brechreiz, übergangen. Die Befunde seien auch entscheidungserheblich, weil auf ihrer Grundlage zumindest teilweise Erwerbsminderung hätte angenommen werden müssen. Für den Sachverständigen S hätten sie aber keine Rolle gespielt. Diesen Widerspruch hätte das LSG erkennen und im Rahmen der Amtsermittlung aufklären müssen.

Damit rügt er jedoch einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht des LSG nicht formgerecht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zudem kann ein - wie hier - in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat bzw bei dem Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung kundgetan hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 21 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13 Aufl 2020, § 160 RdNr 18c mwN).

Der Kläger benennt in seiner Beschwerdebegründung bereits keinen Beweisantrag, den das LSG übergangen haben soll. Er beschränkt sich im Ergebnis auf Kritik an der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, indem er dem LSG entgegenhält, dass es die geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht im Sinne seines Vortrags gewürdigt habe. Dabei beachtet er nicht, dass ein Verfahrensmangel nach der dargelegten ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung grundsätzlich nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung gestützt werden kann. Ob das Beweisergebnis des LSG insoweit zutreffend ist, hat der Senat im Beschwerdeverfahren nicht nachzuprüfen. Es gehört zu den Kernaufgaben der juristischen Bewertung medizinischer Unterlagen im Hinblick darauf, ob diese wegen Widersprüchen, logischer Brüche, nicht fundierter Aussagen oder ähnlicher Mängel nicht zu überzeugen vermögen (vgl zB BSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 22).

Soweit der Kläger zudem eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG) damit begründet, das LSG habe diverse Beweismittel in Form eingereichter Befundberichte übergangen, weder die Gutachten noch das LSG seien dem diagnostizierten Beschwerdebild ausreichend nachgegangen, greift er auch hier im Ergebnis die freie richterliche Beweiswürdigung an. Insoweit gilt jedoch, dass die Einschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen der Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) nicht durch die Berufung auf die vermeintliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör umgangen werden können (vgl BSG Beschluss vom 25.6.2021 - B 13 R 93/20 B - juris RdNr 13 mwN; BSG Beschluss vom 18.5.2016 - B 5 RS 10/16 B - juris RdNr 8 mwN). Art 103 Abs 1 GG enthält keinen Anspruch, dass die Gerichte der Rechtsansicht des Grundrechtsträgers folgen, und schützt nicht vor einer aus dessen Sicht "unrichtigen" Rechtsanwendung (BVerfG ≪Kammer≫ vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 - insofern in BVerfGK 17, 298 nicht abgedruckt).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Düring                                          Körner                                          Hahn

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15116905

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